Ralf Joerres
2020-10-23 09:51:59 UTC
Das war hier vielleicht schon mal Thema, wer weiß: In der Jugendbeilage
der SZ liest man jetzt über Demonstrationen von Frauen gegen Trump
(Hervorhebungen von mir):
"Viele Demonstrierende sagten, sie _seien_ wütend, weil Trumps
Republikaner*innen bereit _seien_, die konservative Richterin Amy Coney
Barrett noch kurz vor der Präsidentschaftswahl am 3. November in den
Kreis der höchsten US-Richter zu wählen. Dabei _hätten_ die
Republikaner*innen Trumps demokratischen Vorgänger Barack Obama sechs
Monate vor der Wahl 2016 die Nominierung eines Kandidaten für den
Supreme Court mit dem Argument verweigert, sein Nachfolger _solle_ über
die Personalie bestimmen."
Der Konjunktiv (1 oder 2) drückt aus, dass die Sätze im Konjunktiv nicht
die Meinung bzw. den Gedankengang des Autors bzw. der Zeitung
wiedergeben, sondern die- bzw. denjenigen der zitierten Person. Es ist -
auch - eine Distanzierung: Dies ist nicht das, was hier vertreten wird,
sondern das, was andere Leute sagen und das wir hier nur wiedergeben. Es
liegt in der Natur solcher Sätze, dass sie auch als Zweifel am
Wahrheitsgehalt der Zitate gelesen werden können. Konkret:
"Viele Demonstrierende sagten, sie seien wütend [so ihre Worte], weil
Trumps Republikaner*innen bereit seien [was aber so nicht zutrifft], die
konservative Richterin Amy Coney Barrett noch kurz vor der
Präsidentschaftswahl am 3. November in den Kreis der höchsten US-Richter
zu wählen. Dabei hätten die Republikaner*innen [angeblich] Trumps
demokratischen Vorgänger Barack Obama sechs Monate vor der Wahl 2016 die
Nominierung eines Kandidaten für den Supreme Court mit dem Argument
verweigert, [erst] sein Nachfolger solle [so geben es jedenfalls
Demokraten wieder] über die Personalie bestimmen."
Den Text _so_ zu verstehen, liegt für mich im Spielraum seiner
Bedeutungsmöglichkeiten. Nun ist es aber so, dass die Trump-Leute nicht
nur nur angeblich oder unzutreffenderweise, sondern ganz tatsächlich
bereit sind, Frau Barrett (oder Coney Barrett?) auf den Posten zu
hieven, und die Geschichte mit Verhinderung der Besetzung einer Stelle
durch Obama ist ebenfalls eine Tatsache, die rauf und runter durch die
Medien gegangen ist. Der Text ermöglicht dadurch in meinen Augen
unzutreffende Lesarten und ist nicht korrekt.
Meiner Auffassung nach müsste man hier die mittlerweile allgemein
bekannten Tatsachen einerseits und die bloße Wiedergabe von
Fremdmeinungen andererseits durch eingeschobene Kommentare (... was auch
zutrifft) oder durch den Indikativ unterscheidbar machen. Besser noch:
Man verzichtet hier überhaupt auf die indirekte Rede und berichtet in
der Form: "Viele Demonstranten sind wütend, weil ... Trumps Republikaner
die erzkonservative Barrett noch unmittelbar vor der Wahl in den Supreme
Court wählen wollen, zumal in einem analogen Fall sechs Monate vor der
letzten Wahl den Demokraten genau dieses Recht verweigert wurde. Dies
geschah 2016 mit der Zusage, dass, sollte so eine Konstellation sich
2019 wiederholen, man dann von Republikanischer Seite ebenfalls bis nach
der Wahl warten werde."
Ich beobachte in der Nachrichtensprache häufiger, dass Tatsachen durch
Verschieben in eine Redewiedergabe in den Konjunktiv verfrachtet und
dadurch von der Welt der Tatsachen in die Welt bloßer Behauptungen
verschoben werden. Vielleicht ist das eine Vorsichtsmaßnahme der
Zeitungsleute, um nicht nachträglich darauf festgenagelt werden zu
können, sie hätten gesagt, jemand anderer habe dies und das behauptet.
Am Ende landet man dann in einer Informationswolke, in der alle nichts
mehr wirklich und tatsächlich und manifest gesagt haben, sondern in der
nur noch übereinander gesagt wird, sie hätten dies oder jenes geäußert.
Es ähnelt der Berichtserstattung über Kriminalität, bei der ebenfalls
nicht von den bisher bekannten Informationen sondern tendenziell in der
Form von Tatsachen-_Behauptungen_ berichtet wird. So etwa beim Attentat
von Halle, wo es abends über den Tathergang mal hieß, dass der Täter
zwei Menschen erschossen hatte, mal, dass er zwei Menschen erschossen
haben _soll_. Für mich ist das unbefriedigend: Es entspricht zwar dem
Persönlichkeitsrecht Verdächtiger, alle Zeugenaussagen unter den
Vorbehalt nachträglicher gerichtlicher Überprüfungen zu stellen, man
darf aber so gesehen nicht mal seinen eigenen Augen trauen, bis ein
Richter sein Okay gegeben hat. Ein bisschen wie mit der Corona-App: Um
das Persönlichkeitsrecht der User zu schützen, wurde sie so gestaltet,
dass niemand sie einsetzen muss, und dass, wenn man sie dennoch
einsetzt, man nicht verpflichtet werden kann, sich auf eine Warnmeldung
durch Kontakt mit einer infizierten Person hin in selbst verordnete
Quarantäne zu begeben. Was etliche dann auch nicht tun, wodurch der
eigentliche Sinn der App unterlaufen wird. Parallel dazu hört man jedoch
in 'Funk und Fernsehen' nach wie vor Expertenerklärungen über die gute
Zweckerfüllung dieser tollen App. Die Parallele sehe ich darin, dass
sowohl bei Nachrichten als auch in Sachen Corona-App Eigenbeobachtungen
sowie das, was einem der eigene gesunde Menschenverstand eingibt, sich
nicht mit dem zur Deckung bringen lassen, was offiziell verbreitet wird.
Das ist Teil von dem, was schlichtere Gemüter 'Lügenpresse' nennen; dort
ist allerdings die Stoßrichtung eine andere. Was ich damit auch sagen
will ist: Wenn man alle Dinge derartig verkompliziert und dann auch noch
mit Gendersprech und pc daherkommt, muss man sich nicht wundern, wenn
nicht wenige da komplett aussteigen und sich verweigern - sowohl beim
Vertrauen auf die Medien als auch in Sachen Corona, was ja zusammenhängt.
Gruß Ralf Joerres
der SZ liest man jetzt über Demonstrationen von Frauen gegen Trump
(Hervorhebungen von mir):
"Viele Demonstrierende sagten, sie _seien_ wütend, weil Trumps
Republikaner*innen bereit _seien_, die konservative Richterin Amy Coney
Barrett noch kurz vor der Präsidentschaftswahl am 3. November in den
Kreis der höchsten US-Richter zu wählen. Dabei _hätten_ die
Republikaner*innen Trumps demokratischen Vorgänger Barack Obama sechs
Monate vor der Wahl 2016 die Nominierung eines Kandidaten für den
Supreme Court mit dem Argument verweigert, sein Nachfolger _solle_ über
die Personalie bestimmen."
Der Konjunktiv (1 oder 2) drückt aus, dass die Sätze im Konjunktiv nicht
die Meinung bzw. den Gedankengang des Autors bzw. der Zeitung
wiedergeben, sondern die- bzw. denjenigen der zitierten Person. Es ist -
auch - eine Distanzierung: Dies ist nicht das, was hier vertreten wird,
sondern das, was andere Leute sagen und das wir hier nur wiedergeben. Es
liegt in der Natur solcher Sätze, dass sie auch als Zweifel am
Wahrheitsgehalt der Zitate gelesen werden können. Konkret:
"Viele Demonstrierende sagten, sie seien wütend [so ihre Worte], weil
Trumps Republikaner*innen bereit seien [was aber so nicht zutrifft], die
konservative Richterin Amy Coney Barrett noch kurz vor der
Präsidentschaftswahl am 3. November in den Kreis der höchsten US-Richter
zu wählen. Dabei hätten die Republikaner*innen [angeblich] Trumps
demokratischen Vorgänger Barack Obama sechs Monate vor der Wahl 2016 die
Nominierung eines Kandidaten für den Supreme Court mit dem Argument
verweigert, [erst] sein Nachfolger solle [so geben es jedenfalls
Demokraten wieder] über die Personalie bestimmen."
Den Text _so_ zu verstehen, liegt für mich im Spielraum seiner
Bedeutungsmöglichkeiten. Nun ist es aber so, dass die Trump-Leute nicht
nur nur angeblich oder unzutreffenderweise, sondern ganz tatsächlich
bereit sind, Frau Barrett (oder Coney Barrett?) auf den Posten zu
hieven, und die Geschichte mit Verhinderung der Besetzung einer Stelle
durch Obama ist ebenfalls eine Tatsache, die rauf und runter durch die
Medien gegangen ist. Der Text ermöglicht dadurch in meinen Augen
unzutreffende Lesarten und ist nicht korrekt.
Meiner Auffassung nach müsste man hier die mittlerweile allgemein
bekannten Tatsachen einerseits und die bloße Wiedergabe von
Fremdmeinungen andererseits durch eingeschobene Kommentare (... was auch
zutrifft) oder durch den Indikativ unterscheidbar machen. Besser noch:
Man verzichtet hier überhaupt auf die indirekte Rede und berichtet in
der Form: "Viele Demonstranten sind wütend, weil ... Trumps Republikaner
die erzkonservative Barrett noch unmittelbar vor der Wahl in den Supreme
Court wählen wollen, zumal in einem analogen Fall sechs Monate vor der
letzten Wahl den Demokraten genau dieses Recht verweigert wurde. Dies
geschah 2016 mit der Zusage, dass, sollte so eine Konstellation sich
2019 wiederholen, man dann von Republikanischer Seite ebenfalls bis nach
der Wahl warten werde."
Ich beobachte in der Nachrichtensprache häufiger, dass Tatsachen durch
Verschieben in eine Redewiedergabe in den Konjunktiv verfrachtet und
dadurch von der Welt der Tatsachen in die Welt bloßer Behauptungen
verschoben werden. Vielleicht ist das eine Vorsichtsmaßnahme der
Zeitungsleute, um nicht nachträglich darauf festgenagelt werden zu
können, sie hätten gesagt, jemand anderer habe dies und das behauptet.
Am Ende landet man dann in einer Informationswolke, in der alle nichts
mehr wirklich und tatsächlich und manifest gesagt haben, sondern in der
nur noch übereinander gesagt wird, sie hätten dies oder jenes geäußert.
Es ähnelt der Berichtserstattung über Kriminalität, bei der ebenfalls
nicht von den bisher bekannten Informationen sondern tendenziell in der
Form von Tatsachen-_Behauptungen_ berichtet wird. So etwa beim Attentat
von Halle, wo es abends über den Tathergang mal hieß, dass der Täter
zwei Menschen erschossen hatte, mal, dass er zwei Menschen erschossen
haben _soll_. Für mich ist das unbefriedigend: Es entspricht zwar dem
Persönlichkeitsrecht Verdächtiger, alle Zeugenaussagen unter den
Vorbehalt nachträglicher gerichtlicher Überprüfungen zu stellen, man
darf aber so gesehen nicht mal seinen eigenen Augen trauen, bis ein
Richter sein Okay gegeben hat. Ein bisschen wie mit der Corona-App: Um
das Persönlichkeitsrecht der User zu schützen, wurde sie so gestaltet,
dass niemand sie einsetzen muss, und dass, wenn man sie dennoch
einsetzt, man nicht verpflichtet werden kann, sich auf eine Warnmeldung
durch Kontakt mit einer infizierten Person hin in selbst verordnete
Quarantäne zu begeben. Was etliche dann auch nicht tun, wodurch der
eigentliche Sinn der App unterlaufen wird. Parallel dazu hört man jedoch
in 'Funk und Fernsehen' nach wie vor Expertenerklärungen über die gute
Zweckerfüllung dieser tollen App. Die Parallele sehe ich darin, dass
sowohl bei Nachrichten als auch in Sachen Corona-App Eigenbeobachtungen
sowie das, was einem der eigene gesunde Menschenverstand eingibt, sich
nicht mit dem zur Deckung bringen lassen, was offiziell verbreitet wird.
Das ist Teil von dem, was schlichtere Gemüter 'Lügenpresse' nennen; dort
ist allerdings die Stoßrichtung eine andere. Was ich damit auch sagen
will ist: Wenn man alle Dinge derartig verkompliziert und dann auch noch
mit Gendersprech und pc daherkommt, muss man sich nicht wundern, wenn
nicht wenige da komplett aussteigen und sich verweigern - sowohl beim
Vertrauen auf die Medien als auch in Sachen Corona, was ja zusammenhängt.
Gruß Ralf Joerres