Post by GuguusKann mir jemand aus verlässlicher Quelle sagen, woher folgende
Soweit Quellen halt verlässlich sind ja, was ich bei Roerich doch
sehr stark annehme.
Vorsicht, die Antwort auf Frage 2 ist ein bissel länger!
Post by Guguus1. Warum sagt man, wenn jemand gestorben ist, er "habe den Schirm
zugemacht"?
| /Den Schirm zumachen/: sterben. Diese Umschreibung für den Tod
| ist besonders im alemannischen Sprachgebrauch verbreitet. Die
| Schweizer kennen den Witz: »Warum bekommt der Katholik die
| letzte Ölung?« »Das es nöd gixed (quietscht), wänn er de Schirm
| zuetuet«; --> zeitlich.
| /Einen Schirm in die Ecke stellen/: verhüllend: einen Wind
| lassen.
| /Etwas auf dem Schirm haben/: im Repertoire haben, wobei der
| Bildschirm gemeint ist.
|
| E. MOSER: Der Schirm. Eine Kulturhistorische Studie (1924);
| W. ANDERSON: Artikel 'Schirm', in: Handwörterbuch des deutschen
| Aberglaubens VII, Spalte 1078-1080.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Schirm, S. 1. Digitale
Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten,
S. 5425 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 4, S. 1346) (c) Verlag Herder]
Post by Guguus2. Warum sagt man, wenn jemand gestorben ist, er "habe ins Gras
gebissen"?
| /Ins Gras beißen/: im Kampf fallen. Die Wendung gebrauchen wir
| heute schlechthin für 'sterben' (vgl. 'Das Zeitliche segnen',
| --> zeitlich), und gerade hierbei zeigt sich das Verblassen des
| ursprünglichen Bildes besonders auffällig, wenn z.B. niemand den
| Widerspruch merkt bei einer Erzählung etwa von dem Heldentod
| einer Schar tapferer Seeleute, die sämtlich 'ins Gras beißen'
| mußten. Es handelte sich mithin um eine Verallgemeinerung des
| Soldatentodes auf dem Festlande. Literarisch zum Beispiel bei
| Lessing in dem 87. Sinngedicht auf den Lupan:
|
| Des beissigen Lupans Befinden wollt ihr wissen?
| Der beissige Lupan hat jüngst ins Gras gebissen.
|
| Die Redensart kann nicht getrennt werden von romanischen
| Redensarten wie französisch 'mordre la poussière' (wörtlich: in
| den Staub beißen); italienisch 'mordere la terra'; spanisch
| 'morder la tierra'. Im Deutschen ist an die Stelle von Erde und
| Staub auffallenderweise das Gras getreten, was die Erklärung
| dieser viel gedeuteten Redensart sehr erschwert hat. Die
| Redensart findet sich zuerst im 13. Jahrhundert, hat aber dort
| noch nicht den Sinn von 'sterben', sondern wird von Schafen
| gebraucht, die weiden, bedeutet also soviel wie 'Gras fressen'.
| In der Bedeutung 'sterben' kommt sie erst im 17. Jahrhundert bei
| Opitz und Olearius vor. Bei Olearius ('Persianischer Rosenthal'
| I, 19) heißt es: »Viel haben müssen in der Frembde Hungers
| halben ins Grasz beißen / dasz man nicht weisz / wer sie gewesen
| seynd: Ihrer viel sterben umb denen keine Thränen vergossen
| werden«. Es läge nahe, zwischen den Worten 'Hungers halben' und
| 'ins Grasz beißen' einen Zusammenhang herauszufinden und diese
| Stelle zur Erklärung der Redensart zu verwenden, etwa in dem
| Sinne, daß man annimmt, 'ins Grasz beißen' sei ursprünglich von
| Menschen gebraucht worden, die in größter Not wie die Tiere Gras
| essen, und erst allmählich von der Todesgefahr auf den Tod
| selbst ausgedehnt worden (so auch Wander, s. Gras). Die Stelle
| bei Olearius berechtigt indes zu einem solchen Schlusse nicht,
| zumal andere Stellen, die auf diese Erklärung hinweisen, nicht
| bekannt sind. Unserem 'ins Graß beißen' entspricht englisch 'to
| go to grass', das sonst von Tieren im Sinne von 'weiden', 'auf
| die Weide gehen' gebraucht wird, gerade wie unser 'ins Gras
| beißen' bei seinem ersten nachweislichen Vorkommen im 13.
| Jahrhundert. Neben 'to go to grass' gebraucht der Engländer im
| Sinne von 'sterben' auch 'to go to the ground', 'to bite the
| ground' und 'to bite the dust', ähnlich die romanischen
| Redensarten (vgl. niederländisch 'in het zand bijten').
| Man hat die Redensart bisher auf vierfache Weise zu erklären
| versucht; einmal mit der sogenannten Notkommunion. Es war im
| Mittelalter üblich, daß Menschen, denen durch Mord oder im Kampf
| ein schneller Tod drohte, Erdbrocken ergriffen und sie statt des
| Leibes Christi als letzte Wegzehrung zu sich nahmen. Es wird
| auch öfters erzählt, daß Laien Sterbenden, denen das heilige
| Abendmahl nicht mehr gereicht werden konnte, Erdbrocken in den
| Mund steckten, in der Überzeugung, daß die Wirkung dieselbe sein
| werde wie beim Genusse des Sakraments. In dem Gedicht von 'Meier
| Helmbrecht' wird erzählt, daß die Bauern dem Räuber, den sie an
| den Baum gehenkt hatten, einen »brosemen von der erden« gaben,
| »zeiner stiuwer (Steuer) für daz hellefiuwer«. In dem Lied von
| der Ausfahrt des Riesen Ecke wird berichtet, daß Ecke einen
| verwundeten Ritter fand, dem er einen Brocken Erde in den Mund
| gab mit dem Wunsche:
|
| Der glaub der werd an dir volleyst (vollendet)
| Für das hellische fewre,
| Gott Vatter, Suon, heyliger Geyst
| Kum deiner seel zu stewre,
| Das dir der hymmel sey bereyt.
|
| Ähnliches wird erzählt in den Gedichten von der Ravennaschlacht
| und von Wolfdietrich. In einem altfranzösischen Gedicht auf die
| Schlacht von Roncevalles wird von dem Helden Olivier berichtet,
| daß er, zum Tode verwundet liegend, drei Grashalme genommen
| habe, um damit für sich das heilige Abendmahl zu feiern. Statt
| der Erdbrocken werden also auch Grashalme erwähnt. Diese
| Erklärung ist jetzt wohl allgemein mit Recht aufgegeben worden.
| Grashalme werden bei der Notkommunion nur äußerst selten
| erwähnt, so daß es ganz unwahrscheinlich ist, daß sie Anlaß zu
| einer sprichwörtlichen Redensart gegeben haben sollten. Die
| zweite Erklärung geht davon aus, daß das Wort 'beißen' nichts
| anderes ist als mittelhochdeutsch beizen, althochdeutsch beizên
| = absteigen, dann auch soviel wie unterliegen. In
| mittelhochdeutschen Epen wird öfters erzählt, daß ein Ritter 'in
| daz gras erbeizt', d.h. vom Pferde absteigt (beizen heißt
| eigentlich: essen lassen, also: um das Pferd fressen zu lassen,
| ins Gras absteigen), z.B. 'Heldenbuch' 442, 28:
|
| da beist wolfdietreiche
| da nider in das gras
|
| und 361, 18:
|
| er beiste von dem rossen
| hin nyder auff das lant.
|
| Dieses 'beißen' ist später Gebrauch für 'erbeizen' der
| gebildeten mittelhochdeutschen Literatur. So heißt es z.B. im
| 'Nibelungenlied' Strophe 200, 3:
|
| Dô si in hêt empfangen, er si hiez ûf daz gras
| erbeizen mit den frouwen, swaz ir dâ mit ir was.
|
| Aber weder erbeizen noch das in gleichem Sinne verwendete beißen
| wird in charakteristischer Weise mit Gras in Verbindung
| gebracht, ja, das Gras fehlt oft gerade da, wo wir es am ersten
| erwarten müßten, wenn die Redensart auf dieses 'erbeizen'
| zurückginge, nämlich wo es sich um im Kampf Verwundete oder
| Getötete handelt, wie z.B. im 'Nibelungenlied' 32, 7: »In dem
| starken sturme erbeizte manec nider von den rossen«.
| Sprichwörtliche Redensarten pflegen nicht auf mißverstandene
| Worte zurückzugehen. Hier ist das um so unwahrscheinlicher, als
| 'beißen' für 'erbeizen' doch nur ausnahmsweise und gewiß nur im
| Dialekt gebraucht wurde.
| Die dritte Erklärung ist hergenommen von der Tatsache, daß
| tödlich verwundete Krieger häufig im letzten Todeskampfe Sand,
| Erde oder Gras mit dem Munde erfassen. Dafür beruft man sich auf
| zahlreiche Stellen in der Literatur von Homer an. So ruft z.B.
| Agamemnon ('Ilias' II, 412ff.) den Zeus an:
|
| Laß doch die Sonne nicht sinken
| und sende nicht früher das Dunkel,
| Ehe nicht niedergerissen
| des troischen Königs verrußtes
| Deckengebälk und das Tor
| mit loderndem Feuer beschüttet,
| Eh' nicht des Hektor Gewand
| an der Brust ich in flatternden Fetzen
| Riß mit dem ehernen Speer
| und um ihn viele Gefährten
| Häuptlings gestürzt in den Staub,
| den Sand mit den Zähnen zu beißen!
|
| Und im 19. Gesang (V. 61) heißt es:
|
| Ehe so viel Achäer
| den Staub mit den Zähnen gebissen.
|
| Ähnlich sagt Vergil ('Aeneis' XI, 418): »procubuit moriens et
| humum semel ore momordit«, (X, 489): »et terram hostilem moriens
| petit ore cruento«, und Ovid ('Metamorphosen' IX, 61): »arenas
| ore momordi«. Daraus sind die romanischen Redensarten 'mordre la
| poussière' u.a. entstanden. Auch gegen diese Erklärung scheint
| zu sprechen, daß nur äußerst selten in dem erwähnten Falle vom
| Grase die Rede ist. Erde und Staub sind leicht verständlich,
| Gras nicht in demselben Maße.
| 4. Deutung: R. Pischel glaubt den Ursprung der Redensart in
| einem Brauche zu finden, der sich praktisch bei allen
| indogermanischen Völkern findet, nämlich in der Sitte, in
| bestimmten Fällen Gras in den Mund oder in die Hand zu nehmen.
| Pischel sagt: Für Indien steht ganz fest, daß 'ins Gras beißen'
| nicht 'sterben' bedeutete, sondern im Gegenteil ein Mittel war,
| um sich bei Lebensgefahr vor dem Tode zu retten. Aber wer ins
| Gras biß, gab damit zu erkennen, daß er mit seinen Kräften zu
| Ende war und sich fremder Gewalt überließ. Das Gras war das
| Symbol der Schwäche und des Schutzheischens. Statt in das Gras
| zu beißen oder es in den Mund zu nehmen, nahm man es auch in die
| Hand wie bei den Römern, Germanen, Slawen, und bei den Indern
| das Schilfrohr. Man könnte versucht sein, anzunehmen, daß der
| Ausdruck von den Kriegern im Kampfe allmählich auf alle Menschen
| überhaupt ausgedehnt worden sei, die 'mit dem Tode ringen'.
| Dafür bringt Pischel Belege aus der indischen Literatur, wo das
| Gras als Zeichen der Unverletzlichkeit galt. Aus dem Sinn: Ich
| beiße ins Gras, d.h., ich bin mit meinen Kräften zu Ende, und
| der Vermischung mit einer Redensart wie französisch 'mordre la
| poussière' habe sich die heutige Bedeutung entwickelt. Doch
| befriedigt auch diese Deutung nicht völlig. Das Begräbnis unter
| dem Rasen, das ja auch sprichwörtlich ist, wird jedenfalls noch
| nicht zur Erklärung der Entstehung der Redensart ausreichen.
| So wird man sie noch am ehesten wohl als naturalistische |
Schilderung des Verhaltens zu Tode getroffener Krieger auffassen
| dürfen. Das geht auch daraus hervor, daß die deutsche Wendung
| sinngemäß der englischen wie auch der französischen entspricht,
| obwohl darin zumeist der Begriff 'Staub' oder 'Erde' verwendet
| wird, d.h., alle Varianten beziehen sich auf die Tatsache, daß
| schwer verwundete Krieger im letzten Todeskampf Sand, Erde oder
| Gras mit dem Munde erfassen und sich darin festbeißen. Diese
| Meinung vertritt auch F. Oinas, der als Beweis eine Stelle aus
| einem historischen Bericht des dänischen Geschichtsschreibers
| Saxo Grammaticus (ca. 1204) über den Heldentod des Dänen
| Skarkather anführt. Darin wird erzählt, wie sich beim Fall des
| abgeschlagenen Kopfes auf das Gras die Zähne festbissen. Oinas
| folgert daraus, daß die englischen Redensarten 'to bite the dust
| (earth)' bzw. 'to bite the grass' (auch: 'to go to grass')
| unabhängig von anderen Einflüssen entstanden sind, und zwar
| allein aufgrund der Beobachtung schwer verletzter Krieger, bei
| denen 'in ihren letzten Zuckungen' »ein krampfartiges Öffnen und
| Schließen des Mundes einsetzte« (Oinas), wobei die Zähne in
| Staub, Erde oder Gras bissen. Oinas schließt eine sprachliche
| Überlieferung aus der griechischen und römischen Literatur daher
| aus. Gleichwohl verdienen die entsprechenden Belege der
| Erwähnung, da sie die ältesten Zeugnisse für das oben genannte
| Phänomen sind.
| Wenn in diesen Belegen von Staub und Sand die Rede ist, in
| der dänischen historischen Legende jedoch von Gras, so dürfte
| das wiederum ein Beweis für die Herkunft der Redensart aus dem
| realen Verhalten des Kriegers im Todeskampf sein: er beißt in
| das Nächstgelegene - das ist im Süden eher Sand und Staub, im
| Norden dagegen Erde oder Gras.
| Viel verwendet wird auch der redensartliche Vergleich 'Grün
| wie Gras', der schon im frühen Mittelalter begegnet und heute
| vielfach in der Verkürzung 'grasgrün' vorkommt. Ähnlich der
| Vergleich 'wie Spitzgras', der im Sinne von zuwider,
| unsympathisch, unangenehm vor allem auf Personen bezogen wird,
| wie z.B. in dem Ausspruch: 'Er ist mir zuwider wie Spitzgras',
| --> grün.
|
| Literaturverweise: I.V. ZINGERLE: 'Ins Gras beißen', in:
| Germania 4 (1859), S. 112-113; J.D.M. FORD: 'To bite the dust'
| and symbolic lay communion, in: Publications of the Modern
| Language Association 20 (1905), S. 197-230; E. HOFFMANN-KRAYER:
| 'Ins Gras beißen', in: Archiv für das Studium der neueren
| Sprachen u. Literatur, Bd. 117, S. 142; L. GÜNTHER: Wörter und
| Namen, S. 45; R. PISCHEL: Ins Gras beißen, in: Sitzungsberichte
| der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften 23 (1908),
| S. 445-464; SEILER: Sprichwörterkunde, S. 233; Richter-Weise,
| Nr. 67, S. 69-71; K. HECKSCHER: Artikel 'Gras', in:
| Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 1114-1119;
| A. TAYLOR: 'Attila and modern riddles: Where the Turk's horse
| has trod, grass never grows', in: Journal of American Folklore
| 56 (1943), S. 136-137; W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie
| im Lied der Völker, Bd. I, S. 850ff.; F. OINAS: 'To bite the
| dust', in: Proverbium (N.F.) 1 (1984), S. 191-194.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Gras, S. 9-18. Digitale
Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten,
S. 2309-2318 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 2, S. 577-580) (c) Verlag
Herder]
Post by Guguus3. Woher stammt die Redewendung "aus dem Nähkästchen plaudern"?
| *Nähkästchen*
| /Aus dem Nähkästchen plaudern/: intime Geheimnisse preisgeben,
| private Dinge zum besten geben. Die Redensart ist eine jüngere
| Parallelbildung zu: 'Aus der Schule plaudern', --> Schule;
| mundartlich-rheinisch: 'Niehkästche'. In Fontanes 'Effi Briest'
| werden sechs Jahre nach ihrem Ehebruch ihre verhängnisvollen
| Briefe im Nähkästchen entdeckt, wo sie sie verborgen hatte.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Nähkästchen, S. 1.
Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen
Redensarten, S. 4276 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 3, S. 1074)
(c) Verlag Herder]
HTH,
M.