Discussion:
groß genug
(zu alt für eine Antwort)
Stefan Schmitz
2024-06-29 10:43:08 UTC
Permalink
Eben habe ich einen Ausschnitt gehört, wo Robert Habeck von einer
"großgenuchen" Aufgabe(?) sprach.

Was hat dieses nachgestellte 'genug' grammatisch für eine Funktion?
Inhaltlich ist "groß genug" synonym mit "ausreichend groß". Das sieht
nach einem Adverb aus. Aber warum steht das eine vor dem Adjektiv, das
andere danach? Weder "genug groß" noch "groß ausreichend" sind möglich.
Christian Weisgerber
2024-06-29 22:02:19 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Eben habe ich einen Ausschnitt gehört, wo Robert Habeck von einer
"großgenuchen" Aufgabe(?) sprach.
Interessant. Das ist aus dem prädikativen Gebrauch „die Aufgabe ist
groß genug“ umgebildet. MUSEN nicht standardsprachlich.
Post by Stefan Schmitz
Was hat dieses nachgestellte 'genug' grammatisch für eine Funktion?
Pfeifer formuliert in seinem Etymologischen Wörterbuch vorsichtig:
„Die einem Indefinitpronomen oder Adverb ähnelnde, im Nhd. stets
flexionslose Quantitätsangabe“.

Der Grammatikduden (9. Aufl.) nennt es en passant „Gradpartikel“.

Glückwunsch, du hast gerade bemerkt, dass es Ecken in der deutschen
Sprache gibt, wo man mit der in der Schule gelehrten Einteilung in
zehn Wortarten nicht so recht auskommt.

Übrigens wird der englische Kognat „enough“[1] auch so nachgestellt.


[1] Wer sich über das fehlende g- wundert: Germanisches /g/ vor vorderem
Vokal wurde im Altenglischen zu /j/, vgl. z.B. gestern – yesterday.
Das /j/ scheint dann regelmäßig in unbetonter Anlautsilbe
ausgefallen zu sein, vgl. gewahr – aware, gleich – alike und die
Partizipvorsilbe ge- – a- (the times they are a-changin’).
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Christina Kunze
2024-06-30 05:54:21 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Eben habe ich einen Ausschnitt gehört, wo Robert Habeck von einer
"großgenuchen" Aufgabe(?) sprach.
Interessant. Das ist aus dem prädikativen Gebrauch „die Aufgabe ist
groß genug“ umgebildet. MUSEN nicht standardsprachlich.
Nö, aber hierzulande üblich wie die zue Tür und das abbe Bein.

chr
Ulf_Kutzner
2024-06-30 07:01:58 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Eben habe ich einen Ausschnitt gehört, wo Robert Habeck von einer
"großgenuchen" Aufgabe(?) sprach.
Interessant. Das ist aus dem prädikativen Gebrauch „die Aufgabe ist
groß genug“ umgebildet. MUSEN nicht standardsprachlich.
Nö, aber hierzulande üblich wie die zue Tür
Hierzugegend: zuene.
Stefan Schmitz
2024-06-30 07:10:05 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Eben habe ich einen Ausschnitt gehört, wo Robert Habeck von einer
"großgenuchen" Aufgabe(?) sprach.
Interessant. Das ist aus dem prädikativen Gebrauch „die Aufgabe ist
groß genug“ umgebildet. MUSEN nicht standardsprachlich.
Nö, aber hierzulande üblich wie die zue Tür und das abbe Bein.
Wo ist "hierzulande"? Im Gegensatz zu deinen Beispielen habe es nie
zuvor gehört, obwohl mir das Bildungsprinzip sofort klar war.
Ulf_Kutzner
2024-06-30 07:01:11 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Eben habe ich einen Ausschnitt gehört, wo Robert Habeck von einer
"großgenuchen" Aufgabe(?) sprach.
Interessant. Das ist aus dem prädikativen Gebrauch „die Aufgabe ist
groß genug“ umgebildet. MUSEN nicht standardsprachlich.
Post by Stefan Schmitz
Was hat dieses nachgestellte 'genug' grammatisch für eine Funktion?
„Die einem Indefinitpronomen oder Adverb ähnelnde, im Nhd. stets
flexionslose Quantitätsangabe“.
Der Grammatikduden (9. Aufl.) nennt es en passant „Gradpartikel“.
Glückwunsch, du hast gerade bemerkt, dass es Ecken in der deutschen
Sprache gibt, wo man mit der in der Schule gelehrten Einteilung in
zehn Wortarten nicht so recht auskommt.
Übrigens wird der englische Kognat „enough“[1] auch so nachgestellt.
[1] Wer sich über das fehlende g- wundert: Germanisches /g/ vor vorderem
Vokal wurde im Altenglischen zu /j/, vgl. z.B. gestern – yesterday.
In Berlin und Brandenburg war man diesbezüglich jründlicha.
Helmut Richter
2024-06-30 07:25:24 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Der Grammatikduden (9. Aufl.) nennt es en passant „Gradpartikel“.
Glückwunsch, du hast gerade bemerkt, dass es Ecken in der deutschen
Sprache gibt, wo man mit der in der Schule gelehrten Einteilung in
zehn Wortarten nicht so recht auskommt.
Ich habe da öfter den Eindruck, dass da zunächst eine Anzahl n der
Wortarten festgelegt wird und dann n–1 davon den offensichtlichsten
Wortarten zugeordnet werden und schließlich die n-te, die alles
Übriggebliebene enthält, den Namen „Adverb“ bekommt.
--
Helmut Richter
Stefan Schmitz
2024-06-30 08:20:22 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Was hat dieses nachgestellte 'genug' grammatisch für eine Funktion?
„Die einem Indefinitpronomen oder Adverb ähnelnde, im Nhd. stets
flexionslose Quantitätsangabe“.
Der Grammatikduden (9. Aufl.) nennt es en passant „Gradpartikel“.
Glückwunsch, du hast gerade bemerkt, dass es Ecken in der deutschen
Sprache gibt, wo man mit der in der Schule gelehrten Einteilung in
zehn Wortarten nicht so recht auskommt.
Ob man dafür nun eine eigene Wortart definiert, ist mir ziemlich egal.

Ich wundere mich nur, dass dieses Wort mal nur vorangestellt werden kann
(wohl bei Verben: jetzt ist genug geredet worden), mal nur nachgestellt
(bei Adjektiven: das war lange genug) und mal beides möglich ist (bei
Substantiven: Er hat genug Geld / Geld genug). Und dass das Nachstellen
mit dem gleichbedeutenden 'genügend' nicht mehr funktioniert.
Gibt es dieses Phänomen öfter?
Ulf_Kutzner
2024-06-30 09:22:27 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Was hat dieses nachgestellte 'genug' grammatisch für eine Funktion?
„Die einem Indefinitpronomen oder Adverb ähnelnde, im Nhd. stets
flexionslose Quantitätsangabe“.
Der Grammatikduden (9. Aufl.) nennt es en passant „Gradpartikel“.
Glückwunsch, du hast gerade bemerkt, dass es Ecken in der deutschen
Sprache gibt, wo man mit der in der Schule gelehrten Einteilung in
zehn Wortarten nicht so recht auskommt.
Ob man dafür nun eine eigene Wortart definiert, ist mir ziemlich egal.
Ich wundere mich nur, dass dieses Wort mal nur vorangestellt werden kann
(wohl bei Verben: jetzt ist genug geredet worden), mal nur nachgestellt
Bei Verben: Er hat genug.
Post by Stefan Schmitz
(bei Adjektiven: das war lange genug)
Wir könnten hier noch über die Wortart von 'lange' diskutieren.
Post by Stefan Schmitz
und mal beides möglich ist (bei
Substantiven: Er hat genug Geld / Geld genug). Und dass das Nachstellen
mit dem gleichbedeutenden 'genügend' nicht mehr funktioniert.
Immerhin läßt sich 'hinreichend groß' im Adjektivbestandteil
deklinieren, während die Konstruktionen mit Adx + genug m.E.
nur zur prädikativen Verwendung taugen.
Peter J. Holzer
2024-06-30 20:42:49 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Was hat dieses nachgestellte 'genug' grammatisch für eine Funktion?
„Die einem Indefinitpronomen oder Adverb ähnelnde, im Nhd. stets
flexionslose Quantitätsangabe“.
Der Grammatikduden (9. Aufl.) nennt es en passant „Gradpartikel“.
Glückwunsch, du hast gerade bemerkt, dass es Ecken in der deutschen
Sprache gibt, wo man mit der in der Schule gelehrten Einteilung in
zehn Wortarten nicht so recht auskommt.
Ob man dafür nun eine eigene Wortart definiert, ist mir ziemlich egal.
Ich wundere mich nur, dass dieses Wort mal nur vorangestellt werden kann
(wohl bei Verben: jetzt ist genug geredet worden), mal nur nachgestellt
(bei Adjektiven: das war lange genug)
Vielleicht ist es ja umgekehrt: Nicht "groß" wird durch ein
nachgestelltes "genug" modifiziert, sondern "genug" durch ein (wie
üblich) vorgestelltes "groß":

Es ist genug. Auf welche Art ist es genug? Es ist groß genug.

Ich parse den Satz zwar nicht so, aber vielleicht ist die Wortstellung
so entstanden.

hp
Christian Weisgerber
2024-07-01 21:52:50 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Ich wundere mich nur, dass dieses Wort mal nur vorangestellt werden kann
(wohl bei Verben: jetzt ist genug geredet worden), mal nur nachgestellt
Das verhält sich wie „viel“ und „wenig“ und wird entsprechend als
Indefinitpronomen analysiert.
Post by Stefan Schmitz
(bei Adjektiven: das war lange genug)
Adverb/Gradpartikel.
Post by Stefan Schmitz
und mal beides möglich ist (bei Substantiven: Er hat genug Geld
/ Geld genug).
Ja, kann man so feststellen: Es kann nachgestellt werden.

Im Englischen gibts das auch: Time Enough for Love.
Post by Stefan Schmitz
Gibt es dieses Phänomen öfter?
Öfter sicher nicht, weshalb es dir ja aufgefallen ist.

Aber es gibt die Präposition „gegenüber“, die vor- und nachgestellt
werden kann:
- gegenüber der Einfahrt
- der Einfahrt gegenüber
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Ulf_Kutzner
2024-07-02 06:29:52 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Ich wundere mich nur, dass dieses Wort mal nur vorangestellt werden kann
(wohl bei Verben: jetzt ist genug geredet worden), mal nur nachgestellt
Das verhält sich wie „viel“ und „wenig“ und wird entsprechend als
Indefinitpronomen analysiert.
Post by Stefan Schmitz
(bei Adjektiven: das war lange genug)
Adverb/Gradpartikel.
Post by Stefan Schmitz
und mal beides möglich ist (bei Substantiven: Er hat genug Geld
/ Geld genug).
Ja, kann man so feststellen: Es kann nachgestellt werden.
Im Englischen gibts das auch: Time Enough for Love.
Post by Stefan Schmitz
Gibt es dieses Phänomen öfter?
Öfter sicher nicht, weshalb es dir ja aufgefallen ist.
Aber es gibt die Präposition „gegenüber“, die vor- und nachgestellt
- gegenüber der Einfahrt
- der Einfahrt gegenüber
Postpositionen oder postpositionale Verwendung, klar.

Meiner Meinung nach.
Ihm zufolge.
Der guten Ordnung halber.
Diedrich Ehlerding
2024-07-02 16:24:15 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Aber es gibt die Präposition „gegenüber“, die vor- und nachgestellt
- gegenüber der Einfahrt
- der Einfahrt gegenüber
Da gibts noch mehr, zum Beispiel „wegen“, „entsprechend“, „entlang“ oder
„zufolge“. Auch „nach“ kann als Präposition und als Postposition benutzt
werden, aber mit etwas anderer Bedeutung (nachgestellt etwa in Floskeln
wie „dem Grunde nach“),
--
gpg-Key (DSA 1024) D36AD663E6DB91A4
fingerprint = 2983 4D54 E00B 8483 B5B8 C7D1 D36A D663 E6DB 91A4
HTML-Mail wird ungeleſen entſorgt.
Ulf_Kutzner
2024-07-02 17:30:36 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Christian Weisgerber
Aber es gibt die Präposition „gegenüber“, die vor- und nachgestellt
- gegenüber der Einfahrt
- der Einfahrt gegenüber
Da gibts noch mehr, zum Beispiel „wegen“, „entsprechend“, „entlang“ oder
„zufolge“.
Teile davon wurden zwar schon als neu in die
Diskussion eingebracht, aber eben noch nicht
von jedem.

Loading...