Matthias Opatz
2008-09-18 16:16:41 UTC
In der "Thüringer Allgemeinen" fand ich folgendes Gespräch mit der
Jenaer Sprachwissenschaftlerin Sylvia Weigelt zu der Erscheinung,
Einwohner von anderen Orten mit scherzhaften oder ironischen
Bezeichnungen zu versehen, die zuweilen auch als Selbstbezeichnung
übernommen werden. - Quelle: <http://tinyurl.com/45cnzj> bzw.
<http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.drucken.artikel.php?http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.onlinesuche.volltext.php?zulieferer=ta&redaktion=redaktion&dateiname=dateiname&kennung=on10taTHUThuNational39707&catchline=catchline&kategorie=kategorie&rubrik=Thueringen®ion=National&bildid=&searchstring=reiser-fischer&dbserver=1&dbosserver=1&other=&auftritt=TA&kennung=on10taTHUThuNational39707&zulieferer=ta>
| _*Puffbohne und Schneckenhengst*_
|
| Was viele schon immer mal wissen wollten: Wieso sind die Erfurter
| Puffbohnen? Die Geraer Fettguschen? Wer denkt sich so was aus und warum?
| TA fragte die Jenaer Sprachwissenschaftlerin Sylvia WEIGELT (56).
|
| *Wenn Sie aus Jena stammen, was sind Sie da?*
|
| Jenaer Käsehitsche.
|
| *Finden Sie das lustig?*
|
| Originell. Fast immer versteckt sich dahinter eine Geschichte.
|
| *Sie sammeln solche Namen.*
|
| Genau, ich habe im September 2007 die Arbeit angefangen, inzwischen über
| 200 Namen zusammengetragen und begonnen, ihre Herkunft zu erforschen.
|
| *Was gibt´s da so alles?*
|
| Elefantenkitzler in Niederroßla, Mühlhäuser Pflöcke, Sunnbarcher Fresser,
| Pfiffelbacher Schnarcher, die Apoldaer sind Gramonter, die Herbslebener
| Säfter, Bleicheröder Schneckenhengste . . .
|
| *Wie sind Sie drauf gekommen, sich damit zu befassen?*
|
| Ich war voriges Jahr mit meinem Kollegen Rainer Hohberg zu einer Lesung
| in Bleicherode. Da wurde bei einer Stadtführung die Sage von den
| Schneckenhengsten erzählt und dass die Bleicheröder eben Schneckenhengste
| sind. Eine Kulturmanagerin sagte zu uns, sie habe beim Studium jemanden
| getroffen, der sei auch Schneckenhengst gewesen. Das zeigte uns, dass es
| ein hohes Potenzial an Identifikation gibt, zumal in dem groß gewordenen
| Europa viele etwas wie Heimat suchen.
|
| *Wann entstanden die Namen?*
|
| Sie sind relativ jung. Die meisten stammen aus dem 18. und 19.
| Jahrhundert. Interessant ist: Im 20. Jahrhundert kam quasi kaum Neues
| dazu. Es gibt übrigens auch Ballungszentren für diese Namen, dazu gehört
| Ostthüringen, die Gegend um Lobenstein und Neuhaus sowie das Thüringer
| Becken, wo man die Dachwicher Hunne kennt und die Gierschter Gänse.
|
| *Wer hat sie sich ausgedacht?*
|
| Oft stecken Geschichten, verbürgte oder nur überlieferte dahinter, wie
| bei den Niederroßlaern der tragische Tod der Elefantenkuh Miss Baba.
| Manchmal ist auch ein bisschen Häme oder Konkurrenz der Nachbarn dabei
| oder Kirmesburschen haben sich so geneckt. Und manchmal hat sich der Name
| im Laufe der Jahre sogar geändert, denn Erfurter Puffbohnen gibt es erst
| seit 1837. Damals tauchten sie in einem Lied auf. Zuvor waren die
| Erfurter "Krebsfresser".
|
| *Sie haben bestimmt noch ein paar Geschichten dazu.*
|
| Jede Menge. Die Mühlhäuser sollen mit Pflöcken Feinde abgewehrt haben.
| Die Geraer sollen sich, weil sie arm waren, das aber niemals zugeben
| wollten, Fett um den Mund geschmiert haben, um mit angeblich fettem Essen
| zu prahlen. Die Blankenburger heißen Eselfresser. Der Graf von
| Schwarzburg soll einen Esel - ein direkter Nachfahre jenes Tieres, auf
| dem Jesus geritten ist - aus dem heiligen Land mitgebracht haben und die
| Blankenburger haben ihn verspeist. Die Creuzburger heißen Kröpp, weil
| einige Bürger der Stadt wohl einen Kropf hatten.
|
| *Wie sammeln und erforschen Sie die Namen?*
|
| Sie sind meist mündlich überliefert, manches kommt in Chroniken, Liedern,
| Sagensammlungen vor. Im Thüringer Wörterbuch ist manches bereits erfasst.
| Ich sammle weiter, schließlich gibt es fast 2400 Thüringer Orte.
|
| Gespräch: A. REISER-FISCHER.
In der Tat sind manch meiner Empfindung solche Bezeichnungen in
Thüringen signifikant häufiger als ich das aus meiner sächsischen
Herkunftsgegend kenne. Mir fallen gerade noch Blaunasen (Stadtilm)
und Wopper (Goldlauter b. Suhl) ein.
Neben den Bezeichnungen für die Bewohner gibt es zuweilen noch solche
für Orte: *Schiebock* (Bischofswerda; Dialektwort für Schubkarre),
Hoywoj (Hoyerswerda; Wortanfänge von Hoyerswerda und Wojerecy, wie
der Ortsname auf obersorbisch lautet), *Haneu* (Halle-Neustadt, bis
1990 nicht zu Halle gehörend, sondern eine - kreisfreie! - Stadt;
originell phonetische Anlehnung an Hanoi [1]), *Strings* (Strehla/Elbe),
*Nurzen* (Riethnordhausen; Herkunft unklar, möglicherweise eine
Zusammenziehung der zweiten und vierten Silbe) ...
Welche originellen regionalen Orts- oder Einwohnerbezeichnungen
können die Teilnehmer dieses Zirkels beisteuern?
Matthias
[1] Die Kürzung langer Namen auf zwei Silben ist verbreitet aber
selten so originell wie hier: Hibu (Hildburghausen), Menghämm
(Mengersgereuth-Hämmern), Othal (Oberwiesenthal). Dagegen geht
Limbo (Limbach-Oberfrohna), das mir zuerst als der Name eines
Freizeitbads begegnete, nach Aussagen von Eingeborenen nicht auf
einen regionalen Usus zurück, sondern ist eine Neuschöpfung.
Jenaer Sprachwissenschaftlerin Sylvia Weigelt zu der Erscheinung,
Einwohner von anderen Orten mit scherzhaften oder ironischen
Bezeichnungen zu versehen, die zuweilen auch als Selbstbezeichnung
übernommen werden. - Quelle: <http://tinyurl.com/45cnzj> bzw.
<http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.drucken.artikel.php?http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.onlinesuche.volltext.php?zulieferer=ta&redaktion=redaktion&dateiname=dateiname&kennung=on10taTHUThuNational39707&catchline=catchline&kategorie=kategorie&rubrik=Thueringen®ion=National&bildid=&searchstring=reiser-fischer&dbserver=1&dbosserver=1&other=&auftritt=TA&kennung=on10taTHUThuNational39707&zulieferer=ta>
| _*Puffbohne und Schneckenhengst*_
|
| Was viele schon immer mal wissen wollten: Wieso sind die Erfurter
| Puffbohnen? Die Geraer Fettguschen? Wer denkt sich so was aus und warum?
| TA fragte die Jenaer Sprachwissenschaftlerin Sylvia WEIGELT (56).
|
| *Wenn Sie aus Jena stammen, was sind Sie da?*
|
| Jenaer Käsehitsche.
|
| *Finden Sie das lustig?*
|
| Originell. Fast immer versteckt sich dahinter eine Geschichte.
|
| *Sie sammeln solche Namen.*
|
| Genau, ich habe im September 2007 die Arbeit angefangen, inzwischen über
| 200 Namen zusammengetragen und begonnen, ihre Herkunft zu erforschen.
|
| *Was gibt´s da so alles?*
|
| Elefantenkitzler in Niederroßla, Mühlhäuser Pflöcke, Sunnbarcher Fresser,
| Pfiffelbacher Schnarcher, die Apoldaer sind Gramonter, die Herbslebener
| Säfter, Bleicheröder Schneckenhengste . . .
|
| *Wie sind Sie drauf gekommen, sich damit zu befassen?*
|
| Ich war voriges Jahr mit meinem Kollegen Rainer Hohberg zu einer Lesung
| in Bleicherode. Da wurde bei einer Stadtführung die Sage von den
| Schneckenhengsten erzählt und dass die Bleicheröder eben Schneckenhengste
| sind. Eine Kulturmanagerin sagte zu uns, sie habe beim Studium jemanden
| getroffen, der sei auch Schneckenhengst gewesen. Das zeigte uns, dass es
| ein hohes Potenzial an Identifikation gibt, zumal in dem groß gewordenen
| Europa viele etwas wie Heimat suchen.
|
| *Wann entstanden die Namen?*
|
| Sie sind relativ jung. Die meisten stammen aus dem 18. und 19.
| Jahrhundert. Interessant ist: Im 20. Jahrhundert kam quasi kaum Neues
| dazu. Es gibt übrigens auch Ballungszentren für diese Namen, dazu gehört
| Ostthüringen, die Gegend um Lobenstein und Neuhaus sowie das Thüringer
| Becken, wo man die Dachwicher Hunne kennt und die Gierschter Gänse.
|
| *Wer hat sie sich ausgedacht?*
|
| Oft stecken Geschichten, verbürgte oder nur überlieferte dahinter, wie
| bei den Niederroßlaern der tragische Tod der Elefantenkuh Miss Baba.
| Manchmal ist auch ein bisschen Häme oder Konkurrenz der Nachbarn dabei
| oder Kirmesburschen haben sich so geneckt. Und manchmal hat sich der Name
| im Laufe der Jahre sogar geändert, denn Erfurter Puffbohnen gibt es erst
| seit 1837. Damals tauchten sie in einem Lied auf. Zuvor waren die
| Erfurter "Krebsfresser".
|
| *Sie haben bestimmt noch ein paar Geschichten dazu.*
|
| Jede Menge. Die Mühlhäuser sollen mit Pflöcken Feinde abgewehrt haben.
| Die Geraer sollen sich, weil sie arm waren, das aber niemals zugeben
| wollten, Fett um den Mund geschmiert haben, um mit angeblich fettem Essen
| zu prahlen. Die Blankenburger heißen Eselfresser. Der Graf von
| Schwarzburg soll einen Esel - ein direkter Nachfahre jenes Tieres, auf
| dem Jesus geritten ist - aus dem heiligen Land mitgebracht haben und die
| Blankenburger haben ihn verspeist. Die Creuzburger heißen Kröpp, weil
| einige Bürger der Stadt wohl einen Kropf hatten.
|
| *Wie sammeln und erforschen Sie die Namen?*
|
| Sie sind meist mündlich überliefert, manches kommt in Chroniken, Liedern,
| Sagensammlungen vor. Im Thüringer Wörterbuch ist manches bereits erfasst.
| Ich sammle weiter, schließlich gibt es fast 2400 Thüringer Orte.
|
| Gespräch: A. REISER-FISCHER.
In der Tat sind manch meiner Empfindung solche Bezeichnungen in
Thüringen signifikant häufiger als ich das aus meiner sächsischen
Herkunftsgegend kenne. Mir fallen gerade noch Blaunasen (Stadtilm)
und Wopper (Goldlauter b. Suhl) ein.
Neben den Bezeichnungen für die Bewohner gibt es zuweilen noch solche
für Orte: *Schiebock* (Bischofswerda; Dialektwort für Schubkarre),
Hoywoj (Hoyerswerda; Wortanfänge von Hoyerswerda und Wojerecy, wie
der Ortsname auf obersorbisch lautet), *Haneu* (Halle-Neustadt, bis
1990 nicht zu Halle gehörend, sondern eine - kreisfreie! - Stadt;
originell phonetische Anlehnung an Hanoi [1]), *Strings* (Strehla/Elbe),
*Nurzen* (Riethnordhausen; Herkunft unklar, möglicherweise eine
Zusammenziehung der zweiten und vierten Silbe) ...
Welche originellen regionalen Orts- oder Einwohnerbezeichnungen
können die Teilnehmer dieses Zirkels beisteuern?
Matthias
[1] Die Kürzung langer Namen auf zwei Silben ist verbreitet aber
selten so originell wie hier: Hibu (Hildburghausen), Menghämm
(Mengersgereuth-Hämmern), Othal (Oberwiesenthal). Dagegen geht
Limbo (Limbach-Oberfrohna), das mir zuerst als der Name eines
Freizeitbads begegnete, nach Aussagen von Eingeborenen nicht auf
einen regionalen Usus zurück, sondern ist eine Neuschöpfung.
--
Die Regierungen der Päpste waren nur kurz, obgleich immer der Vater
auf den Sohn folgte. Prof. Galletti
Wer zum Kuckuck ist dieser Galletti? => <http://www.galletti.de/>
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Die Regierungen der Päpste waren nur kurz, obgleich immer der Vater
auf den Sohn folgte. Prof. Galletti
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