Post by Ralf Heinrich ArningPost by Roland FranziusBei der Suche nach Lebensumständen Dührings, eines Berliner Philosophen,
Zeitgeistpublizist, Gegner und Hetzer gegen das
Wissenschaftsestablishment von Gauss über Schopenhauer bis Helmholtz und
Erfinder des radikalen Antisemitismus stieß ich auf den fast vergessenen
In der Kurzbiografie Einsteins in der zeitgenössischen Beschreibung von
Einsteins Lehre Kap 13
http://gutenberg.spiegel.de/buch/3904/13
"In dem grauen Bilde treten als hellere Punkte die Figuren einiger
Lehrer hervor, zumal ein Präzeptor namens Ruëss, der dem
vierzehnjährigen die Schönheit des klassischen Altertums zu erläutern
beflissen war."
Woher hast Du, daß "Präzeptor" 'Klassenlehrer' bedeutet?
(Das interessiert mich wirklich.)
M. W. ist ein Präzeptor im Süddeutschlnd in Einsteins Jugendzeit ein
Lehrer an einem Gymnasium, der aber nicht für die Oberstufe lehrbefugt
ist. Klassenlehrer konnte er nebenbei natürlich auch sein
Einhundert Jahre zuvor, als das Schulsystem noch weniger systematisiert
war, fand man die Präzeptoren Lehrer an städtischen (Latein-)Schulen. An
den Dorfschulen unterrichteten Schulmeister, die bei einem anderen in
die Lehre gegangen waren.
In anderen Gegenden hat die Bezeichnung möglicherweise eine andere
Bedeutung gehabt.
Präzeptor ist im Norden eigentlich nur als Beiname Melanchthons,
"Präzeptor Germaniae", geläufig. Mit der Reformation und der Aufklärung,
die bis auf Herdern hierzulande weitgehend eine protestantische
Angelegenheit war, erfolgt eine scharfe Trennung der nord- und
süddeutschen Schulformen.
Im Süden wird die Lateinschule weiterhin als kirchlich geprägte
Voruniversität strukturiert, während im Norden sich daraus das
klassische humanistische Gymnasium der Humboldtschen Reform entwickelt.
Die süddeutschen Länder reformieren ihr verkommenes Schulsystem erst in
der Zeit nach 1848 und dann im deutschen Reich nach 1871. Als ich in
Würzburg studierte, war noch die gesamte medizinische und
naturwissenschaftliche Fakultät norddeutscher Import.
Daraus erklärt sich weitgehend, dass der Lehrer in den Kernfächern im
Süden ein Professor ist, während dieser Titel im Norden nur in
Universitäten Wissenschaftlern nach Ernennung durch den Landesvater
verliehen wurde.
Damit wird sich wohl die Bezeichnung Präzeptor als geminderte oder
inoffizielle Form des Professors ohne Berufung oder als Hauslehrer mit
Fakultas in den klassischen Fächern entwickelt haben.
So ging zB ein reimender Vorfahre namens Streckfuß, der sich später mit
Heine und der mit ihm anlegte, als Präzeptor der Kinder einer adligen
Familie einige Jahre nach Triest, was ihn dann befähigte Dante und
Ariost zu übersetzen.
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Roland Franzius