Discussion:
Gemse, Stengel, Greuel und aufwendig - Stammprinzip und Etymologie
(zu alt für eine Antwort)
Michael Pronay
2009-06-14 15:40:26 UTC
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[xp+fup desd]
Der Rechtschreibreform waren viele eingebürgerte Wörter zum
Opfer gefallen, deren Etymologie offenbar so wörtlich genommen
wurde, dass man rigoros umzulernen aufgefordert war. Die
bekannten Opfer damaliger Modernisierung waren Gemse, Stengel,
Greuel und greulich, behende und aufwendig.
Fürs letzte Wort stimmt das definitiv nicht. "Aufwendig" ist neben
"aufwändig" auch weiterhin zulässig, und das nicht erst seit 2006,
sondern von Anfang (1996) an.

Aber das wissen offenkundig nicht mal desd-Regulars.

Ganz abgesehen davon, dass das in desm offT ist.

M.
Gunhild Simon
2009-06-14 16:08:46 UTC
Permalink
Post by Michael Pronay
[xp+fup desd]
Der Rechtschreibreform waren viele eingebürgerte Wörter zum
Opfer gefallen, deren Etymologie offenbar so wörtlich genommen
wurde, dass man rigoros umzulernen aufgefordert war. Die
bekannten Opfer damaliger Modernisierung waren Gemse, Stengel,
Greuel und greulich, behende und aufwendig.
Fürs letzte Wort stimmt das definitiv nicht. "Aufwendig" ist neben
"aufwändig" auch weiterhin zulässig, und das nicht erst seit 2006,
sondern von Anfang (1996) an.
Ich habe ebendies in dem obigen Text im weiteren Verlauf dargestellt.

Danach ist nur behende definitiv zu behände umgeändert.

Du hast recht, daß aufwändig neben aufwendig steht, während bei den
übrigen vermerkt ist, daß es sich um die alte Schreibweise handelt.
Ich interpretiere es so, daß diese Schreibweisen zwar als veraltet,
aber nicht als falsch anzusehen sind.

Das entnehme ich ich dem Eintrag "dass", dem _nicht_ "alt:daß" zur
Seite steht, und der "Eintrag "behände" nur durch blauen Druck sich
als neu zu erkennen gibt.


Gruß
Gunhild
Peter J. Holzer
2009-06-14 18:12:32 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
Post by Michael Pronay
Der Rechtschreibreform waren viele eingebürgerte Wörter zum
Opfer gefallen, deren Etymologie offenbar so wörtlich genommen
wurde, dass man rigoros umzulernen aufgefordert war. Die
bekannten Opfer damaliger Modernisierung waren Gemse, Stengel,
Greuel und greulich, behende und aufwendig.
Fürs letzte Wort stimmt das definitiv nicht. "Aufwendig" ist neben
"aufwändig" auch weiterhin zulässig, und das nicht erst seit 2006,
sondern von Anfang (1996) an.
Allerdings nur bei "aufwendig". Bei allen anderen von Hartmut
angeführten Beispielen steht im Duden 1996 "frühere Schreibweise von
...".
Post by Gunhild Simon
Ich habe ebendies in dem obigen Text im weiteren Verlauf dargestellt.
Danach ist nur behende definitiv zu behände umgeändert.
Du hast recht, daß aufwändig neben aufwendig steht, während bei den
übrigen vermerkt ist, daß es sich um die alte Schreibweise handelt.
Ich interpretiere es so, daß diese Schreibweisen zwar als veraltet,
aber nicht als falsch anzusehen sind.
Bei "alte Schreibweise geht das, aber "frühere Schreibweise" würde ich
schon als "das war früher richtig, aber jetzt ist es falsch"
interpretieren.

Und der Online-Duden meldet bei der Suche nach "Gemse" gar "0 Treffer in
Duden - Deutsches Universalwörterbuch." und fragt mich, ob ich "Gämse,
Gänze, Gelse, Gemme, Gemüse" gemeint habe.

Woraus ich schließe, dass die Duden-Redaktion Gemse als definitiv falsch
ansieht.

Mia ischs wurscht, weil bei ins wor des sowieso schun imma a Gams.

hp
Werner Tann
2009-06-14 18:23:40 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
Du hast recht, daß aufwändig neben aufwendig steht, während bei den
übrigen vermerkt ist, daß es sich um die alte Schreibweise handelt.
Ich interpretiere es so, daß diese Schreibweisen zwar als veraltet,
aber nicht als falsch anzusehen sind.
Nein, nach meinem Verständnis ist "behende" in der reformierten
Schreibung jetzt eindeutig falsch. Der Verweis bei "behende" auf
"behände" erfolgt IMO deshalb, damit "behände" gefunden wird, nicht
aber ist "behende" als gültiger Eintrag im Sinn gültiger Schreibung zu
sehen. IT-sprachlich ist "behende" nur eine Verknüpfung zu "behände".
Post by Gunhild Simon
Das entnehme ich ich dem Eintrag "dass", dem _nicht_ "alt:daß" zur
Seite steht, und der "Eintrag "behände" nur durch blauen Druck sich
als neu zu erkennen gibt.
"Dass" ist eine eigene Baustelle. Da es keinen Fall gibt, in dem ss
nun neben ß erlaubt wäre, verzichtet der Duden hier generell auf den
Eintrag der alten Form. Es findet sich also kein "Schuß" und kein
"genüßlich", sondern nur "Schuss" und "genüsslich".

Bei allen anderen veränderten Schreibungen gibt es zwei Möglichkeiten:

a) Alte und neue Schreibung sind jetzt möglich.
Z. B.:
"auf|wän|dig, auf|wen|dig; ein aufwändiger oder aufwendiger
Lebensstil"
Hier stehen beide Möglichkeiten im selben Eintrag.

b) Nur mehr die neue Schreibung ist erlaubt.
Z. B.:
"be|hen|de alte Schreibung für behände"
Hier haben "behende" und "behände" eigene Einträge, bzw. - wie oben
gesagt - kann man "behende" nur als Verweis auffassen.

Gleiches für z. B.:
"Del|fin, Del|phin, der; -s, -e <griech.> (ein Zahnwal)"
"Alp|traum, Alb|traum"
aber:
"Gem|se usw. alte Schreibung für Gämse usw."
"fö|nen (alte Schreibung für [die Haare] föhnen)"
Gunhild Simon
2009-06-14 18:31:30 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Gunhild Simon
Du hast recht, daß aufwändig neben aufwendig steht, während bei den
übrigen vermerkt ist, daß es sich um die alte Schreibweise handelt.
Ich interpretiere es so, daß diese Schreibweisen zwar als veraltet,
aber nicht als falsch anzusehen sind.
Nein, nach meinem Verständnis ist "behende" in der reformierten
Schreibung jetzt eindeutig falsch. Der Verweis bei "behende" auf
"behände" erfolgt IMO deshalb, damit "behände" gefunden wird, nicht
aber ist "behende" als gültiger Eintrag im Sinn gültiger Schreibung zu
sehen. IT-sprachlich ist "behende" nur eine Verknüpfung zu "behände".
Post by Gunhild Simon
Das entnehme ich ich dem Eintrag "dass", dem _nicht_ "alt:daß" zur
Seite steht, und der "Eintrag "behände" nur durch blauen Druck sich
als neu zu erkennen gibt.
"Dass" ist eine eigene Baustelle. Da es keinen Fall gibt, in dem ss
nun neben ß erlaubt wäre, verzichtet der Duden hier generell auf den
Eintrag der alten Form. Es findet sich also kein "Schuß" und kein
"genüßlich", sondern nur "Schuss" und "genüsslich".
a) Alte und neue Schreibung sind jetzt möglich.
"auf|wän|dig, auf|wen|dig; ein aufwändiger oder aufwendiger
Lebensstil"
Hier stehen beide Möglichkeiten im selben Eintrag.
b) Nur mehr die neue Schreibung ist erlaubt.
"be|hen|de alte Schreibung für behände"
Hier haben "behende" und "behände" eigene Einträge, bzw. - wie oben
gesagt - kann man "behende" nur als Verweis auffassen.
"Del|fin, Del|phin, der; -s, -e <griech.> (ein Zahnwal)"
"Alp|traum, Alb|traum"
"Gem|se usw. alte Schreibung für Gämse usw."
"fö|nen (alte Schreibung für [die Haare] föhnen)"
Also - ich habe "alt: Gemse, Stengel, Greuel, greulich" so
interpretiert, daß dies eine veraltete Schreibung ist, aber nicht
falsch, denn diese Formel findet sich nicht bei "behände".
Neben aufwendig steht allerdings explizit aufwendig.

Ich habe mich nur mit den fraglichen auf ä/e befaßt.

Gruß
Gunhild
Werner Tann
2009-06-14 21:09:21 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
Also - ich habe "alt: Gemse, Stengel, Greuel, greulich" so
interpretiert, daß dies eine veraltete Schreibung ist, aber nicht
falsch, denn diese Formel findet sich nicht bei "behände".
"Gem|se usw. alte Schreibung für Gämse usw."
"Sten|gel usw. alte Schreibung für Stängel usw."
"Greu|el usw. alte Schreibung für Gräuel usw."
"be|hen|de alte Schreibung für behände"
(Zitate aus Duden 2006)

Wo ist da ein Unterschied? Du mußt die alte Schreibung (behende)
suchen, dann steht da der "Link" zur neuen Schreibung. Hieße
altmodisch: behende, vgl. behände.
Post by Gunhild Simon
Neben aufwendig steht allerdings explizit aufwendig.
Du meinst "aufwändig". Ja, eben. Weil e und ä erlaubt sind.
Gunhild Simon
2009-06-14 21:34:11 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Gunhild Simon
Also - ich habe "alt: Gemse, Stengel, Greuel, greulich" so
interpretiert, daß dies eine veraltete Schreibung ist, aber nicht
falsch, denn diese Formel findet sich nicht bei "behände".
"Gem|se usw. alte Schreibung für Gämse usw."
"Sten|gel usw. alte Schreibung für Stängel usw."
"Greu|el usw. alte Schreibung für Gräuel usw."
"be|hen|de alte Schreibung für behände"
(Zitate aus Duden 2006)
Ich habe nur Wahrig zur hand. Da hat man offenbar behende als Angabe
für die alte Schreibung ausgelassen.
Im Wörterverzeichnis steht bei allen dreien nicht von alter
Schreibung.
Jedenfalls habe ich "alt" als altmodisch, altertümlich, veraltet, aber
- nach der amtlichen Regelung - nicht falsch interpretiert.

Du mußt einräumen, daß die Handhabung im Wahrig inkonsequent ist
Post by Werner Tann
Wo ist da ein Unterschied? Du mußt die alte Schreibung (behende)
suchen, dann steht da der "Link" zur neuen Schreibung. Hieße
altmodisch: behende, vgl. behände.
Das habe ich bei Wahrig so nicht gesehen.
Post by Werner Tann
Post by Gunhild Simon
Neben aufwendig steht allerdings explizit aufwendig.
Du meinst "aufwändig". Ja, eben. Weil e und ä erlaubt sind.
Ja, sorry. Eine meiner unüberbietbaren Schwächen.

Gruß
Gunhild
Werner Tann
2009-06-15 08:37:58 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
Jedenfalls habe ich "alt" als altmodisch, altertümlich, veraltet, aber
- nach der amtlichen Regelung - nicht falsch interpretiert.
Ich habe hier nur den digitalen Wahrig von 1997. Da stehen sowieso
noch alle alten Schreibungen drinnen, zusammen mit den neuen (in rot).
Etwa: Kuß, Kuss.

Im Duden 2006 steht "zur Wörterbuchbenutzung" im Abschnitt "Anordnung
und Behandlung der Stichwörter" jedenfalls klar:
"Wo die Rechtschreibregeln mehrere Schreibungen zulassen, stehen beide
Formen durch Komma getrennt nebeneinander [sic!]. Das bedeutet, dass
nach geltender Rechtschreibung beide Schreibungen gleichberechtigt
sind."

Es gibt keinen Eintrag, der behende und behände "nebeneinander"
enthält. Damit ist das für mich eindeutig. Als Lehrer würde ich den
Schülern "behende" als falsch anstreichen.
Matthias Opatz
2009-06-15 10:11:47 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Es gibt keinen Eintrag, der behende und behände "nebeneinander"
enthält. Damit ist das für mich eindeutig.
Das mag ja sein, aber ...
Post by Werner Tann
Als Lehrer würde ich den
Schülern "behende" als falsch anstreichen.
... das finde ich spitz (so viel Augenmaß steht jedem Deutschlehrer zu,
in solchen Grenzfällen zugunsten des Angeklagten zu entscheiden).

Matthias
--
Die Regierungen der Päpste waren nur kurz, obgleich immer der Vater
auf den Sohn folgte. Prof. Galletti
Wer zum Kuckuck ist dieser Galletti? => <http://www.galletti.de/>
= Bitte bei Mailantwort Großbuchstaben aus Reply-Adresse löschen. =
Werner Tann
2009-06-15 10:18:22 UTC
Permalink
Post by Matthias Opatz
Post by Werner Tann
Als Lehrer würde ich den
Schülern "behende" als falsch anstreichen.
... das finde ich spitz (so viel Augenmaß steht jedem Deutschlehrer zu,
in solchen Grenzfällen zugunsten des Angeklagten zu entscheiden).
Warum sollte das ein Grenzfall ein? Behende ist im Duden nicht anders
geführt als Gemse, Stengel u.v.a. - Lauter Grenzfälle?

Ich weiß nicht, wie es Lehrer nun mit dem Augenmaß halten, was ARS und
NRS angeht. Vermutlich agieren sie in Deinem Sinn. Je nach eigenem
Sprachempfinden lassen sie alte Schreibungen durchgehen, obwohl sie
die reformierten von den Schülern verlangen müßten. Was rauskommt bei
dieser "Reformpädagogik" ist das gelehrte und gelernte Durcheinander,
das weder etwas mit alter noch mit reformierter Schreibe zu tun hat.
Das ist noch übler als die Reform.
Matthias Opatz
2009-06-15 11:11:19 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Ich weiß nicht, wie es Lehrer nun mit dem Augenmaß halten, was ARS und
NRS angeht. Vermutlich agieren sie in Deinem Sinn.
Nicht alle. Und manche nicht mal nach gültigen Regeln [1].

[1] <***@40tude.net>

Matthias
--
Die Regierungen der Päpste waren nur kurz, obgleich immer der Vater
auf den Sohn folgte. Prof. Galletti
Wer zum Kuckuck ist dieser Galletti? => <http://www.galletti.de/>
= Bitte bei Mailantwort Großbuchstaben aus Reply-Adresse löschen. =
Christian Seidl
2009-06-15 11:22:21 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Ich weiß nicht, wie es Lehrer nun mit dem Augenmaß halten, was ARS und
NRS angeht. Vermutlich agieren sie in Deinem Sinn.
Ich fürchte das auch (selbst wenn man sich fragen kann, ob "behände"
heute in irgendeinem wirklichkeitsnahen Text vorkommt). Viele
Sprachlehrer handeln nicht nach Augenmaß, sondern nach Weisung. Und
diese Weisung (des Kultusministeriums) wird selbst dann befolgt, wenn
sie erkennbarerweise zu falschen Ergebnissen führt.

Im konkreten Fall geht es um Wörterlisten "Latein – Deutsch", auf
denen endgültig diejenigen Wortentsprechungen verzeichnet sind, die
ein lateinische Wort im Deutschen haben darf. Andere Entsprechungen,
die im Einzelfall viel treffender sein mögen, *müssen* als falsch
bewertet werden. Und, wie die betroffenen Lehrer mir versichert haben,
tun sie das natürlich, denn wer wollte wider das Kultusministerium?

Ch.
Werner Tann
2009-06-15 11:58:42 UTC
Permalink
Im konkreten Fall geht es um Wörterlisten "Latein - Deutsch", auf
Ich glaube, Fremdsprachenunterricht und muttersprachlicher Unterricht
sind in diesem Zusammenhang andere Baustellen. Ganz zu schweigen
davon, daß Latein eine tote Sprache ist.
Michael Schumacher
2009-06-16 16:22:45 UTC
Permalink
Ganz zu schweigen davon, daß Latein eine tote Sprache ist.
Genau deshalb wird sie ja in OP-Räumen gesprochen -- man muß
die Patienten schließlich auf ihre Zukunft vorbereiten! ;^)


mike
Gunhild Simon
2009-06-15 12:44:57 UTC
Permalink
... ob "behände"
heute in irgendeinem wirklichkeitsnahen Text vorkommt ....
Dies ist die klassische Frage, die durch Belege, die Stephen
auszugraben berufen ist, zu beantworten ist.

Ob er den Wink annimmt?
Jedenfalls wird eine Antwort mit Spannung erwartet von
Gunhild
Christian Seidl
2009-06-15 13:26:44 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
... ob "behände"
heute in irgendeinem wirklichkeitsnahen Text vorkommt ....
Dies ist die klassische Frage, die durch Belege, die Stephen
auszugraben berufen ist, zu beantworten ist.
Einen ersten Wink liefert das Digitale Wörterbuch der Deutschen
Sprache des 20. Jahrhunderts: Dieses gibt 122 Belege für "behende",
davon stammen allerdings 98 aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts.
Das klingt nicht nach einem lebenskräftigen Worte.

Einer der Belege ist übrigens von Hildegard Knef (aus dem Geschenkten
Gaul) anno 1970:

"Er setzt sich auf, rasch, behende, sieht mich an,
forschendinteressiert, als hätte ich etwas kundgetan. Wann geht ihr
nach California?"

Die ganze Stelle klingt, halten zu Gnaden, schon etwas altertümlich,
vgl. "forschendinteressiert" und "kundtun". Ich kann mich noch an den
Vorabdruck einer Geschichte von ihr erinnern, der seinerzeit in der
"Bunten" jede Woche der p.t. Leserschaft kredenzt wurde; darin fanden
sich haufenweise Nebensätze ohne konjugiertes Hilfsverb à la "die
schönste Stadt, die ich je kennengelernt". Das kam mir damals schon
merkwürdig vor, passt aber offenbar zu Hildchens Schreibe.

Wenn die Diskussion um "behände" und die "Gämsen" noch lange so
weitergeht, ist zu befürchten, dass dereinst die meisten heutigen
Belege für beide Ausdrücke aus metalinguistischen Äußerungen stammen
werden...

Ch.
Gunhild Simon
2009-06-15 13:44:11 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Wenn die Diskussion um "behände" und die "Gämsen" noch lange so
weitergeht, ist zu befürchten, dass dereinst die meisten heutigen
Belege für beide Ausdrücke aus metalinguistischen Äußerungen stammen
werden...
So entstehen dann Fehleinschätzungen, die asogar ich mitzuvertreten
habe.

Literarisch assoziiere ich "behend" bei Th. Mann: "Mario und der
Zauberer" und Carl Zuckmayer: "Die Fastnachtsbeichte", weiß aber
nicht, ob das Wort da je Verwendung findet.

Gruß
Gunhild
Lars Bräsicke
2009-06-15 14:04:19 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Wenn die Diskussion um "behände" und die "Gämsen" noch lange so
weitergeht, ist zu befürchten, dass dereinst die meisten heutigen
Belege für beide Ausdrücke aus metalinguistischen Äußerungen stammen
werden...
Zum Glück springen Gemsen ja noch ganz behende durchs Gebirg.
Das läßt hoffen, zumindest fürs Gamswild.

Lars
Stephen Hust
2009-06-16 02:39:53 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
... ob "behände"
heute in irgendeinem wirklichkeitsnahen Text vorkommt ....
Bei meinen ersten Begegnungen mit dem Wort "behende", vermutlich in
den Werken Hofmannsthals, hatte ich keine Ahnung, wie man es
ausspricht. Ich konnte nur raten: wie "wehende" (der wehende Wind)?
Post by Gunhild Simon
Dies ist die klassische Frage, die durch Belege, die Stephen
auszugraben berufen ist, zu beantworten ist.
Ob er den Wink annimmt?
Ausnahmsweise.

| COMPENDIUM ARITHMETICUM. Das ist: Eine kurze und behände
| Abfassung Der Rechnung-Kunst [...] von Johann Balthasar Remer
| [...] Braunschweig [...] im Jahr 1706.

Aber vielleicht gibt es Mitleser, die 1706 nicht als "heute"
betrachten.

Sind folgende Textstellen wirklichkeitsnah?

| Den Körper etwas senken und leicht nach links wenden.
|
| Mit dem rechten Fuß einen kleinen, behänden Schritt nach rechts
| vorne machen [...]
|
| Die feinen, leichten Bewegungen dieser Form, das aufmerksame
| Auffächern der Finger und der behände Schritt fördern den Fluss
| des Qi im ganzen Körper.
|
("Leitfaden Qigong" von Ute Engelhardt und Gisela Hildenbrand,
Kapitel oder Abschnitt 7. Ich finde keine Seitenzahl. Elsevier Gmbh,
Urban & Fischer Verlag, 2007.)

| Ein Charakteristikum vieler Arthropoden ist ihre Fähigkeit,
| scheinbar genauso behände eine Wand oder gar eine Decke zu
| überqueren wie auf ebener Fläche zu laufen.
|
(Pfeiffer, Cruse, "Autonomes Laufen", Springer-Verlag, 2005, S. 23.)

| Von einem Roboter, der behände eine Geröllhalde hinabspringt wie
| jede Bergziege es kann, im Halbschlaf noch und mit spielerischer
| Eleganz, wagen inzwischen auch unsere kühnsten Computerpioniere
| kaum mehr zu träumen.
|
(Dietmar Hansch, "Erfolgsprinzip Persönlichkeit", Springer, 2006, S.
23.)

| Wenn ein Gibbon sich behände durchs Geäst schwingt, bemerkt er
| praktisch unentwegt, dass sein eigener Körper fast alles, was er
| im Sinn hat, auch ohne großen Widerspruch ausführt [...]
|
(Adolf Heschl, "Darwins Traum", Wiley-Blackwell, 2009, S. 61.)

| Farid sprang von dem Podest, behände wie Gwin, und lief auf den
| Käfig zu, ohne den Schatten dabei aus den Augen zu lassen.
|
(Cornelia Funke, "Tintenherz", Cecilie-Dressler-Verlag, 2003, S.
544.)

| Es ist beeindruckend, wie behände sie [die Kugelkrabbe] mit
| ihren schaufelartig ausgebildeten Hinterfüßen mehrer Zentimeter
| tiefe Löcher in den Sand gräbt und darin die heißen Tagesstunden
| verbringt.
|
( Heiner F Gstaltmayr, Wieland Höhne, "Malediven", Verlag Karl
Baedeker, 2006 (?), S. 28.)

| Es gab /Raubsaurier/, Fleischfresser, die sich behände auf zwei
| Beinen fortbewegten [...]
|
(Bertelsmann Jugendlexikon, 2006, S. 131.)

| Die kleine Maus ernährt sich von Körnern und Grassamen. Behände
| klettert sie an den Halmen auf und ab.
|
(Bertelsmann Kinder-Tierlexikon, 2006, S. 71.)
--
Steve

My e-mail address works as is.
Gunhild Simon
2009-06-16 07:10:42 UTC
Permalink
Post by Stephen Hust
Post by Gunhild Simon
... ob "behände"
heute in irgendeinem wirklichkeitsnahen Text vorkommt ....
Bei meinen ersten Begegnungen mit dem Wort "behende", vermutlich in
den Werken Hofmannsthals, hatte ich keine Ahnung, wie man es
ausspricht. Ich konnte nur raten: wie "wehende" (der wehende Wind)?
Das schrie ja dadurch nach Reformierung.
(So ging es mir als Kind mit kreieren und Bestseller.)
Post by Stephen Hust
Post by Gunhild Simon
Dies ist die klassische Frage, die durch Belege, die Stephen
auszugraben berufen ist, zu beantworten ist.
Ob er den Wink annimmt?
Ausnahmsweise.
...
Ich danke dir für die Aufmerksamkeit und die nachfolgende Mühe.

Aus den Quellen geht hervor, daß das Wort wörtlicher verstanden und
gebraucht wird, als ich es früher, also aus meiner Grundschulzeit,
kannte. Ich verbinde damit körperliche (aber keine feinmotorische
Finger-)Geschicklichkeit, sondern eher akrobatische. Gegen die
wörtliche Beutung denke ich an allgemeine, nicht antrainierte, sondern
arteigene oder akrobatische Körperbeherrschung, wie sie den in einer
Quelle erwähnten Gibbons eigen ist.

Gruß
Gunhild
Werner Tann
2009-06-16 09:43:20 UTC
Permalink
Post by Stephen Hust
| Es gab /Raubsaurier/, Fleischfresser, die sich behände auf zwei
| Beinen fortbewegten [...]
So formuliert ist das MUSEN nicht ohne Komik, vor allem deshalb, weil
nun auch ein weniger sprachbewußter Leser aufgrund des "ä" in
"behände" auf die Etymologie aufmerksam wird.
Rüdiger Silberer
2009-06-15 14:19:26 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Post by Werner Tann
Ich weiß nicht, wie es Lehrer nun mit dem Augenmaß halten, was ARS und
NRS angeht. Vermutlich agieren sie in Deinem Sinn.
Ich fürchte das auch (selbst wenn man sich fragen kann, ob "behände"
heute in irgendeinem wirklichkeitsnahen Text vorkommt). Viele
Sprachlehrer handeln nicht nach Augenmaß, sondern nach Weisung. Und
diese Weisung (des Kultusministeriums) wird selbst dann befolgt, wenn
sie erkennbarerweise zu falschen Ergebnissen führt.
Im konkreten Fall geht es um Wörterlisten "Latein – Deutsch", auf
denen endgültig diejenigen Wortentsprechungen verzeichnet sind, die
ein lateinische Wort im Deutschen haben darf. Andere Entsprechungen,
die im Einzelfall viel treffender sein mögen, *müssen* als falsch
bewertet werden. Und, wie die betroffenen Lehrer mir versichert haben,
tun sie das natürlich, denn wer wollte wider das Kultusministerium?
Schüler die so ausgebildet werden, werden später Ministerialbeamte und
Lehrer.
--
Niemand kann ein großer Denker werden, solange er nicht einsieht,
daß die erste Tugend eines Denkers die ist, seinem Verstand zu folgen,
egal zu welcher Schlußfolgerung er ihn auch führt.

- John Stuart Mill -
Werner Tann
2009-06-15 15:22:38 UTC
Permalink
Post by Rüdiger Silberer
Im konkreten Fall geht es um Wörterlisten "Latein - Deutsch", auf
denen endgültig diejenigen Wortentsprechungen verzeichnet sind, die
ein lateinische Wort im Deutschen haben darf. Andere Entsprechungen,
die im Einzelfall viel treffender sein mögen, *müssen* als falsch
bewertet werden. Und, wie die betroffenen Lehrer mir versichert haben,
tun sie das natürlich, denn wer wollte wider das Kultusministerium?
Schüler die so ausgebildet werden, werden später Ministerialbeamte und
Lehrer.
Schüler, die so ausgebildet werden, sind doch ohnehin ein
Randphänomen. Der Mainstream der Pädagogik und Fachdidaktik rudert
postmodern mit "anything goes" herum und mit Mottos wie "wir werden
uns schon zusammenreden". Das macht in der Schule eine Menge Spaß,
weil es nach sehr viel Freiheit und Selbstentfaltung riecht. Später,
im Leben, merken die jungen Erwachsenen, daß ihnen der Haufen
Freiheit, der ihnen nun im Nacken sitzt, gehörig Verdruß bereitet.
Konkret auf Rechtschreibung bezogen: Jeder Deutschlehrer läßt anderes
durchgehen und verlangt anderes verbindlich. Später merken die
Schüler, daß sie eigentlich nicht wirklich wissen, ob sie sich nach
Lehrer X, Lehrerin Y, nach Duden oder dem eigenen "Augenmaß" richten
sollen. Ja, und wie schreibt man denn nun? Wie errate ich das Augenmaß
meines künftigen Arbeitgebers oder bereits Chefs? Freiheit wäre da,
die Regeln einfach zu beherrschen und sie anzuwenden, so wie man das
im Straßenverkehr tut, wo sich übrigens auch viele nicht an die Regeln
halten oder sie gar nicht kennen, wo aber wenigstens niemand die Stirn
hat zu behaupten, er fahre auf der Landstraße nach Augenmaß 150 km/h,
und das sei recht so, das sei Freiheit, nur Ministerialbeamte hielten
sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Die Aufregung über behände, Gämse, Stängel und co. halte ich für eine
künstliche. Wem das nicht gefällt, der bleibe generell bei der alten
Schreibung. Wechselt man zur reformierten Schreibung, sollte man sich
aber keine individuellen Ausnahmen gestatten. Sonst haben wir am Ende
soviele Regelsysteme, als es Muttersprachler gibt.
Rüdiger Silberer
2009-06-15 18:18:22 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Rüdiger Silberer
Im konkreten Fall geht es um Wörterlisten "Latein - Deutsch", auf
denen endgültig diejenigen Wortentsprechungen verzeichnet sind, die
ein lateinische Wort im Deutschen haben darf. Andere Entsprechungen,
die im Einzelfall viel treffender sein mögen, *müssen* als falsch
bewertet werden. Und, wie die betroffenen Lehrer mir versichert haben,
tun sie das natürlich, denn wer wollte wider das Kultusministerium?
Schüler die so ausgebildet werden, werden später Ministerialbeamte und
Lehrer.
Schüler, die so ausgebildet werden, sind doch ohnehin ein
Randphänomen. Der Mainstream der Pädagogik und Fachdidaktik rudert
postmodern mit "anything goes" herum und mit Mottos wie "wir werden
uns schon zusammenreden". Das macht in der Schule eine Menge Spaß,
weil es nach sehr viel Freiheit und Selbstentfaltung riecht. Später,
im Leben, merken die jungen Erwachsenen, daß ihnen der Haufen
Freiheit, der ihnen nun im Nacken sitzt, gehörig Verdruß bereitet.
So ist das ja nicht, es gibt im Schulalltag mehr als genug Regeln und
mehr als kleinliche Lehrer, die auch schon mal um sich durchzusetzen
schlechte Noten verteilen. Und gerade das Beharren auf möglichst
wörtlicher Übersetzung beschert uns die teilweise sehr fragwürdigen und
unidiomatischen Übersetzungen die uns täglich in der Zeitung, im
Fernsehen und im Film begegnen.
Post by Werner Tann
Konkret auf Rechtschreibung bezogen: Jeder Deutschlehrer läßt anderes
durchgehen und verlangt anderes verbindlich. Später merken die
Schüler, daß sie eigentlich nicht wirklich wissen, ob sie sich nach
Lehrer X, Lehrerin Y, nach Duden oder dem eigenen "Augenmaß" richten
sollen.
Im Deutschunterricht sind Noten, ausgenommen Grammatikprüfungen doch
Glückssache. Trifft man Nerv den Lehrers oder haut man trotz eines sehr
guten Aufsatzes daneben.
Post by Werner Tann
Ja, und wie schreibt man denn nun? Wie errate ich das Augenmaß
meines künftigen Arbeitgebers oder bereits Chefs? Freiheit wäre da,
die Regeln einfach zu beherrschen und sie anzuwenden, so wie man das
im Straßenverkehr tut, wo sich übrigens auch viele nicht an die Regeln
halten oder sie gar nicht kennen, wo aber wenigstens niemand die Stirn
hat zu behaupten, er fahre auf der Landstraße nach Augenmaß 150 km/h,
und das sei recht so, das sei Freiheit, nur Ministerialbeamte hielten
sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Dir kommt nicht der Gedanke, daß es sich hierbei um völlig verschiedene
Dinge handelt, nein, Hauptsache es gibt Regeln und die sind einzuhalten.
Ist doch egal ob die was taugen oder nicht.
Post by Werner Tann
Die Aufregung über behände, Gämse, Stängel und co. halte ich für eine
künstliche. Wem das nicht gefällt, der bleibe generell bei der alten
Schreibung. Wechselt man zur reformierten Schreibung, sollte man sich
aber keine individuellen Ausnahmen gestatten. Sonst haben wir am Ende
soviele Regelsysteme, als es Muttersprachler gibt.
Du hast das Ergebnis dieser angeblichen Reform sehr treffend
beschrieben.
--
Niemand kann ein großer Denker werden, solange er nicht einsieht,
daß die erste Tugend eines Denkers die ist, seinem Verstand zu folgen,
egal zu welcher Schlußfolgerung er ihn auch führt.

- John Stuart Mill -
Matthias Opatz
2009-06-15 19:27:43 UTC
Permalink
Post by Rüdiger Silberer
Und gerade das Beharren auf möglichst
wörtlicher Übersetzung
Wer beharrt darauf? Das ist die naheliegendste Variante aus Schülersicht,
und manchmal geht sie durch, aber dass Lehrer auf sowas beharren, hab ich
noch nicht gehört.

Matthias
--
Die Regierungen der Päpste waren nur kurz, obgleich immer der Vater
auf den Sohn folgte. Prof. Galletti
Wer zum Kuckuck ist dieser Galletti? => <http://www.galletti.de/>
= Bitte bei Mailantwort Großbuchstaben aus Reply-Adresse löschen. =
Christian Seidl
2009-06-15 21:00:29 UTC
Permalink
Post by Matthias Opatz
Post by Rüdiger Silberer
Und gerade das Beharren auf möglichst
wörtlicher Übersetzung
Wer beharrt darauf? Das ist die naheliegendste Variante aus Schülersicht,
und manchmal geht sie durch, aber dass Lehrer auf sowas beharren, hab ich
noch nicht gehört.
O je. Ich kenne Dutzende (und zwar wichtige Lehrerpersönlichkeiten).
Für diese Leute gibt eine Übersetzung nicht darüber Aufschluss, ob ein
Schüler einen Text verstanden hat, sondern ob er die fremden
Grammatikformen jede für sich richtig gedeutet hat. Was nicht wörtlich
übersetzt ist, ist dann natürlich falsch: Wer einen lateinischen
Genitivus subjectivus *nicht* durch einen deutschen Genitivus
subjectivus übersetzt, macht einen Fehler. Das habe ich kürzlich an
einem Philologenkongress gelernt. Wenn ein Schüler in einem
neulateinischen Text liest: "rex Borussiae", dann ist "der König von
Preußen" falsch. Richtig ist nur "Preußens König". Und wer ein
lateinisches Futur nicht *immer* durch ein deutsches Futur wiedergibt,
macht auch einen Fehler. Denn wenn er's nicht durch Futur wiedergibt,
weiß der Lehrer ja nicht, ob der Schüler das lateinische Futur
überhaupt als solches erkannt hat. Also muss er – in dubio contra reum
– annehmen, der Schüler habe ein Präsens gesehen, was natürlich falsch
ist, also ist auch die einfache deutsche Übersetzung durch Präsens in
jedem Falle unrichtig.

Solches höre ich von deutschen/österreichischen/schweizerischen
Schulmännern.

Dasselbe haben diese Leute auch Raoul Schrotts Homerübersetzung zum
Vorwurf gemacht: Er habe nicht wörtlich, sondern dem Sinn nach
übersetzt: "Es gilt also nicht, was Homer sagt, sondern, wie er es
meint." Und das sei falsch.

Ch.
Matthias Opatz
2009-06-15 21:16:11 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Solches höre ich von deutschen/österreichischen/schweizerischen
Schulmännern.
Oje. Ein Grund mehr, die Schule meiner Kinder hochzuschätzen.

Matthias
--
Die Regierungen der Päpste waren nur kurz, obgleich immer der Vater
auf den Sohn folgte. Prof. Galletti
Wer zum Kuckuck ist dieser Galletti? => <http://www.galletti.de/>
= Bitte bei Mailantwort Großbuchstaben aus Reply-Adresse löschen. =
Heinz Lohmann
2009-06-16 01:38:46 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Und wer ein
lateinisches Futur nicht *immer* durch ein deutsches Futur wiedergibt,
macht auch einen Fehler. Denn wenn er's nicht durch Futur wiedergibt,
weiß der Lehrer ja nicht, ob der Schüler das lateinische Futur
überhaupt als solches erkannt hat. Also muss er – in dubio contra reum
– annehmen, der Schüler habe ein Präsens gesehen, was natürlich falsch
ist, also ist auch die einfache deutsche Übersetzung durch Präsens in
jedem Falle unrichtig.
Da hat jemand nicht gemerkt, dass zumindest im Deutschen die Tempora
neben der Wiedergabe von Zeitstufen auch noch andere Funktionen haben,
z.B. beim Futur die Vermutung, was heute beim Futur II der Regelfall
sein dürfte:

Warum ist sie gestern nicht zur Party gekommen? - Sie wird krank gewesen
sein.

mfg
Heinz Lohmann
Danshui, Taiwan
25°07'58"N 121°27'56"E
--
Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Christian Seidl
2009-06-16 07:34:17 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Da hat jemand nicht gemerkt, dass zumindest im Deutschen die Tempora
neben der Wiedergabe von Zeitstufen auch noch andere Funktionen haben,
z.B. beim Futur die Vermutung, was heute beim Futur II der Regelfall
Warum ist sie gestern nicht zur Party gekommen? - Sie wird krank gewesen
sein.
Der Satz kann ja drum schon nicht stimmen, weil es sonst eine
Verwirrung mit dem richtigen Gebrauch des Futurs gäbe:

"O Freunde! Sobald ihr euch die eingelegten Bilchmäuse einverleibt
haben werdet, werden die Feinde eurer Heldentaten gedenken."

Das ist Deutsch.

Ch.
Wolfram Heinrich
2009-06-16 07:51:36 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Post by Heinz Lohmann
Da hat jemand nicht gemerkt, dass zumindest im Deutschen die Tempora
neben der Wiedergabe von Zeitstufen auch noch andere Funktionen haben,
z.B. beim Futur die Vermutung, was heute beim Futur II der Regelfall
Warum ist sie gestern nicht zur Party gekommen? - Sie wird krank gewesen
sein.
Der Satz kann ja drum schon nicht stimmen, weil es sonst eine
"O Freunde! Sobald ihr euch die eingelegten Bilchmäuse einverleibt
haben werdet, werden die Feinde eurer Heldentaten gedenken."
Das ist Deutsch.
Darf ich raten? Eine Übersetzung aus dem Lateinischen?

Ciao
Wolfram
--
Als Kortzfleysch in den Garten ging,
Sein Hemmete zu brenn' anfing.
<http://derfranzehatgsagt.blogspot.com/> <www.theodor-rieh.de/heinrich>
<www.mpu-forum.eu> <www.brueckenbauer.it> <www.theodor-rieh.de>
Helmut Richter
2009-06-16 08:08:18 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
O je. Ich kenne Dutzende (und zwar wichtige Lehrerpersönlichkeiten).
Für diese Leute gibt eine Übersetzung nicht darüber Aufschluss, ob ein
Schüler einen Text verstanden hat, sondern ob er die fremden
Grammatikformen jede für sich richtig gedeutet hat.
Entsetzlich. Für Latein kann ichs nicht beurteilen, aber für jede Sprache,
die ich kenne, ist das nicht nur schlecht, sondern überhaupt nicht
übersetzt.

Wenn die Erkennung der Grammatikformen ein Ziel ist, mag man sie
*getrennt* verlangen ("Markieren Sie die Futurformen mit grünem Stift"),
aber doch keinesfalls mit einer Übersetzung verquicken.

Was m.E. manchmal hilfreich sein kan, ist mit einer ganz wörtlichen
Übersetzung zu beginnen, damit einem nicht entgeht, was es heißen *könnte*
und was *sicher* nicht. Aber wenn man das mal macht, besteht der
Löwenanteil der Übersetzungsarbeit eben gerade darin, alles Wörtliche
beherzt wegzuschmeißen, wo es dem Sinn des Textes oder der Idiomatik der
Zielsprache nicht entspricht.
--
Helmut Richter
Werner Tann
2009-06-16 09:43:20 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Was m.E. manchmal hilfreich sein kan, ist mit einer ganz wörtlichen
Übersetzung zu beginnen, damit einem nicht entgeht, was es heißen *könnte*
und was *sicher* nicht. Aber wenn man das mal macht, besteht der
Löwenanteil der Übersetzungsarbeit eben gerade darin, alles Wörtliche
beherzt wegzuschmeißen, wo es dem Sinn des Textes oder der Idiomatik der
Zielsprache nicht entspricht.
Entschuldigt mal, Realitätscheck, bitte! Ziel schulischen
Fremdsprachenunterrichts ist es nicht, Übersetzer heranzubilden,
sondern Wortschatz und Grammatik zu pauken und diese entsprechend
"abzuprüfen". Im Englisch-Unterricht läßt man Schüler höherer Klassen
Aufsätze schreiben, so etwas ist für Latein natürlich eine
Überforderung. Daher läßt man antike Texte übersetzen, um andererseits
nicht simple Grammatik-Schularbeiten zu geben in der Art von Einsetz-
und Umformübungen und Einzelsatz-Übersetzungen. Der Latein-Lehrer hat
in erster Linie sich zu vergewissern, daß der Schüler die lateinische
Grammatik beherrscht. Das geschieht anhand einer "Übersetzung" eines
lateinischen Textes. Nicht das Ziel des Latein-Unterrichts ist es,
kleine Schlegel-Tiecks zu produzieren, die nach dem Abi eine wahrhaft
poetische Übertragung Ovids liefern.

Ich weiß nicht, wer von Euch überhaupt jemals Latein gelernt hat und
wie "gut" Euer Unterricht und wie hoch Eure Begabung war. Für meine
Klasse galt, daß AFAIR eigentlich jeder beim Übersetzen von Caesar und
co. den Schmierer (*) auf dem Schoß liegen hatte. Wir kämpften also in
erster Linie mit der puren Grammatik. Um eine "gelungene" Übersetzung,
die das vom Dichter Gemeinte in sanft modernisiertem Duktus
wiederzugeben versucht, ging es niemandem, auch dem Lehrer nur selten.

(*) Schmie|rer, der; -s, - [...] 2. (österr.) Buch, Heft mit einer
fertigen Übersetzung, das in der Schule als unerlaubtes Hilfsmittel
benutzt wird. (Duden)
Peter J. Holzer
2009-06-16 15:44:49 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Helmut Richter
Was m.E. manchmal hilfreich sein kan, ist mit einer ganz wörtlichen
Übersetzung zu beginnen, damit einem nicht entgeht, was es heißen *könnte*
und was *sicher* nicht. Aber wenn man das mal macht, besteht der
Löwenanteil der Übersetzungsarbeit eben gerade darin, alles Wörtliche
beherzt wegzuschmeißen, wo es dem Sinn des Textes oder der Idiomatik der
Zielsprache nicht entspricht.
Entschuldigt mal, Realitätscheck, bitte! Ziel schulischen
Fremdsprachenunterrichts ist es nicht, Übersetzer heranzubilden,
sondern Wortschatz und Grammatik zu pauken und diese entsprechend
"abzuprüfen". Im Englisch-Unterricht läßt man Schüler höherer Klassen
Aufsätze schreiben, so etwas ist für Latein natürlich eine
Überforderung. Daher läßt man antike Texte übersetzen, um andererseits
nicht simple Grammatik-Schularbeiten zu geben in der Art von Einsetz-
und Umformübungen und Einzelsatz-Übersetzungen. Der Latein-Lehrer hat
in erster Linie sich zu vergewissern, daß der Schüler die lateinische
Grammatik beherrscht.
Warum?

Die Frage ist ernst gemeint. Warum steht für Dich so unzweifelhaft fest,
dass der Lateinunterricht dieses Ziel zu haben habe und kein anderes?
Warum kann es nicht Ziel des Lateinunterrichts sein, dass die Schüler
Latein einfach lesen lernen?

Ziel des Englisch-Unterrichts ist es jedenfalls nicht "Wortschatz und
Grammatik zu pauken und diese entsprechend abzuprüfen", sondern den
Schülern zu ermöglich Englisch zu lesen, schreiben, sprechen und zu
verstehen. Das Pauken und Prüfen sind Mittel, um diesen Zweck zu
erreichen.
Post by Werner Tann
Ich weiß nicht, wer von Euch überhaupt jemals Latein gelernt hat
Ich. Vier Jahre lang. Ich habe noch vor der Matura alles wieder
vergessen.
Post by Werner Tann
und wie "gut" Euer Unterricht
Er war ziemlich genauso wie Christian und Du ihn schildert (mit der
interessanten Unterscheidung, dass Christian das als schlecht sieht und
Du als Ideal).
Post by Werner Tann
und wie hoch Eure Begabung war.
Keine Ahnung. Ich war faul und die grammatiktreue
Wort-für-Wort-Übersetzerei war mir zuwider. Sollte ich eine Begabung für
Latein gehabt haben, war sie dadurch gut zugedeckt.
Post by Werner Tann
Für meine Klasse galt, daß AFAIR eigentlich jeder beim Übersetzen von
Caesar und co. den Schmierer (*) auf dem Schoß liegen hatte. Wir
kämpften also in erster Linie mit der puren Grammatik. Um eine
"gelungene" Übersetzung, die das vom Dichter Gemeinte in sanft
modernisiertem Duktus wiederzugeben versucht, ging es niemandem, auch
dem Lehrer nur selten.
Und das soll gut sein?

hp
Wolfram Heinrich
2009-06-16 16:11:28 UTC
Permalink
Post by Peter J. Holzer
Post by Werner Tann
Der Latein-Lehrer hat
in erster Linie sich zu vergewissern, daß der Schüler die lateinische
Grammatik beherrscht.
Warum?
Die Frage ist ernst gemeint. Warum steht für Dich so unzweifelhaft fest,
dass der Lateinunterricht dieses Ziel zu haben habe und kein anderes?
Warum kann es nicht Ziel des Lateinunterrichts sein, dass die Schüler
Latein einfach lesen lernen?
Das ist ein sehr interessanter Gesichtspunkt. Die Grammatik ist beim
Sprachenlernen (auch beim Verbessern der Muttersprache) meiner Meinung nach
lediglich ein Mittel zum Zweck. Der Zweck ist erreicht, wenn der Lernende
die explizit im Hirn gespeicherte Grammatik nicht mehr braucht, um leidlich
korrekt zu sprechen und zu schreiben. Wer ein Feeling für Sprachen (oder
für eine bestimmte Sprache) hat, braucht möglicherweise überhaupt nie eine
Grammatik. Beim erstarrten Latein ist das mit dem Feeling natürlich so eine
Sache, aber vielleicht gibt es solche Leute ja tatsächlich. Die wären dann
natürlich jedem Grammatik-Mathematiker beim Sprachverständnis um Längen
voraus.
Ein Lehrer sieht so was gar nicht gern, natürlich. Obwohl, ein souveräner
Lehrer schon.

Ciao
Wolfram
--
Als Kortzfleysch einmal Wasser ließ,
Der Wind ihm dieses sackwärts blies.
<http://derfranzehatgsagt.blogspot.com/> <www.theodor-rieh.de/heinrich>
<www.mpu-forum.eu> <www.brueckenbauer.it> <www.theodor-rieh.de>
Oliver Cromm
2009-06-16 16:44:02 UTC
Permalink
Post by Wolfram Heinrich
Post by Peter J. Holzer
Post by Werner Tann
Der Latein-Lehrer hat
in erster Linie sich zu vergewissern, daß der Schüler die lateinische
Grammatik beherrscht.
Warum kann es nicht Ziel des Lateinunterrichts sein, dass die Schüler
Latein einfach lesen lernen?
Das ist ein sehr interessanter Gesichtspunkt.
[...]
Wer ein Feeling für Sprachen (oder
für eine bestimmte Sprache) hat, braucht möglicherweise überhaupt nie eine
Grammatik. Beim erstarrten Latein ist das mit dem Feeling natürlich so eine
Sache, aber vielleicht gibt es solche Leute ja tatsächlich. Die wären dann
natürlich jedem Grammatik-Mathematiker beim Sprachverständnis um Längen
voraus.
Ein Lehrer sieht so was gar nicht gern, natürlich. Obwohl, ein souveräner
Lehrer schon.
So einen Lehrer hatte ich. Er hat uns ab und zu aufgefordert, die
nächsten paar Seiten nur zu lesen, ohne zu übersetzen. Und dann haben
wir über die im Text angesprochenen historischen oder philosophischen
Gehalte geredet - auf Deutsch natürlich.

Ich habe es trotzdem nicht gelernt, Latein frei zu lesen, es ist schon
nicht so einfach. Vor allem muß man sich bei jedem Autor neu einlesen,
und relativ schlichten Stil wie bei Cäsar gibt es selten, deshalb wird
ja jeder Lateinschüler mit dessen Banalitäten gequält. Es ist daher
vielleicht ein utopisches Ziel.
--
Microsoft designed a user-friendly car:
instead of the oil, alternator, gas and engine
warning lights it has just one: "General Car Fault"
Christian Seidl
2009-06-16 12:10:57 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Wenn die Erkennung der Grammatikformen ein Ziel ist, mag man sie
*getrennt* verlangen ("Markieren Sie die Futurformen mit grünem Stift"),
aber doch keinesfalls mit einer Übersetzung verquicken.
Meine Rede! Leider bist du nicht Lateinlehrer geworden. Vielen
Exemplaren, die diesen Beruf ausüben, ist ein solches Vorgehen nämlich
nicht nahezubringen.

Ch.
Christian Seidl
2009-06-15 19:21:25 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Die Aufregung über behände, Gämse, Stängel und co. halte ich für eine
künstliche.
ACK.
Post by Werner Tann
Wem das nicht gefällt, der bleibe generell bei der alten
Schreibung.
ACK.
Post by Werner Tann
Wechselt man zur reformierten Schreibung, sollte man sich
aber keine individuellen Ausnahmen gestatten.
Natürlich darf man sich individuelle Ausnahmen gestatten, wenn es die
Situation etc. gestattet.
Post by Werner Tann
Sonst haben wir am Ende
soviele Regelsysteme, als es Muttersprachler gibt.
Du begehst erstens den Denkfehler zu glauben, nur eine Regel, die nur
*eine* Variante zulässt, sei eine Regel – während in allen anderen
Fällen eine Art Chaos ausbreche. Das tut es natürlich nicht. Auch in
anderen Teilen der Grammatik haben wir Regeln, die mehrere
Ausdrucksmöglichkeiten nebeneinander gestatten. Weshalb sollte das in
der Rechtschreibung nicht auch möglich sein?

Der zweite Denkfehler besteht in der Annahme zu glauben, dass vor der
RSR alle uniform immer nach ASR geschrieben hätten.

Ch.
Werner Tann
2009-06-15 19:51:59 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Post by Werner Tann
Sonst haben wir am Ende
soviele Regelsysteme, als es Muttersprachler gibt.
Du begehst erstens den Denkfehler zu glauben, nur eine Regel, die nur
*eine* Variante zulässt, sei eine Regel - während in allen anderen
Fällen eine Art Chaos ausbreche.
Wo habe ich das behauptet?
Die reformierte Schreibung erlaubt "aufwendig" neben "aufwändig", aber
nur "behände", und nicht "behende". Was ich verurteile, ist, daß
jemand, der grundsätzlich zur reformierten Schreibung wechselt, sich
die Freiheit nimmt, weiterhin "behende" zu schreiben. "Aufwendig" und
"aufwändig" tragen zwar nicht gerade zur Vereinheitlichung der
Orthographie bei, da sie aber so im neuen Duden stehen, ist das in
Ordnung, und aus. "Behende" steht aber nicht mehr im Duden, bloß als
Verweis. Wer innerhalb eines Textes "dass" schreibt und "aufwändig"
und "behende", das ist einer, der das ohnehin bestehende Chaos
weitertreibt. Es gibt natürlich Fälle, die sich auch nach der Lektüre
der Amtlichen Regelung nicht eindeutig klären lassen, diese sind
schlimm genug, weil dann die entsprechende Regel eben nicht klar genug
formuliert ist. Zu diesen Zweifelsfällen gehört "behende" aber nicht.
Auch läßt sich das Beibehalten von "behende" IMO nicht mit
Sprachgefühl rechtfertigen. Die Etymologie führt nunmal zur "Hand", zu
"schnell bei der Hand", zu "geschickt". Und wenn einer Reform die
Etymologie wichtig ist ...
Post by Christian Seidl
Der zweite Denkfehler besteht in der Annahme zu glauben, dass vor der
RSR alle uniform immer nach ASR geschrieben hätten.
Auch das habe ich nirgends angenommen oder vorausgesetzt. Was aber
sicher stimmt, ist die Tatsache, daß die alte Schreibung Jahrzehnte
Zeit hatte, sich im öffentlichen Sprachbewußtsein zu verankern, *und*
daß zu Zeiten der ARS es kein "Parallelsystem" (NRS) gegeben hat.
Wieviele haben denn vor 1995 "aufwendig" mit ä geschrieben? Und
wieviele Nicht-Schweizer schreiben heute "außerdem" als "ausserdem"?
Da brauchen wir wirklich keine Kreativen, die mit "behende" noch eins
draufsetzen, obwohl sie eigentlich konvertiert sind und "behände"
schreiben müßten.
Christian Seidl
2009-06-15 20:38:40 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Christian Seidl
Post by Werner Tann
Sonst haben wir am Ende
soviele Regelsysteme, als es Muttersprachler gibt.
Du begehst erstens den Denkfehler zu glauben, nur eine Regel, die nur
*eine* Variante zulässt, sei eine Regel - während in allen anderen
Fällen eine Art Chaos ausbreche.
Wo habe ich das behauptet?
Lies nur, was du selbst geschrieben hast.
Post by Werner Tann
Die reformierte Schreibung erlaubt "aufwendig" neben "aufwändig", aber
nur "behände", und nicht "behende". Was ich verurteile, ist, daß
jemand, der grundsätzlich zur reformierten Schreibung wechselt, sich
die Freiheit nimmt, weiterhin "behende" zu schreiben.
Wieso soll man – vielleicht auch je nach Adressat – nicht wechseln
dürfen?
Post by Werner Tann
"Aufwendig" und
"aufwändig" tragen zwar nicht gerade zur Vereinheitlichung der
Orthographie bei, da sie aber so im neuen Duden stehen, ist das in
Ordnung, und aus.
Also: Was im Duden steht, ist in Ordnung. Da gibt's keine Diskussion,
punktum.
Post by Werner Tann
"Behende" steht aber nicht mehr im Duden, bloß als
Verweis. Wer innerhalb eines Textes "dass" schreibt und "aufwändig"
und "behende", das ist einer, der das ohnehin bestehende Chaos
weitertreibt.
Da ist sie wieder, die Angst vor dem Chaos.
Post by Werner Tann
Es gibt natürlich Fälle, die sich auch nach der Lektüre
der Amtlichen Regelung nicht eindeutig klären lassen, diese sind
schlimm genug, weil dann die entsprechende Regel eben nicht klar genug
formuliert ist.
Und wieder dieses Angstvokabular: "schlimm genug". Und du scheinst
allen Ernstes zu glauben, dass sich, wenn man sie nur gescheit genug
formuliert, sich eindeutige in der Orthographie eindeutige Regeln
finden ließen.
Post by Werner Tann
Zu diesen Zweifelsfällen gehört "behende" aber nicht.
Auch läßt sich das Beibehalten von "behende" IMO nicht mit
Sprachgefühl rechtfertigen. Die Etymologie führt nunmal zur "Hand", zu
"schnell bei der Hand", zu "geschickt". Und wenn einer Reform die
Etymologie wichtig ist ...
Das ist sie – leider. Aber du solltest diesen Unfug nicht noch
verstärken. Die Etymologie ist ein schlechter Ratgeber in sprachlichen
Sachen. Weder kann sie über die heutigen Bedeutungen etwas aussagen
(im Sinne von: das ist richtig und das ist falsch), noch kann sie uns
bei Wörtern, die nicht offensichtlich aus einem anderen Wort
abgeleitet sind, Ratschläge für die Orthographie geben.
Post by Werner Tann
Post by Christian Seidl
Der zweite Denkfehler besteht in der Annahme zu glauben, dass vor der
RSR alle uniform immer nach ASR geschrieben hätten.
Auch das habe ich nirgends angenommen oder vorausgesetzt.
Offenbar schon. Du merkst es nur nicht. Du scheinst davon auszugehen,
dass es nach ARS immer nur 1 richtige Form gegeben hat (also kein
Chaos) und dass sich die, die schrieben, konsequent daran gehalten
haben oder konsequent nicht so geschrieben haben. Und das ist eine
Wunschvorstellung.
Post by Werner Tann
Was aber
sicher stimmt, ist die Tatsache, daß die alte Schreibung Jahrzehnte
Zeit hatte, sich im öffentlichen Sprachbewußtsein zu verankern, *und*
daß zu Zeiten der ARS es kein "Parallelsystem" (NRS) gegeben hat.
Nicht *ein* Parallelsystem, sondern viele, die sich individuell z.T.
mit der offiziellen Rechtschreibung deckten, z.T. von dieser abwichen.
Post by Werner Tann
Da brauchen wir wirklich keine Kreativen, die mit "behende" noch eins
draufsetzen, obwohl sie eigentlich konvertiert sind
Du verwechselst Rechtschreibung mit religiösem Bekenntnis. Oben hast
du sie schon mit dem Straßenverkehr verwechselt, das war auch nicht
besser.
Post by Werner Tann
und "behände"
schreiben müßten.
Immer dieses "müssen" und immer dieses "entweder – oder". Nochmal:
Warum soll es nicht ein "sowohl – als auch" geben dürfen?

Ch.
Werner Tann
2009-06-16 09:43:20 UTC
Permalink
Wieso soll man - vielleicht auch je nach Adressat - nicht wechseln
dürfen?
Weil ständiges Wechseln zwischen ARS und NRS so sinnvoll ist, wie bei
einer umgedrehten Einbahn sich jeden Tag zu überlegen, ob man sich nun
an die alte Richtung oder an die neue halten möchte.
Und wieder dieses Angstvokabular: "schlimm genug". Und du scheinst
allen Ernstes zu glauben, dass sich, wenn man sie nur gescheit genug
formuliert, sich eindeutige in der Orthographie eindeutige Regeln
finden ließen.
Vermutlich nein. Aber das bedeutet nicht, daß man sich dieses Ziel
nicht als Ideal setzt. Und wenn man dieses Ideal anstrebt, ist es
nicht geschickt, alte und neue Schreibungen zu mischen, schon gar,
wenn das vielleicht aus der Angst vor Ordnung heraus geschieht, die
als Unterordnung empfunden wird.
Das ist sie - leider. Aber du solltest diesen Unfug nicht noch
verstärken. Die Etymologie ist ein schlechter Ratgeber in sprachlichen
Sachen.
Ich sag' Dir was: Es ist komplett wurscht, wie die Regeln begründet
werden. Die Begründung ist eine Merkhilfe fürs Regellernen, mehr
nicht. Insofern brauchen wir nun nicht anzufangen, über die
Sinnhaftigkeit des etymologischen Prinzips in der Reformschreibe zu
debattieren.
Offenbar schon. Du merkst es nur nicht. Du scheinst davon auszugehen,
dass es nach ARS immer nur 1 richtige Form gegeben hat (also kein
Dann hältst Du mich für blöder, als ich bin.
Chaos) und dass sich die, die schrieben, konsequent daran gehalten
haben oder konsequent nicht so geschrieben haben. Und das ist eine
Wunschvorstellung.
... hätte ich diese Vorstellung, wäre sie eine Wunschvorstellung, ja.
Im übrigen verallgemeinere ich einfach meine persönliche Entwicklung
der Rechtschreibsicherheit vor 1995 und danach. Das ist für mich
Empirie genug.
Warum soll es nicht ein "sowohl - als auch" geben dürfen?
Weil man dann überhaupt keine Amtliche Regelung, keinen Duden, keine
allgemeingültigen Rechtschreibnormen mehr braucht. "Behende" schreibe
ich mit e, weil's in der ARS galt, "aufwändig" schreibe ich mit ä,
weil's die NRS erlaubt, "nämlich" schreibe ich mit h, weil sich
Tausende Treffer bei Google finden, es also im Volke durchaus
verbreitet ist.

Es lebe der neue StandarT richtig verstandener Freiheit.
Manfred Hoß
2009-06-16 10:31:37 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Im übrigen verallgemeinere ich einfach meine persönliche Entwicklung
der Rechtschreibsicherheit vor 1995 und danach. Das ist für mich
Empirie genug.
Entschuldige bitte, aber auf diesem Niveau ist eine Diskussion unmöglich.

Gruß
Manfred.
Oliver Cromm
2009-06-15 22:14:26 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Auch läßt sich das Beibehalten von "behende" IMO nicht mit
Sprachgefühl rechtfertigen. Die Etymologie führt nunmal zur "Hand", zu
"schnell bei der Hand", zu "geschickt". Und wenn einer Reform die
Etymologie wichtig ist ...
Ich sehe noch immer eine akrobatische Meisterleistung vor meinem
geistigen Auge, wenn jemand "behände vorbeihuscht".

Vor der Rechtschreibdiskussion wäre ich persönlich nie auf die Idee
gekommen, daß "behende", das heutzutage - WIMNI - meist mit auf
Bewegungen des ganzen Körpers angewendet wird, etwas mit der Hand zu tun
hat. Genausowenig habe ich "Stengel" mit "Stange", ein Begriff, zu dem
Starre wesentlich gehört, in Verbindung gebracht.
--
*Multitasking* /v./ Screwing up several things at once
Michael Schumacher
2009-06-16 15:33:59 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Die reformierte Schreibung erlaubt "aufwendig" neben "aufwändig", aber
nur "behände", und nicht "behende". Was ich verurteile, ist, daß
jemand, der grundsätzlich zur reformierten Schreibung wechselt, sich
die Freiheit nimmt, weiterhin "behende" zu schreiben. "Aufwendig" und
"aufwändig" tragen zwar nicht gerade zur Vereinheitlichung der
Orthographie bei, da sie aber so im neuen Duden stehen, ist das in
Ordnung, und aus.
Klingt nach Deutscher Ordnungshörigkeit[tm]. :) Der Duden mag zwar in
Fragen deutscher Rechtschreibung *das* Nachschlagewerk schlechthin sein,
aber als ich das letzte Mal nachgesehen habe, stand vorne "Duden" drauf
und nicht "Die Zehn Gebote", und das Copyright liegt auch nicht bei Gott
oder der Bundesdruckerei, sondern beim Duden-Verlag. Aber das nur am
Rande.

Ich finde es anmaßend, unangemessen und unverschämt, wenn beamtete
Sesselfurzer glauben, Sprache nach ihren Vorstellungen verbindlich
festlegen zu müssen. Wer ist gestorben und hat sie zu Göttern gemacht?
Wenn "Staatsdiener" anhand einer Sprachreform endlich mal dazu gezwungen
worden wären, ein Deutsch zu reden und zu schreiben, das Lieschen Müller
ohne abgeschlossenes Studium der Rechts- und allerlei sonstiger
Verdrehungswissenschaften verstehen würde -- ich wäre Feuer und Flamme!

Aber mir nach vielen Jahrzehnten des "daß" "dass" vorzuschreiben, ist
ein absolutes No-Go! Ach so, sinnigerweise gilt die NRS ja nur für das
eben erwähnte "Amtsdeutsch", gell? Dann kann es dafür, daß sie auch
für Schulen normalsterblicher Bundesbürger verbindlich vorgeschrieben
ist, ja nur den einen Grund geben, daß akuter Mangel an neuen Beamten
herrscht oder zumindest droht (-> Beamtenselbsterhaltungstrieb).

Ich bitte um Entschuldigung, wenn meine obigen Ausführungen "etwas"
emotional ausgefallen sind: Ich halte gerade ein heute angekommenes
Schreiben des örtlichen Finanzamtes in den Händen, bei dem ich auch
nach dreifachem verständigem(!) Lesen nicht sagen kann, ob es sich
dabei um einen militärischen Wetterbericht oder um das Rezept für
eine ungarische Gulaschsuppe mit exotischen Ingredienzien handelt.
Möglicherweise klopft es aber auch gleich an meiner Tür; ich sage
vorsorglich schon mal "Tschüs!"...


mike, die Spanische Inquisition erwartend
Peter J. Holzer
2009-06-16 16:15:55 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
die Regeln einfach zu beherrschen und sie anzuwenden, so wie man das
im Straßenverkehr tut, wo sich übrigens auch viele nicht an die Regeln
halten oder sie gar nicht kennen, wo aber wenigstens niemand die Stirn
^^^^^^^
Post by Werner Tann
hat zu behaupten, er fahre auf der Landstraße nach Augenmaß 150 km/h,
und das sei recht so, das sei Freiheit, nur Ministerialbeamte hielten
sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Ich schaue auf das .at in Deiner Mail-Adresse und frage mich, welches
Land damit gemeint sein könnte ...

hp
Heinz Lohmann
2009-06-16 01:34:32 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Im konkreten Fall geht es um Wörterlisten "Latein – Deutsch", auf
denen endgültig diejenigen Wortentsprechungen verzeichnet sind, die
ein lateinische Wort im Deutschen haben darf. Andere Entsprechungen,
die im Einzelfall viel treffender sein mögen, *müssen* als falsch
bewertet werden. Und, wie die betroffenen Lehrer mir versichert haben,
tun sie das natürlich, denn wer wollte wider das Kultusministerium?
Das mag ich als Sprachlehrer und zeitweiliger Übersetzer nicht glauben.
Hast du da eine Quellenangabe?
Man kann doch (außer bei offiziellen Bezeichnungen, z.B. für
Institutionen u.ä.) nicht behördlich vorgeben, was eine *richtige*
Übersetzung ist.

mfg
Heinz Lohmann
Danshui, Taiwan
25°07'58"N 121°27'56"E
--
Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Christian Seidl
2009-06-16 07:43:18 UTC
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Post by Heinz Lohmann
Post by Christian Seidl
Im konkreten Fall geht es um Wörterlisten "Latein – Deutsch", auf
denen endgültig diejenigen Wortentsprechungen verzeichnet sind, die
ein lateinische Wort im Deutschen haben darf. Andere Entsprechungen,
die im Einzelfall viel treffender sein mögen, *müssen* als falsch
bewertet werden. Und, wie die betroffenen Lehrer mir versichert haben,
tun sie das natürlich, denn wer wollte wider das Kultusministerium?
Das mag ich als Sprachlehrer und zeitweiliger Übersetzer nicht glauben.
Hast du da eine Quellenangabe?
Man kann doch (außer bei offiziellen Bezeichnungen, z.B. für
Institutionen u.ä.) nicht behördlich vorgeben, was eine *richtige*
Übersetzung ist.
Als wir bei einer Lehrerfortbildungsveranstaltung das Thema
Vokabelarbeit vertieften und dabei ein bestimmtes Konzept vorstellten,
das beim Vokabellernen zwingend Leerstellen für ad hoc-Bedeutungen
vorsah, damit man gar nicht auf die Idee kommen könne, es ließen sich
sämtliche möglichen Übersetzungen lernen, bekamen wir von einer
Koryphäe zur Antwort, dass das schon deshalb im Unterricht gar nicht
ginge, weil sie von ihrem Kultusministerium eine Liste bekämen, auf
der abschließend die allein richtigen Übersetzungen der lateinischen
Wörter festgehalten seien. Sinngemäße ad hoc-Äquivalente, die nicht
auf der Liste der zu lernenden Wortentsprechungen fungierten, seien
also als falsch zu werten.

Ch.
Lothar Frings
2009-06-16 07:52:59 UTC
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Post by Christian Seidl
Als wir bei einer Lehrerfortbildungsveranstaltung das Thema
Vokabelarbeit vertieften und dabei ein bestimmtes Konzept vorstellten,
das beim Vokabellernen zwingend Leerstellen für ad hoc-Bedeutungen
vorsah, damit man gar nicht auf die Idee kommen könne, es ließen sich
sämtliche möglichen Übersetzungen lernen, bekamen wir von einer
Koryphäe zur Antwort, dass das schon deshalb im Unterricht gar nicht
ginge, weil sie von ihrem Kultusministerium eine Liste bekämen, auf
der abschließend die allein richtigen Übersetzungen der lateinischen
Wörter festgehalten seien. Sinngemäße ad hoc-Äquivalente, die nicht
auf der Liste der zu lernenden Wortentsprechungen fungierten, seien
also als falsch zu werten.
Offenbar kippt man auch in der Schweiz, genau wie hier,
im Kultussystem sämtliche Versager ab, die man nicht
mal mehr in "Jugend, Familie nud Gedöns" brauchen kann.
Wolfram Heinrich
2009-06-16 07:53:39 UTC
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Post by Christian Seidl
Als wir bei einer Lehrerfortbildungsveranstaltung das Thema
Vokabelarbeit vertieften und dabei ein bestimmtes Konzept vorstellten,
das beim Vokabellernen zwingend Leerstellen für ad hoc-Bedeutungen
vorsah, damit man gar nicht auf die Idee kommen könne, es ließen sich
sämtliche möglichen Übersetzungen lernen, bekamen wir von einer
Koryphäe zur Antwort, dass das schon deshalb im Unterricht gar nicht
ginge, weil sie von ihrem Kultusministerium eine Liste bekämen, auf
der abschließend die allein richtigen Übersetzungen der lateinischen
Wörter festgehalten seien. Sinngemäße ad hoc-Äquivalente, die nicht
auf der Liste der zu lernenden Wortentsprechungen fungierten, seien
also als falsch zu werten.
Oh, verdammt! Damit sind also diese blöden Übersetzungen aus dem
Lateinischen, denen man ihre Herkunft 10 Meilen gegen den Wind ansieht,
amtlich vorgeschrieben.

Ciao
Wolfram
--
Der Franze hat gsagt, er kennt die wüste Gobi nicht, weil er, sagt er, sich
mit solchen Weibern nicht abgibt.
<http://derfranzehatgsagt.blogspot.com/> <www.theodor-rieh.de/heinrich>
<www.mpu-forum.eu> <www.brueckenbauer.it> <www.theodor-rieh.de>
Rüdiger Silberer
2009-06-16 09:24:55 UTC
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Post by Wolfram Heinrich
Post by Christian Seidl
Als wir bei einer Lehrerfortbildungsveranstaltung das Thema
Vokabelarbeit vertieften und dabei ein bestimmtes Konzept vorstellten,
das beim Vokabellernen zwingend Leerstellen für ad hoc-Bedeutungen
vorsah, damit man gar nicht auf die Idee kommen könne, es ließen sich
sämtliche möglichen Übersetzungen lernen, bekamen wir von einer
Koryphäe zur Antwort, dass das schon deshalb im Unterricht gar nicht
ginge, weil sie von ihrem Kultusministerium eine Liste bekämen, auf
der abschließend die allein richtigen Übersetzungen der lateinischen
Wörter festgehalten seien. Sinngemäße ad hoc-Äquivalente, die nicht
auf der Liste der zu lernenden Wortentsprechungen fungierten, seien
also als falsch zu werten.
Oh, verdammt! Damit sind also diese blöden Übersetzungen aus dem
Lateinischen, denen man ihre Herkunft 10 Meilen gegen den Wind ansieht,
amtlich vorgeschrieben.
Es soll aber auch, selten zwar aber doch, Lehrer geben die eine
sinngemäße Übersetzung lieber haben, als eine die an Wörterlisten klebt.
Ich frage mich nur was für ein Geist im Kultusministerium herrschen muß,
damit sich jemand solche Vorschriften ausdenkt.
--
Niemand kann ein großer Denker werden, solange er nicht einsieht,
daß die erste Tugend eines Denkers die ist, seinem Verstand zu folgen,
egal zu welcher Schlußfolgerung er ihn auch führt.

- John Stuart Mill -
Wolfram Heinrich
2009-06-16 09:28:08 UTC
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Post by Rüdiger Silberer
Post by Wolfram Heinrich
Post by Christian Seidl
Als wir bei einer Lehrerfortbildungsveranstaltung das Thema
Vokabelarbeit vertieften und dabei ein bestimmtes Konzept vorstellten,
das beim Vokabellernen zwingend Leerstellen für ad hoc-Bedeutungen
vorsah, damit man gar nicht auf die Idee kommen könne, es ließen sich
sämtliche möglichen Übersetzungen lernen, bekamen wir von einer
Koryphäe zur Antwort, dass das schon deshalb im Unterricht gar nicht
ginge, weil sie von ihrem Kultusministerium eine Liste bekämen, auf
der abschließend die allein richtigen Übersetzungen der lateinischen
Wörter festgehalten seien. Sinngemäße ad hoc-Äquivalente, die nicht
auf der Liste der zu lernenden Wortentsprechungen fungierten, seien
also als falsch zu werten.
Oh, verdammt! Damit sind also diese blöden Übersetzungen aus dem
Lateinischen, denen man ihre Herkunft 10 Meilen gegen den Wind ansieht,
amtlich vorgeschrieben.
Es soll aber auch, selten zwar aber doch, Lehrer geben die eine
sinngemäße Übersetzung lieber haben, als eine die an Wörterlisten klebt.
Ich frage mich nur was für ein Geist im Kultusministerium herrschen muß,
damit sich jemand solche Vorschriften ausdenkt.
Ich glaube, der Christian bezog sich auf das Schweizer Kultusministerium,
fürchte aber, daß das bei den bundesdeutschen Kultusministerien nicht viel
anders sein wird.
Der Hintergedanke scheint mir zu sein, daß man mit diesen eng am Original
klebenden Übersetzungen abklopfen will, ob der Schüler die jeweiligen
lateinischen Zeitformen auch wirklich gerafft hat.

Ciao
Wolfram
--
Naturzuhälter - Ein anerkannter Lehrberuf, der jedoch irreführenderweise
immer wieder als Fremdenverkehrsfachwirt bezeichnet wird.
<http://derfranzehatgsagt.blogspot.com/> <www.theodor-rieh.de/heinrich>
<www.mpu-forum.eu> <www.brueckenbauer.it> <www.theodor-rieh.de>
Christian Seidl
2009-06-16 12:15:11 UTC
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Post by Wolfram Heinrich
Ich glaube, der Christian bezog sich auf das Schweizer Kultusministerium,
fürchte aber, daß das bei den bundesdeutschen Kultusministerien nicht viel
anders sein wird.
Nein, nein: Ich habe mich auf deutsche Verhältnisse bezogen. Die
Schweizer kantonalen Kultusministerien – hier Bildungsdirektionen o.ä.
genannt – haben derweil noch andere Beschäftigungen.

Ch.
Lothar Frings
2009-06-16 13:56:57 UTC
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Post by Christian Seidl
Post by Wolfram Heinrich
Ich glaube, der Christian bezog sich auf das Schweizer Kultusministerium,
fürchte aber, daß das bei den bundesdeutschen Kultusministerien nicht viel
anders sein wird.
Nein, nein: Ich habe mich auf deutsche Verhältnisse bezogen. Die
Schweizer kantonalen Kultusministerien – hier Bildungsdirektionen o.ä.
genannt – haben derweil noch andere Beschäftigungen.
Kein Wunder, daß ich sofort die deutschen
Zustände wiedererkannt habe.
Wolfram Heinrich
2009-06-16 14:11:09 UTC
Permalink
Post by Christian Seidl
Post by Wolfram Heinrich
Ich glaube, der Christian bezog sich auf das Schweizer Kultusministerium,
fürchte aber, daß das bei den bundesdeutschen Kultusministerien nicht viel
anders sein wird.
Nein, nein: Ich habe mich auf deutsche Verhältnisse bezogen. Die
Schweizer kantonalen Kultusministerien – hier Bildungsdirektionen o.ä.
genannt – haben derweil noch andere Beschäftigungen.
Dann sind meine Befürchtungen also wahr. Ach.

Ciao
Wolfram
--
Vertrauen heißt, an etwas glauben, obwohl man weiß, daß es nicht wahr ist.
CELIA FREMLIN
<http://derfranzehatgsagt.blogspot.com/> <www.theodor-rieh.de/heinrich>
<www.mpu-forum.eu> <www.brueckenbauer.it> <www.theodor-rieh.de>
Heinz Lohmann
2009-06-16 01:30:09 UTC
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Post by Werner Tann
Ich weiß nicht, wie es Lehrer nun mit dem Augenmaß halten, was ARS und
NRS angeht. Vermutlich agieren sie in Deinem Sinn. Je nach eigenem
Sprachempfinden lassen sie alte Schreibungen durchgehen, obwohl sie
die reformierten von den Schülern verlangen müßten. Was rauskommt bei
dieser "Reformpädagogik" ist das gelehrte und gelernte Durcheinander,
das weder etwas mit alter noch mit reformierter Schreibe zu tun hat.
Das ist noch übler als die Reform.
Im Sprachunterricht lass ich den Studenten ARS und NRS durchgehen. Sie
sehen ja in ihren Kursen beides. Im Lehrbuch NRS verschiedener
Reformstufen, in anderen Kursen authentische Materialien aus
verschiedenen Jahren, wahrscheinlich zwei Drittel ARS, vielleicht auch
mal einen ß-freien Text aus der Schweiz.

Wenn's nur gut verständliches und ziemlich flüssiges Deutsch ist, bin
ich's zufrieden und die meisten Deutschen, mit denen sie in Zukunft zu
tun haben, auch. Die haben mit Deutsch ganz andere Sorgen ...

mfg
Heinz Lohmann
Danshui, Taiwan
25°07'58"N 121°27'56"E
--
Well, art is art, isn't it? Still, on the other hand, water is water!
And east is east and west is west and if you take cranberries and stew
them like applesauce they taste much more like prunes than rhubarb
does. Now, uh... Now you tell me what you know.
- Groucho Marx
Werner Tann
2009-06-16 09:43:20 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Im Sprachunterricht lass ich den Studenten ARS und NRS durchgehen. Sie
Taiwan? Deutsch als Fremdsprache ist wieder eine andere Baustelle.
Wenn ich allerdings eine Taiwanesin als Sekretärin anstelle, die
Beschluß und Erlass im selben Brief schreibt ...
Michael Schumacher
2009-06-16 14:08:34 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Heinz Lohmann
Im Sprachunterricht lass ich den Studenten ARS und NRS durchgehen.
Taiwan? Deutsch als Fremdsprache ist wieder eine andere Baustelle.
Wenn ich allerdings eine Taiwanesin als Sekretärin anstelle, die
Beschluß und Erlass im selben Brief schreibt ...
Völlig harmlos! Guckstu hier: <http://i8t.de/52m43kdk>.


mike, für im Zuge des Lesens defekt gewordene Hardware
keinerlei Garantie übernehmend! :-)
Matthias Opatz
2009-06-16 14:51:29 UTC
Permalink
Post by Michael Schumacher
Völlig harmlos! Guckstu hier: <http://i8t.de/52m43kdk>.
Wenn das man keine Fälschung ist. Kugellager gibt es in x Größen,
das bestellt einer 50 ohne Größenangabe, und ein paar Tage später
sind sie ohne weitere Präzisierung geliefert?

Es ist nicht ganz auszuschließen, aber üblich war es sicher nicht,
dass Japaner deutschen Schreibmaschinen (mit ß) benutzen. Ein (beim
Drucken gern als Behelf genommenes) β scheint mir das nicht zu sein
(und auch das wäre keine verbreitete Schreibmaschinen-Type).

Vielleicht kann Oliver da mal seinen sachkundigen Blick drauf werfen
und den japanischen Teil (Unterschrift!) begutachten.

Matthias
--
Die Regierungen der Päpste waren nur kurz, obgleich immer der Vater
auf den Sohn folgte. Prof. Galletti
Wer zum Kuckuck ist dieser Galletti? => <http://www.galletti.de/>
= Bitte bei Mailantwort Großbuchstaben aus Reply-Adresse löschen. =
Lothar Frings
2009-06-16 15:12:38 UTC
Permalink
Post by Matthias Opatz
Völlig harmlos!  Guckstu hier: <http://i8t.de/52m43kdk>.
Wenn das man keine Fälschung ist. Kugellager gibt es in x Größen,
das bestellt einer 50 ohne Größenangabe, und ein paar Tage später
sind sie ohne weitere Präzisierung geliefert?
Außerdem kenne ich den Witz seit meiner Kindheit,
damals natürlich noch ohne Bild.
Oliver Cromm
2009-06-16 16:44:01 UTC
Permalink
Post by Matthias Opatz
Post by Michael Schumacher
Völlig harmlos! Guckstu hier: <http://i8t.de/52m43kdk>.
Wenn das man keine Fälschung ist. Kugellager gibt es in x Größen,
das bestellt einer 50 ohne Größenangabe, und ein paar Tage später
sind sie ohne weitere Präzisierung geliefert?
Auch wie die Übersetzung Kugellager -> Runde Sofas zustandekommen soll,
ist mir nicht klar. Kugellager heißen auf japanisch 玉軸受け, wörtlich
"Kugelachsenaufnahme", oder ボール・ベアリング, "ball bearing". Sofa heißt auf
Japanisch "sofa" - kein Wunder, da das kein traditioneller Gegenstand
ist.

Normalerweise wird diese Fehlübersetzung Chinesen zugeschrieben, WIMRE.
Post by Matthias Opatz
Vielleicht kann Oliver da mal seinen sachkundigen Blick drauf werfen
und den japanischen Teil (Unterschrift!) begutachten.
Die Firma heißt "Tanaka Shokuhin", d.h. "Tanaka Lebensmittel", und
unterschrieben ist mit "M. Shokuhin", also "M. Lebensmittel". Als
Familienname ist mir das noch nicht begegnet. Das handschriftliche
scheint "shoku" zu sein. Das ist alles sehr verdächtig.
--
Pentiums melt in your PC, not in your hand.
Ewald Pfau
2009-06-15 19:24:06 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
"Gem|se usw. alte Schreibung für Gämse usw."
"Sten|gel usw. alte Schreibung für Stängel usw."
"Greu|el usw. alte Schreibung für Gräuel usw."
"be|hen|de alte Schreibung für behände"
(Zitate aus Duden 2006)
Wo ist da ein Unterschied?
Gämse und Gräuel sind wie modische Artikel, die kann man sich anheften.

Stängel und Behände hingegen kommen in meinem Wortschatz nicht vor - und ich
bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine bin. Das ist, als ob man "ägal"
schreiben müsse.

Wer mag das werten, was es heißt, direkt in die Struktur der Verständigung
hinein Unterscheidungsmerkmale zu torpedieren?
Martin Udelhoven
2009-06-16 08:02:12 UTC
Permalink
Post by Ewald Pfau
Gämse und Gräuel sind wie modische Artikel, die kann man sich anheften.
Bei "Gämse" ist das ä wegen der Gams nachvollziehbar und folgt klar der
Aussprache, "Gräuel" habe ich schon vor Jahrzehnten hier und dort mit ä
gesehen.
Post by Ewald Pfau
Stängel und Behände hingegen kommen in meinem Wortschatz nicht vor - und ich
bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine bin. Das ist, als ob man "ägal"
schreiben müsse.
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache, "Stängel" ist aber viel
deutlicher auf "Stange" zurückzuführen als "Behände" auf "Hand".
"Ägal" habe ich noch nie gehört, passendere Beispiele wären "Wält",
"Häft".

Martin
Rüdiger Silberer
2009-06-16 09:27:28 UTC
Permalink
Post by Martin Udelhoven
Post by Ewald Pfau
Gämse und Gräuel sind wie modische Artikel, die kann man sich anheften.
Bei "Gämse" ist das ä wegen der Gams nachvollziehbar und folgt klar der
Aussprache, "Gräuel" habe ich schon vor Jahrzehnten hier und dort mit ä
gesehen.
Dann war das aber falsch geschrieben, oder?
Post by Martin Udelhoven
Post by Ewald Pfau
Stängel und Behände hingegen kommen in meinem Wortschatz nicht vor - und ich
bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine bin. Das ist, als ob man "ägal"
schreiben müsse.
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache,
Nein, bei mir nicht.
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" ist aber viel
deutlicher auf "Stange" zurückzuführen als "Behände" auf "Hand".
"Ägal" habe ich noch nie gehört, passendere Beispiele wären "Wält",
"Häft".
Du siehst also selbst, daß die Aussprache ein schlechter Ratgeber für
die rechte Schreibung ist.
--
Niemand kann ein großer Denker werden, solange er nicht einsieht,
daß die erste Tugend eines Denkers die ist, seinem Verstand zu folgen,
egal zu welcher Schlußfolgerung er ihn auch führt.

- John Stuart Mill -
Wolfram Heinrich
2009-06-16 09:30:07 UTC
Permalink
Post by Rüdiger Silberer
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" ist aber viel
deutlicher auf "Stange" zurückzuführen als "Behände" auf "Hand".
"Ägal" habe ich noch nie gehört, passendere Beispiele wären "Wält",
"Häft".
Du siehst also selbst, daß die Aussprache ein schlechter Ratgeber für
die rechte Schreibung ist.
Es kommt ja hinzu, daß die Aussprache regional dann nochmal verschieden
ist, ich meine jetzt nicht Dialekt, sondern bloß die regionale Färbung.

Ciao
Wolfram
--
Wie oft schon habe ich am Samstag nicht gewußt, wem ich am Sonntag in die
Fresse schlagen würde. Und doch - noch jeden Sonntag hat es eine Schlägerei
gegeben.
<http://derfranzehatgsagt.blogspot.com/> <www.theodor-rieh.de/heinrich>
<www.mpu-forum.eu> <www.brueckenbauer.it> <www.theodor-rieh.de>
Oliver Cromm
2009-06-16 16:44:01 UTC
Permalink
Post by Wolfram Heinrich
Post by Rüdiger Silberer
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" ist aber viel
deutlicher auf "Stange" zurückzuführen als "Behände" auf "Hand".
"Ägal" habe ich noch nie gehört, passendere Beispiele wären "Wält",
"Häft".
Du siehst also selbst, daß die Aussprache ein schlechter Ratgeber für
die rechte Schreibung ist.
Es kommt ja hinzu, daß die Aussprache regional dann nochmal verschieden
ist, ich meine jetzt nicht Dialekt, sondern bloß die regionale Färbung.
Das wiederum ist ä^Hegal. Die meisten Dialekte haben nur zwei e-Laute,
und die lassen sich eindeutig dem ä (offen, lax) und dem e (geschlossen,
gespannt) zuordnen.

Nur aus der Schweiz hatten wir Hinweise auf möglicherweise 3 E-Laute
(Satz mit "Dr Bääär").
--
Performance: A statement of the speed at which a computer system works.
Or rather, might work under certain circumstances. Or was
rumored to be working over in Jersey about a month ago.
Werner Tann
2009-06-16 09:57:36 UTC
Permalink
Post by Rüdiger Silberer
Post by Martin Udelhoven
Aussprache, "Gräuel" habe ich schon vor Jahrzehnten hier und dort mit ä
gesehen.
Dann war das aber falsch geschrieben, oder?
Kommt darauf an, wie man "früher" definiert. Grimm läßt sich darüber
ausführlich aus:

[greuel]
"6) zur orthographie sei bemerkt, dasz die schreibung gräuel im 17.
jh. erst in spuren auftritt (SCHILL teutsch. sprache ehrenkranz [1644]
262; ROMPLER V. LÖWENHALT erstes gebüsch [1647] 14; RACHEL satyr. ged.
35 neudr.; PRÄTORIUS glückstopf [1669] 169); die im älteren nhd.
durchaus herrschende form ist grewel; auch im 18. jh. kommt gräuel
erst in der 2. hälfte in aufnahme, natürlich auf grund einer äuszeren
angleichung an grauen, wie sie rationalisierender sprachbetrachtung
nahe lag (vgl. neuer büchersaal d. schön. wissensch. u. fr. künste 3,
393; GOTTSCHED ged. [1751] 294; d. neueste a. d. anmuth. gelehrs. 2,
184; RAMLER einl. in d. schön. wissensch. 2, 38. 143. 340; LESSING 6,
521; LÖWEN schr. 1, 24; HAGEDORN 1, 65); die form erfreut sich dann
steigender beliebtheit (z. b. bei GÖTHE, HERDER, KLINGER, BÜRGER
ziemlich gleich häufig wie greuel, während SCHILLER gräuel zu meiden
scheint). theoretiker und lexicographen nehmen sie auf: 'gräuel ...
(stammt) auf eine unleugbare art von grauen ab' ADELUNG magazin f. d.
dtsch. sprache 2, 2, 117; 'man schreibt dieses wort gemeiniglich
greuel, aber sehr unrichtig' wb. 2, 787; FRISCH nouv. dict. (1772)
289; KLEIN provinzialwb. 1, 160; BRAUN orthogr.-gramm. wb. (1793) 126b
(weist greuel ausdrücklich zurück); HEYNATZ synon. wb. 1, 55b; TÄUBEL
buchdruckerkunst (1805) anhang 11; damit ist ihr für die erste hälfte
des 19. jhs. die gleichberechtigung im gebrauch gewonnen; erst im 3.
viertel des jhs. wieder zurückgedrängt. neben herrschendem grewel
erscheint im älteren nhd. gelegentlich die form greuwel, aber fast nur
auf alem. boden und dort verständlich auf grund der dialectform
grüwel; vgl. Zür. bibel (1531) 1. Mos. 43 F; 3. Mos. 20 D; STUMPF
Schwytzerchron. (1606) 353b; FRONSPERGER kriegsbuch 1, l 5r; auch bei
lexicographen: FRISIUS diction. (1556) 8a. 400a. 499b; MAALER (1561)
192a; HENISCH 1741."

Meine Duden von 1908, 1929 und 1973 kennen nur "Greuel".
Michael Schumacher
2009-06-16 13:17:17 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Rüdiger Silberer
Post by Martin Udelhoven
Aussprache, "Gräuel" habe ich schon vor Jahrzehnten hier und dort mit ä
gesehen.
Dann war das aber falsch geschrieben, oder?
Kommt darauf an, wie man "früher" definiert. Grimm läßt sich darüber
[greuel]
ziemlich gleich häufig wie greuel, während SCHILLER gräuel zu meiden
scheint). theoretiker und lexicographen nehmen sie auf: 'gräuel ...
(stammt) auf eine unleugbare art von grauen ab'
Und genau aus diesem Grund kann ich "Gräuel" (statt bisher "Greuel")
auch noch nachvollziehen. Aber "behende" auf "Hand" zurückzuführen,
oder gar "aufwendig" auf "Wand" -- brrrrr... Na gut, "Wand" und "Hand"
reimen sich auf "Stand", und da heißt's ja auch "aufständisch"... ;-)


mike
Christian Seidl
2009-06-16 13:38:20 UTC
Permalink
Post by Michael Schumacher
Und genau aus diesem Grund kann ich "Gräuel" (statt bisher "Greuel")
auch noch nachvollziehen.  Aber "behende" auf "Hand" zurückzuführen,
oder gar "aufwendig" auf "Wand" -- brrrrr...  
"Aufwändig" geht sicher nicht auf einfaches "Wand" zurück; möglich ist
aber eine Herleitung aus "Aufwand" (im Sinne von "mit [viel] Aufwand
versehen"), so wie "jährig" auf "Jahr" zurückgeht.

Eine ähnliche, auch heute noch nachvollziehbare Herleitung versagt
aber bei "behände", da heute in der deutschen Sprache keine
Ableitungen mehr aus der Vorsilbe "be-", mit Umlaut und zusätzlichem "-
e" zu Substantiven gebildet werden.

Ch.
Gunhild Simon
2009-06-16 13:43:46 UTC
Permalink
Post by Michael Schumacher
Post by Werner Tann
Post by Rüdiger Silberer
Post by Martin Udelhoven
Aussprache, "Gräuel" habe ich schon vor Jahrzehnten hier und dort mit ä
gesehen.
Dann war das aber falsch geschrieben, oder?
Kommt darauf an, wie man "früher" definiert. Grimm läßt sich darüber
[greuel]
ziemlich gleich häufig wie greuel, während SCHILLER gräuel zu meiden
scheint). theoretiker und lexicographen nehmen sie auf: 'gräuel ...
(stammt) auf eine unleugbare art von grauen ab'
Und genau aus diesem Grund kann ich "Gräuel" (statt bisher "Greuel")
auch noch nachvollziehen.  Aber "behende" auf "Hand" zurückzuführen,
oder gar "aufwendig" auf "Wand" ...
Ausgangspunkt der Kontoverse und schließlich dieser Diskussion war ja
ein Blog-Beitrag, der sich gerade mit dieser Frage beschäftigt.
http://www.blog.institut1.de/2009/stengel-gemse-greuel-und-aufwendig-stammprinzip-und-etymologie/


Gruß
Gunhild
Martin Udelhoven
2009-06-16 12:50:20 UTC
Permalink
Post by Rüdiger Silberer
Post by Martin Udelhoven
Bei "Gämse" ist das ä wegen der Gams nachvollziehbar und folgt klar der
Aussprache, "Gräuel" habe ich schon vor Jahrzehnten hier und dort mit ä
gesehen.
Dann war das aber falsch geschrieben, oder?
So ist es. Es ist jedoch in diesem Fall die Reform nicht gänzlich als
unsinnig von der Hand zu weisen, und darauf wollte ich eigentlich
hinweisen.
Post by Rüdiger Silberer
Post by Martin Udelhoven
Post by Ewald Pfau
Stängel und Behände hingegen kommen in meinem Wortschatz nicht vor - und ich
bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine bin. Das ist, als ob
man
"ägal"
schreiben müsse.
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache,
Nein, bei mir nicht.
Gut, dann habe ich mich geirrt. Wo spricht man denn anders als mit ä?
Post by Rüdiger Silberer
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" ist aber viel
deutlicher auf "Stange" zurückzuführen als "Behände" auf "Hand".
"Ägal" habe ich noch nie gehört, passendere Beispiele wären "Wält",
"Häft".
Du siehst also selbst, daß die Aussprache ein schlechter Ratgeber für
die rechte Schreibung ist.
So weit wollte ich auch nicht folgern. Vielleicht war es so, dass für
die Reformkommission sowohl Aussprache als auch Herleitung als
Minimalvoraussetzung für eine Änderung der Schreibung galten.

Martin
Helmut Richter
2009-06-16 09:58:35 UTC
Permalink
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache,
Da die Standardaussprache von *kurzem betontem* e und ä gleich ist, folgen
"Stängel" und "Behände" der Aussprache ganz genau im gleichen Maß wie es
"Stengel" und "Behende" tun.
Post by Martin Udelhoven
"Ägal" habe ich noch nie gehört,
Das spricht sich auch "egal" mit [e] und nicht mit [E].
Post by Martin Udelhoven
passendere Beispiele wären "Wält", "Häft".
... wobei "*Häft" von "*häften" kommt, also "haften machen". Das ä ist
hier also genauso berechtigt wie in "fällen" (fallen machen).
--
Helmut Richter
Martin Udelhoven
2009-06-16 12:43:11 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache,
Da die Standardaussprache von *kurzem betontem* e und ä gleich ist, folgen
"Stängel" und "Behände" der Aussprache ganz genau im gleichen Maß wie es
"Stengel" und "Behende" tun.
Post by Martin Udelhoven
"Ägal" habe ich noch nie gehört,
Das spricht sich auch "egal" mit [e] und nicht mit [E].
Genau das wollte ich andeuten.
Post by Helmut Richter
Post by Martin Udelhoven
passendere Beispiele wären "Wält", "Häft".
... wobei "*Häft" von "*häften" kommt, also "haften machen". Das ä ist
hier also genauso berechtigt wie in "fällen" (fallen machen).
Bei "heften" habe ich noch überlegt, bin aber nicht drauf gekommen,
obwohl naheliegend.

Martin
Oliver Cromm
2009-06-16 16:44:02 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by Martin Udelhoven
"Ägal" habe ich noch nie gehört,
Das spricht sich auch "egal" mit [e] und nicht mit [E].
Ich spreche "egal" eher mit [E] - und das gilt nicht für alle Wörter,
"emittieren" etwa spreche ich eher mit [e].

Das spezifisch sächsische egal, das vorne [e:] hat, gehört ja in einen
anderen Faden.
--
Spell checker (n.) One who gives examinations on witchcraft.
Herman Rubin in sci.lang
Lothar Frings
2009-06-16 10:29:32 UTC
Permalink
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache, "Stängel" ist aber viel
deutlicher auf "Stange" zurückzuführen als "Behände" auf "Hand".
"Ägal" habe ich noch nie gehört, passendere Beispiele wären "Wält",
"Häft".
Die Rechtschreibung an der Aussprache zu orientieren,
halte ich für ein atemberaubendes Unterfangen.
Und kommt "aufwändig" von Aufwand oder aufwenden?
Da ist eine Menge aufwändig auswendig zu lernen.
Uwe Schickedanz
2009-06-16 12:21:15 UTC
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On Tue, 16 Jun 2009 03:29:32 -0700 (PDT), Lothar Frings
Post by Lothar Frings
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache, "Stängel" ist aber viel
deutlicher auf "Stange" zurückzuführen als "Behände" auf "Hand".
"Ägal" habe ich noch nie gehört, passendere Beispiele wären "Wält",
"Häft".
Die Rechtschreibung an der Aussprache zu orientieren,
halte ich für ein atemberaubendes Unterfangen.
Und kommt "aufwändig" von Aufwand oder aufwenden?
Da ist eine Menge aufwändig auswendig zu lernen.
Auswendiges Lernen soll ja eh besser sein, da die frische Luft die
Durchblutung anregt.
Auf dem Dach hat man dann sogar beides.

Gruß Uwe
--
Wie spricht man denn das Leerzeichen mit Akut aus? "Hmp!" oder so?
vG o
L_
=== http://www.sicherheitslampe.de === OL
Martin Udelhoven
2009-06-16 12:50:38 UTC
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Post by Lothar Frings
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache, "Stängel" ist aber viel
deutlicher auf "Stange" zurückzuführen als "Behände" auf "Hand".
"Ägal" habe ich noch nie gehört, passendere Beispiele wären "Wält",
"Häft".
Die Rechtschreibung an der Aussprache zu orientieren,
halte ich für ein atemberaubendes Unterfangen.
Nein, ich äußere lediglich Annahmen, welche Argumente u. a. die
Reformkommission bewogen haben könnten. Mindestens muss noch eine
gemeinsame Herleitung herhalten ("Stange") und vielleicht wurde im
Vorfeld auch eine langjährige Schreibunsicherheit im Schriftvolk
erkannt.
Ich äußere in dieser Frage kein Wissen, sondern rege die Diskussion an.

Martin
Lothar Frings
2009-06-16 14:09:03 UTC
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Post by Martin Udelhoven
Nein, ich äußere lediglich Annahmen, welche Argumente u. a. die
Reformkommission bewogen haben könnten.
Schwer zu sagen, warum man ein bestens funktionierendes
System kaputtmacht und eine Horde von Versagern
dafür ein jämmerliches Flickwerk anfertigen läßt.
Post by Martin Udelhoven
Mindestens muss noch eine
gemeinsame Herleitung herhalten ("Stange") und vielleicht wurde im
Vorfeld auch eine langjährige Schreibunsicherheit im Schriftvolk
erkannt.
Letzteres bestimmt. Und Qualitätspersonal wie die
Rechtschreibreformer fährt natürlich sofort das
Däniken-Manöver: Die erste plausible Erklärung, die
einem einfällt, ist auch die richtige.
Manfred Hoß
2009-06-16 14:11:43 UTC
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Post by Lothar Frings
Schwer zu sagen, warum man ein bestens funktionierendes
System kaputtmacht und eine Horde von Versagern
dafür ein jämmerliches Flickwerk anfertigen läßt.
Die Rechtschreibung vor 1996 hat funktioniert, aber mit Sicherheit nicht
bestens.

Gruß
Manfred.
Uwe Schickedanz
2009-06-16 15:39:54 UTC
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Post by Manfred Hoß
Post by Lothar Frings
Schwer zu sagen, warum man ein bestens funktionierendes
System kaputtmacht und eine Horde von Versagern
dafür ein jämmerliches Flickwerk anfertigen läßt.
Die Rechtschreibung vor 1996 hat funktioniert, aber mit Sicherheit nicht
bestens.
Bestens wäre ja das Optimum, also hast Du recht.

Wollen wir anschließend noch bewerten, was _besser_ funktioniert?

Gruß Uwe
--
Wie spricht man denn das Leerzeichen mit Akut aus? "Hmp!" oder so?
vG o
L_
=== http://www.sicherheitslampe.de === OL
Wolfram Heinrich
2009-06-16 16:13:27 UTC
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Post by Uwe Schickedanz
Post by Manfred Hoß
Die Rechtschreibung vor 1996 hat funktioniert, aber mit Sicherheit nicht
bestens.
Bestens wäre ja das Optimum, also hast Du recht.
Wollen wir anschließend noch bewerten, was _besser_ funktioniert?
Wahrscheinlich funktioniert die Neue Rechtschreibung auch, aber das Kreuz
ist, daß wir jetzt zwei Rechtschreibungen haben.

Ciao
Wolfram
--
Jeder Idiot kann die Wahrheit sagen, aber zum Lügen braucht es Intelligenz.
UNBEKANNT
<http://derfranzehatgsagt.blogspot.com/> <www.theodor-rieh.de/heinrich>
<www.mpu-forum.eu> <www.brueckenbauer.it> <www.theodor-rieh.de>
Martin Gerdes
2009-06-16 16:00:14 UTC
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Post by Martin Udelhoven
Post by Ewald Pfau
Gämse und Gräuel sind wie modische Artikel, die kann man sich anheften.
Bei "Gämse" ist das ä wegen der Gams nachvollziehbar und folgt klar der
Aussprache,
Nö :-)
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" und "Behände" folgen der Aussprache,
Auch die nicht.
Post by Martin Udelhoven
"Stängel" ist aber viel deutlicher auf "Stange" zurückzuführen
als "behände" auf "Hand".
Mag sein.
Noch deutlicher als ein Stengel ist eine Stenge eine Stange -- aber die
neuschreibt man mit e.
Post by Martin Udelhoven
passendere Beispiele wären "Wält", "Häft".
Das "Häft" wäre eine etymologische Schreibung (kommt von "haften"), aber
ich spreche den Vokal wie die meisten Primärumlaute halt als e.
Wolfram Heinrich
2009-06-16 16:17:09 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Post by Martin Udelhoven
Post by Ewald Pfau
Gämse und Gräuel sind wie modische Artikel, die kann man sich anheften.
Bei "Gämse" ist das ä wegen der Gams nachvollziehbar und folgt klar der
Aussprache,
Nö :-)
Gams ist doch bairischer Dialekt, oder?
Ciao
Wolfram
--
Der schöpferische Prozeß läßt sich mit einer Klospülung vergleichen: Es
dauert ziemlich lange, bis sich das Wasser gesammelt hat, aber wenn man
dann zieht, rauscht es ziemlich schnell durch.
STANISLAW LEM
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Ingo Stiller
2009-06-16 16:11:15 UTC
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Das ist, als ob man "ägal" schreiben müsse.
Wie wäre es mit "die Ältern", kommt immerhin von "den Alten" :-))

Gruß Ingo
Wolfram Heinrich
2009-06-16 16:18:19 UTC
Permalink
Post by Ingo Stiller
Das ist, als ob man "ägal" schreiben müsse.
Wie wäre es mit "die Ältern", kommt immerhin von "den Alten" :-))
Wenn man einmal anfängt, sich mit der Neuen Rechtschreibung zu befassen,
kommt man aus dem Blödeln gar nicht mehr raus. Irgendwie scheint mir das
nicht für die NRS zu sprechen.

Ciao
Wolfram
--
Heut tu ich mal nichts. Ich tu zwar sonst auch nichts, aber heute nehm' ich
mir auch nichts vor.
UNBEKANNTER MEISTER
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<www.mpu-forum.eu> <www.brueckenbauer.it> <www.theodor-rieh.de>
tobias b koehler
2009-06-15 15:06:07 UTC
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Post by Werner Tann
"Dass" ist eine eigene Baustelle. Da es keinen Fall gibt, in dem ss
nun neben ß erlaubt wäre, verzichtet der Duden hier generell auf den
Eintrag der alten Form.
Wie ist das bei "Spaß" gegenüber "Spass"?
Wird regional anders ausgesprochen; dies könnte auch orthographisch
verdeutlicht werden.

gruß, tobias
Werner Tann
2009-06-15 15:25:09 UTC
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Post by tobias b koehler
Post by Werner Tann
"Dass" ist eine eigene Baustelle. Da es keinen Fall gibt, in dem ss
nun neben ß erlaubt wäre, verzichtet der Duden hier generell auf den
Eintrag der alten Form.
Wie ist das bei "Spaß" gegenüber "Spass"?
Wird regional anders ausgesprochen; dies könnte auch orthographisch
verdeutlicht werden.
Ja, eh. Das war vorher erlaubt, und ist es immer noch. Hat also mit
der Reform nichts zu tun. Bei Spaß/ss gibt es keine "alte" Form.
Matthias Opatz
2009-06-15 16:56:35 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Bei Spaß/ss gibt es keine "alte" Form.
Bei Spaß nicht, bei Spass schon - sie lautet Spaß (wie Faß).

Matthias
--
Die Regierungen der Päpste waren nur kurz, obgleich immer der Vater
auf den Sohn folgte. Prof. Galletti
Wer zum Kuckuck ist dieser Galletti? => <http://www.galletti.de/>
= Bitte bei Mailantwort Großbuchstaben aus Reply-Adresse löschen. =
Werner Tann
2009-06-15 18:15:48 UTC
Permalink
Post by Matthias Opatz
Post by Werner Tann
Bei Spaß/ss gibt es keine "alte" Form.
Bei Spaß nicht, bei Spass schon - sie lautet Spaß (wie Faß).
Stimmt. Da aber Spass sowieso unter dem Stichwort der alten Form,
nämlich "Spaß", eingetragen ist, wäre der Hinweis, daß man das
kurzvokalige "Spass" früher (auch) als "Spaß" geschrieben hat, genauso
wie das langvokalige "Spaß", nur verwirrend. Es liest sich so schon
sperrig genug:

|Spaß, österr. auch Spass, der; -es, Späße (österr. auch Spässe); Spaß
|(österr. auch Spass) machen
Duden 2006
Peter J. Holzer
2009-06-16 15:54:26 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Matthias Opatz
Post by Werner Tann
Bei Spaß/ss gibt es keine "alte" Form.
Bei Spaß nicht, bei Spass schon - sie lautet Spaß (wie Faß).
Stimmt. Da aber Spass sowieso unter dem Stichwort der alten Form,
nämlich "Spaß", eingetragen ist, wäre der Hinweis, daß man das
kurzvokalige "Spass" früher (auch) als "Spaß" geschrieben hat, genauso
wie das langvokalige "Spaß", nur verwirrend. Es liest sich so schon
|Spaß, österr. auch Spass, der; -es, Späße (österr. auch Spässe); Spaß
|(österr. auch Spass) machen
So, jetzt bin ich verwirrt. Die Aussprache mit kurzem a klingt für mich
eindeutig boreal. Wieso daher die Schreibweise "Spass" österr. sein
soll, erschließt sich mir nicht.

hp
Michael Pronay
2009-06-16 16:45:24 UTC
Permalink
Post by Peter J. Holzer
So, jetzt bin ich verwirrt. Die Aussprache mit kurzem a klingt
für mich eindeutig boreal. Wieso daher die Schreibweise "Spass"
österr. sein soll, erschließt sich mir nicht.
Das ÖWB hat zusätzlich zu den beiden Doppelschreibungen der RSR
(Löß/ss, Geschoß/ss) zwei weitere eingeführt, Spaß/ss und Ruß/ss,
mit der Begründung, dass das im alemannischen Sprachraum, sprich
in Vorarlberg, gängig wäre.

Ob das stimmt, vermag ich nicht zu beurteilen.

M.

Gunhild Simon
2009-06-15 17:52:47 UTC
Permalink
Post by tobias b koehler
Post by Werner Tann
"Dass" ist eine eigene Baustelle. Da es keinen Fall gibt, in dem ss
nun neben ß erlaubt wäre, verzichtet der Duden hier generell auf den
Eintrag der alten Form.
Wie ist das bei "Spaß" gegenüber "Spass"?
Wird regional anders ausgesprochen; dies könnte auch orthographisch
verdeutlicht werden.
Wenn die Regel nahelegt, durch Verlängerung, die Qualität der
vorausgehenden Vokale zu ermitteln, dan bietet sich dies hier als
Maßstab an:
Falls man Spässe sagt, muß man Spass schreiben.

Jedoch, wenn der Plural unpassenderweise zum kurzvokalligen Singular
Spass Späße lautet, merkt man, daß es eine dialektale Marotte ist.

Ich kenne auch die Aussprache Grass für einen Halm oder ein
Pluraletantum von Wiesengrün ist, dessen zählbare Mehrheit dennoch
Gräser sind.

Wie ist das Adverb fürbass/fürbaß, die Konjunktion bis zu verstehen?

Gruß
Gunhild.
Oliver Cromm
2009-06-15 22:14:27 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
Jedoch, wenn der Plural unpassenderweise zum kurzvokalligen Singular
Spass Späße lautet, merkt man, daß es eine dialektale Marotte ist.
So wie bei Stadt/Städte? Der Plural ist mit langem oder kurzem ä
gesellschaftsfähig.
--
Software gets slower, faster than hardware gets faster.
--Wirth's law
Rüdiger Silberer
2009-06-15 18:19:08 UTC
Permalink
Post by tobias b koehler
Post by Werner Tann
"Dass" ist eine eigene Baustelle. Da es keinen Fall gibt, in dem ss
nun neben ß erlaubt wäre, verzichtet der Duden hier generell auf den
Eintrag der alten Form.
Wie ist das bei "Spaß" gegenüber "Spass"?
Wird regional anders ausgesprochen; dies könnte auch orthographisch
verdeutlicht werden.
Gute Idee, wir schreiben zukünftig so wie wir sprechen.
--
Niemand kann ein großer Denker werden, solange er nicht einsieht,
daß die erste Tugend eines Denkers die ist, seinem Verstand zu folgen,
egal zu welcher Schlußfolgerung er ihn auch führt.

- John Stuart Mill -
Heinz Lohmann
2009-06-15 00:48:19 UTC
Permalink
Greuel und greulich, behende und aufwendig.
wobei mich immer noch besonders der Wechsel zu greulich ärgert, weil
einem dadurch die Möglichkeit genommen wird, zwischen einem grauen
Farbton und einem schrecklichen Aussehen zu unterscheiden.
Nach neuer Rechtschreibung eigentlich nur: Er trug gräuliche Kleidung.
(Duden 2006; greulich nur als alte Schreibung erwähnt) Oder gibt's schon
*wieder* nen neuen?


mfg
Heinz Lohmann
Danshui, Taiwan
25°07'58"N 121°27'56"E
--
Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Werner Tann
2009-06-15 08:06:41 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
wobei mich immer noch besonders der Wechsel zu greulich ärgert, weil
einem dadurch die Möglichkeit genommen wird, zwischen einem grauen
Farbton und einem schrecklichen Aussehen zu unterscheiden.
Nach neuer Rechtschreibung eigentlich nur: Er trug gräuliche Kleidung.
"Gräulich" für die Farbe ist MUSEN sowieso ein greuliches Wort. Wenn
Du reformiert schreiben willst, dann verwende halt "graulich". Steht
so im Duden 2006: "gräu|lich, grau|lich <zu grau>".
Michael Schumacher
2009-06-15 08:23:25 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Heinz Lohmann
wobei mich immer noch besonders der Wechsel zu greulich ärgert, weil
einem dadurch die Möglichkeit genommen wird, zwischen einem grauen
Farbton und einem schrecklichen Aussehen zu unterscheiden.
Nach neuer Rechtschreibung eigentlich nur: Er trug gräuliche Kleidung.
"Gräulich" für die Farbe ist MUSEN sowieso ein greuliches Wort. Wenn
Du reformiert schreiben willst, dann verwende halt "graulich". Steht
so im Duden 2006: "gräu|lich, grau|lich <zu grau>".
Ich empfinde dieses anthrazite Umschiffen des Dudens als grauenhaft!


mike
Werner Tann
2009-06-15 08:31:37 UTC
Permalink
Post by Michael Schumacher
Post by Werner Tann
"Gräulich" für die Farbe ist MUSEN sowieso ein greuliches Wort. Wenn
Du reformiert schreiben willst, dann verwende halt "graulich". Steht
so im Duden 2006: "gräu|lich, grau|lich <zu grau>".
Ich empfinde dieses anthrazite Umschiffen des Dudens als grauenhaft!
Das Wort ist sehr alt, vgl. Grimm:
|1 GRAULICH [Lfg. 8,14], gräulich, adj., 'ein wenig grau, ins graue spielend'.
|seit etwa 1600, neben zunächst häufigerem, später ungebräuchlicherem
|1graulicht (s. d.). im unterschied zu bläulich tritt die umgelautete form,
|besonders in jüngerem gebrauch, stark zurück, wohl um einer verwechslung
|mit gräulich, greulich (s. d.) vorzubeugen. gelegentlich verwischt sich auch
|die grenze zwischen 1graulich und 2graulich (s. unten 8). [...]
Martin Gerdes
2009-06-15 16:00:05 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Michael Schumacher
Post by Werner Tann
"Gräulich" für die Farbe ist MUSEN sowieso ein greuliches Wort. Wenn
Du reformiert schreiben willst, dann verwende halt "graulich". Steht
so im Duden 2006: "gräu|lich, grau|lich <zu grau>".
Ich empfinde dieses anthrazite Umschiffen des Dudens als grauenhaft!
|1 GRAULICH [Lfg. 8,14], gräulich,
Und doch heißt es nicht "rotlich", "blaulich" oder "schwarzlich".

Abgeleitete Formen haben in aller Regel einen Umlaut (so möglich).
Werner Tann
2009-06-15 18:15:49 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Und doch heißt es nicht "rotlich", "blaulich" oder "schwarzlich".
Naja, es muß nicht alles nach Schema F funktionieren.
Früher gab's etwa "blaulicht" sehr wohl:
"seht der neubewachsnen erden
zarte kleidung blaulicht werden. J. E. SCHLEGEL"
"so wie den fernen wald der künstler blaulicht mahlt,
der in der nähe doch mit frischem grüne prahlt. LESSING"
Beide Zitate nach Grimm.
Post by Martin Gerdes
Abgeleitete Formen haben in aller Regel einen Umlaut (so möglich).
Bau - baulich, Hand - handlich, Schauer - schauerlich.
Bäulich, händlich, schäuerlich wären "möglich", spielt's aber nicht.
Oliver Cromm
2009-06-15 22:14:27 UTC
Permalink
Post by Werner Tann
Post by Heinz Lohmann
wobei mich immer noch besonders der Wechsel zu greulich ärgert, weil
einem dadurch die Möglichkeit genommen wird, zwischen einem grauen
Farbton und einem schrecklichen Aussehen zu unterscheiden.
Nach neuer Rechtschreibung eigentlich nur: Er trug gräuliche Kleidung.
"Gräulich" für die Farbe ist MUSEN sowieso ein greuliches Wort. Wenn
Du reformiert schreiben willst, dann verwende halt "graulich". Steht
so im Duden 2006: "gräu|lich, grau|lich <zu grau>".
Prima, das beweist dann wohl, daß die Reform nur Schreibweisen ändert,
keineswegs Grammatik oder Vokabular.
--
Give a man a fish and you feed him for a day; teach him to use the 'Net
and he won't bother you for weeks.
Gunhild Simon
2009-06-15 10:11:06 UTC
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Post by Heinz Lohmann
Greuel und greulich, behende und aufwendig.
wobei mich immer noch besonders der Wechsel zu greulich ärgert, weil
einem dadurch die Möglichkeit genommen wird, zwischen einem grauen
Farbton und einem schrecklichen Aussehen zu unterscheiden.
Nach neuer Rechtschreibung eigentlich nur: Er trug gräuliche Kleidung.
(Duden 2006; greulich nur als alte Schreibung erwähnt) Oder gibt's schon
*wieder* nen neuen?
Ja, das möchte ich unterstreichen.

Würde sich das Grauen des Morgens etymologisch dem Grauen, das einen
bei Greueltaten überkommt, etymologisch decken, wäre die
Gleichschreibung der Adjektive nachvolziehbar.

Es ist aber so, daß alles mit Grauen, Grausen usw. verbundene
etymologisch im Dunkel liegt. Mehr als das mittelhochdeutsche gruwe
wird dafür von der Duden Ety nicht angeführt.

Gruß
Gunhild
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