Discussion:
koppheister
(zu alt für eine Antwort)
Jon J Panury
2010-04-04 19:32:58 UTC
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Dieses Adverb aus der hamburger Mundart kam mir neulich wieder zu
Gehör; und ich merkte, dass ich eigentlich nicht genau weiß, was ich
mir darunter vorzustellen habe.
"koppheister gehen", das ist also irgendwas eher Nachteiliges für den
betreffenden. Ist das äquivalent zu "über den Jordan gehen", "übern
Deister", - also mehr oder weniger unfallmäßig zu Tode kommen?

Und was heißt "heister"? Kopp ist klar, das heißt 'Kopf'.
Heister kenne ich noch aus dem hamburger Straßennamen Heisterkamp,
wobei -kamp natürlich 'Feld' ist. Aber 'heister'?

JJ
Masko Müller, Hamburg
2010-04-04 20:00:38 UTC
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Post by Jon J Panury
Dieses Adverb aus der hamburger Mundart kam mir neulich wieder zu
Gehör; und ich merkte, dass ich eigentlich nicht genau weiß, was ich
mir darunter vorzustellen habe.
Ich kenne das nur als "kapeister". Allerdings seit ca. 30 Jahren nicht
mehr gehört.
--
Mit freundlichen Grüßen
Masko
Nur mit gesundem Humor ansehen:
http://www.haustechnikdialog.de/Forum/t/19886/Grosse-Haufen
Waldemar Krzok
2010-04-04 00:03:20 UTC
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Post by Jon J Panury
Dieses Adverb aus der hamburger Mundart kam mir neulich wieder zu
Gehör; und ich merkte, dass ich eigentlich nicht genau weiß, was ich
mir darunter vorzustellen habe.
"koppheister gehen", das ist also irgendwas eher Nachteiliges für den
betreffenden. Ist das äquivalent zu "über den Jordan gehen", "übern
Deister", - also mehr oder weniger unfallmäßig zu Tode kommen?
Und was heißt "heister"? Kopp ist klar, das heißt 'Kopf'.
Heister kenne ich noch aus dem hamburger Straßennamen Heisterkamp,
wobei -kamp natürlich 'Feld' ist. Aber 'heister'?
Heister == niederdeutsch für Elster

Waldemar
Christina Kunze
2010-04-04 20:26:41 UTC
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Post by Jon J Panury
Dieses Adverb aus der hamburger Mundart kam mir neulich wieder zu
Gehör; und ich merkte, dass ich eigentlich nicht genau weiß, was ich
mir darunter vorzustellen habe.
Heißt das nicht "kopfüber"?

chr
Gunhild Simon
2010-04-05 08:40:05 UTC
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Post by Christina Kunze
Post by Jon J Panury
Dieses Adverb aus der hamburger Mundart kam mir neulich wieder zu
Gehör; und ich merkte, dass ich eigentlich nicht genau weiß, was ich
mir darunter vorzustellen habe.
Heißt das nicht "kopfüber"?
Das erklärt auch der NDR in Plattdeutsch für Anfänger.
http://www.ndr903.de/programm/platt/platt212.html

Duden meint, Kopp steht für Kopf und heister sei mhd, will für weitere
Erklärungen aber Gebühren.

Gruß
Gunhild
Jakob Achterndiek
2010-04-05 08:08:23 UTC
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Post by Gunhild Simon
Post by Christina Kunze
Heißt das nicht "kopfüber"?
Das erklärt auch der NDR in Plattdeutsch für Anfänger.
http://www.ndr903.de/programm/platt/platt212.html
Duden meint, Kopp steht für Kopf und heister sei mhd,
will für weitere Erklärungen aber Gebühren.
j/\a betreibt Bildungsdumping: mhd. »heistieren« bedeutete »eilen«;
im Kleinen Lexer folgt ein Hinweis auf frz. »haster«.

--
Stefan Ram
2010-04-05 10:08:15 UTC
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Post by Gunhild Simon
Duden meint, Kopp steht für Kopf und heister sei mhd, will für weitere
Erklärungen aber Gebühren.
»Heister« bezeichnet mhd einen jungen Buchenstamm (wie in
»Heisterkamp«), jedoch ist die Endung »-heister« damit wohl
nicht verwandt. Man findet noch »heisterkopps« (kopfüber),
»Koppheistervögels«.

Nur noch im Google-Speicher:

»Kopp ist der Kopf, und heistern heißt "wie eine Elster
(Heister) umherspringen", koppheister also kopfüber
scheten (schießen), gahn (gehen) od. flegen«

(Möglicherweise Leserkommentar. »Volksetymologie« oder
jemand, der wirklich mehr weiß als der Rest des Web?)

http://www.abendblatt.de/hamburg/article1137120/Sprechen-Sie-Hamburgisch-190.html

Jedenfalls bestätigt eine andere Quelle: »heister /*. die
Elster.« (Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche
Sprachforschung. Jahrgang 1903. via archive.org/Google).
Stefan Ram
2010-04-05 10:45:18 UTC
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Post by Stefan Ram
Kopp ist der Kopf, und heistern heißt "wie eine Elster
(Heister) umherspringen", koppheister also kopfüber
Reinhard Goltz (INS) gibt in »Die Welt« an, daß die Endung
rätselhaft sei und möglicherweise entweder die ruckartigen
Bewegungen der Elster aufnehme oder aus einem romanischen
»hastier« stamme (mhd »heistieren«, frz »ha(s)ter« [hasten]).
Stefan Ram
2010-04-05 12:49:36 UTC
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Post by Stefan Ram
Reinhard Goltz (INS) gibt in »Die Welt« an, daß die Endung
rätselhaft sei und möglicherweise entweder die ruckartigen
Bewegungen der Elster aufnehme oder aus einem romanischen
»hastier« stamme (mhd »heistieren«, frz »ha(s)ter« [hasten]).
Für mich ist das »hastier«, falls es irgendwie die Bedeutung von
»hasten« gehabt haben sollte, noch plausibler, da es ja eine
Verbindung zwischen der Hast und der Kopflage gibt:

So meldete eine große deutsche Presseagentur am 28. November 2008,
daß ein 22jähriger Bonner kopfunter in einem Gully ertrunken gefunden
worden sei, am Bodenschacht lagen noch die von ihm vermißten Schlüssel.
Er war also sozusagen »kopfhastig« (ohne Nachdenken mit dem Kopf voran)
in den Gully gesprungen.

http://www.sueddeutsche.de/panorama/849/449577/text/

Auch das kopfhastige Springen in zu flaches Wasser führt immer wieder
zu Verletzungen.

Der - bisher - einzige Google-Beleg für mein Wort »kopfhastig«:

»Du kannst kopfüber stürzen oder kopfunter ertrinken, (...)
oder kopfhastig durchs Leben gehen.«

22.04.2009, 16:20; Sunnshine

Diedrich Ehlerding
2010-04-05 09:09:26 UTC
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Post by Christina Kunze
Heißt das nicht "kopfüber"?
Ja, so verstehe ich das auch, und sehe es als Nordismus bzw. Plattismus an,
So sieht es auch http://nds.wiktionary.org/wiki/koppheister.

http://www.mydict.com/index.php?controller=Dict_German&action=Search&keyword=koppheister
nennt ein Beispiel

| Im Winter schießen wir von der Fenz koppheister (kopfüber) in den Schnee.
| (Quelle: Johannes Gillhoff - Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer /
| Indianergeschichten und Kinderbriefe)

http://www.mydict.com/Wort/koppheister/ nennt folgende Belege

| 1. "Weiß du noch, wie wir die Treppe von der Bahnüberführung
| koppheister hinuntergerauscht sind, weil die Buttelmann-Bande dort
| Glasmurmeln ausgelegt hatte?"( Quelle: TAZ 1996 )

| 2. Gleich an der ersten Hecke geht eine Reiterin koppheister.
| ( Quelle: Die Zeit (02/1998) )

Auch der NDR sah das so:
http://www.ndr903.de/programm/platt/platt212.html
und vermekrkt, dass es auch im übertragenen Sinn gebraucht wird - eine
Firma, die "koppheister" geht, ist pleite.

Diedrich
--
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HTML-Mail wird ungelesen entsorgt.
Juergen Grosse
2010-04-04 23:30:42 UTC
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Post by Jon J Panury
Dieses Adverb aus der hamburger Mundart kam mir neulich wieder zu
Gehör; und ich merkte, dass ich eigentlich nicht genau weiß, was ich
mir darunter vorzustellen habe.
"koppheister gehen", das ist also irgendwas eher Nachteiliges für den
betreffenden. Ist das äquivalent zu "über den Jordan gehen", "übern
Deister", - also mehr oder weniger unfallmäßig zu Tode kommen?
Auch. Eigentlich bedeutet es "kopfüber", kann aber auch "zu Schaden
kommen", "sterben" oder "bankrott gehen" bedeuten.
Post by Jon J Panury
Und was heißt "heister"? Kopp ist klar, das heißt 'Kopf'.
Heister kenne ich noch aus dem hamburger Straßennamen Heisterkamp,
wobei -kamp natürlich 'Feld' ist. Aber 'heister'?
...

Möglicherweise ist es tatsächlich die Elster. Röhrich vermutet:
"Lerche

Eine Lerche schießen: jählings hinfallen (durch Stolpern, aber auch vom
Pferde oder Fahrrad herab). Ob die nicht vor dem 19. Jahrhundert
bezeugte Redensart erst nachträglich mit dem Vogel in Zusammenhang
gebracht und dann durch ›schießen‹ erweitert worden ist, bleibt
ungeklärt. Doch sind mundartlich ähnliche Wendungen bezeugt, z.B.
niederdeutsch ›Koppheister scheten‹, einen Purzelbaum schießen, zu
Heister = Elster gehörig; vgl. auch sächsisch ›hinlerchen‹, hinfallen;
vielleicht hat das schnelle Herabschießen des Vogels mit dem Kopf voran
den Anlaß zu dem Bild gegeben.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Lerche. Lexikon der
sprichwörtlichen Redensarten, S. 3786
(vgl. Röhrich-LdspR Bd. 3, S. 957) (c) Verlag Herder
http://www.digitale-bibliothek.de/band42.htm ]"

Ich kenne Koppheister aus der Grundschule (NW-Hamburg, 1962-66) im
folgenden, vorwiegend bei der Anwesenheit von Handwerkern in der Schule
gehörten Spottreim:

"Malermalermeister
schießt Koppheister,
übers Gitter
hat 'n Splitter,
weiß nicht wo.
am Popo."

Eigenartigerweise fand ich im Web nur zwei mehr oder weniger stark
variierte Versionen:

"Malermalermeister
Scheißkopp heißt er,
übers Gitter,
hat 'nen Splitter,
weiß nicht wo.
im Popo."

"Bürgerbürgermeister
schießt Koppheister
übers Brett,
o, wie nett."

Nach kurzer Suche in meinen Bänden der Digitalen Bibliothek finde ich
"koppheister" u. a. bei Fritz Reuter, John Brinckmann und Klaus Groth,
es dürfte also wenigstens nach Norden und Osten weit über Hamburg hinaus
gebräuchlich sein.


Tschüs, Jürgen
Stefan Ram
2010-04-05 00:16:58 UTC
Permalink
Post by Juergen Grosse
Auch. Eigentlich bedeutet es "kopfüber", kann aber auch "zu Schaden
kommen", "sterben" oder "bankrott gehen" bedeuten.
Dann vermutlich eher in Verbindung mit »gehen«:
»koppheister gehen«.
Post by Juergen Grosse
Ich kenne Koppheister aus der Grundschule (NW-Hamburg, 1962-66)
Ich von Celan:

»Die koppheistergegangene Trauer.«

Wobei dort ja eigentlich nicht das Wort »koppheister«
vorkommt, sondern eher das Morphem.

Allerdings glaube ich dunkel, es schon vorher einmal in
meinem Leben gehört zu haben - vielleicht auch in der
Kindheit. Bob Dylan schreibt ja:

»There's some people that
You don't forget,
Even though you've only seen 'm
One time or two.«

- und mit manchen Wörtern geht es einem vielleicht genauso.

Von Celan wird WIMRE überliefert, er habe auch deutsche
Wörterbücher gelesen. Möglich, daß er das eine oder andere
Wort auch daraus gelernt und verwendet hat. Aber, wenn er
seltene Wörter verwendet, so sind dies doch nach meinem
Eindruck meist eher von ihm gebildete Kompositions- /
Konstruktionsmetaphern wie »traumfaserverstärkt«.
Jakob Achterndiek
2010-04-05 07:38:59 UTC
Permalink
Post by Juergen Grosse
Nach kurzer Suche in meinen Bänden der Digitalen Bibliothek
finde ich "koppheister" u. a. bei Fritz Reuter, John Brinckmann
und Klaus Groth, es dürfte also wenigstens nach Norden und Osten
weit über Hamburg hinaus gebräuchlich sein.
Peter Rühmkorf zitiert in seiner ro ro ro Anthologie
»Über das Volksvermögen - Exkurse in den literarischen Untergrund«
auch noch diese Strophe:
[24] Maler Maler Meister
Schießt Koppheister
O wie nett
Ins Klosett

j/\a
--
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