Discussion:
Der Käsemann und der Apostroph
(zu alt für eine Antwort)
Rainer Schneehorst
2005-09-17 19:21:12 UTC
Permalink
Hallo,

im heutigen (wieso kam der eigentlich heute schon?) SPIEGEL wird auf
Seite 68 ff über einen französischen Rohmilchkäseproduzenten
berichtet, der Probleme mit der EU-Bürokratie hat. Der Käsemann
heißt Claude Glise, sein 'e' im Nachnamen ist stumm, so dass sein
Name, spricht man ihn aus, auf 's' endet und nicht auf e'.

Nun steht der Name Glise im Artikel ein paar Mal im Genitiv, und da
schreibt der SPIEGEL beispielsweise "Glise' Melkstall". Was soll das?
Ich hätte "Glises Melkstall" geschrieben.

Andersrum: es gibt ja auch französische Namen, die auf ein nicht
gesprochenes 's' enden: Georges, Charles, Legros etc. Würde ich _so_
einen Namen in einem deutschen Text im Genitiv verwenden, schriebe ich
"Charles' Kuh", "Georges' Käserei", "Monsieur Legros' Probleme mit der
EU" und so weiter und spräche, trüge ich den Text vor, gnadenlos das
Genitiv-s am französischen Namen aus.

Was sagt euer USE dazu?

Gruß aus Hamburg
Rainer
Juergen Grosse
2005-09-17 22:56:54 UTC
Permalink
Rainer Schneehorst schrieb:

...
Post by Rainer Schneehorst
Nun steht der Name Glise im Artikel ein paar Mal im Genitiv, und da
schreibt der SPIEGEL beispielsweise "Glise' Melkstall". Was soll das?
Ich hätte "Glises Melkstall" geschrieben.
Ich nicht. § 96 des amtlichen Regelwerks spricht zwar nur von

"Eigennamen, deren Grundform (Nominativform) auf einen s-Laut
(geschrieben: -s, -ss, -ß, -tz, -z, -x, -ce) endet, bekommen im Genitiv
den Apostroph, wenn sie nicht einen Artikel, ein Possessivpronomen oder
dergleichen bei sich haben:
Aristoteles' Schriften, Carlos' Schwester, Ines' gute Ideen, Felix'
Vorschlag, Heinz' Geburtstag, Alice' neue Wohnung",

und lässt offen, was mit gesprochenem s-Laut, der '-se' geschrieben
wird, geschehen soll. Doch sehe ich keinen vernünftigen Grund, 'Glise'
hier anders zu behandeln als 'Alice'. Als problematischer empfinde ich
die häufig zu lesende analoge Anwendung z. B. auf serbokroatische Namen
auf '-ic' (mit Akutakzent auf dem 'c'), hier würde ich ein 's' nicht nur
schreiben sondern auch sprechen.
Post by Rainer Schneehorst
Andersrum: es gibt ja auch französische Namen, die auf ein nicht
gesprochenes 's' enden: Georges, Charles, Legros etc. Würde ich _so_
einen Namen in einem deutschen Text im Genitiv verwenden, schriebe ich
"Charles' Kuh", "Georges' Käserei", "Monsieur Legros' Probleme mit der
EU" und so weiter und spräche, trüge ich den Text vor, gnadenlos das
Genitiv-s am französischen Namen aus.
...

Damit wiederum stimmst du mit dem amtlichen Regelwerk überein, das dafür
allerdings mit 'Boulez' (der tatsächlich aber [bulEz] gesprochen wird)
auch ein weniger passendes Beispiel nennt.


Tschüs, Jürgen
Malte Milatz
2005-09-18 06:20:48 UTC
Permalink
und lässt offen, was mit gesprochenem s-Laut, der '-se' geschrieben wird,
geschehen soll. Doch sehe ich keinen vernünftigen Grund, 'Glise' hier
anders zu behandeln als 'Alice'.
Der s-Laut in "Glise" ist stimmhaft, und in manchen Regionen Frankreichs
wird das e tatsächlich gesprochen, weshalb ich Glise genauso behandeln
würde wie Elise.

Malte
Juergen Grosse
2005-09-18 11:14:00 UTC
Permalink
Malte Milatz schrieb:

...
Post by Malte Milatz
und lässt offen, was mit gesprochenem s-Laut, der '-se' geschrieben wird,
geschehen soll. Doch sehe ich keinen vernünftigen Grund, 'Glise' hier
anders zu behandeln als 'Alice'.
(Das gilt natürlich nur für ['&lIs] und [alis]. Die deutsch
ausgesprochene [?a'li:ts@] hingegen erhält wie ihre italienische
Freundin [a'li:tSe] natürlich ein 's' und keinen Apostroph.)
Post by Malte Milatz
Der s-Laut in "Glise" ist stimmhaft, und in manchen Regionen Frankreichs
wird das e tatsächlich gesprochen,
Das gilt für Alice' 'e' aber ebenfalls. Und im Grunde ist es auch
weniger eine Frage der Region als der Textart oder der lautlichen
Umgebung.
Post by Malte Milatz
weshalb ich Glise genauso behandeln
würde wie Elise.
...

Wie behandelst du denn diese? Ich würde hier zwischen dem deutschen
Namen 'Elise' [?e'li:z@] und dem französischen Namen 'Élise' [eli:z]
unterscheiden.


Tschüs, Jürgen
Malte Milatz
2005-09-18 11:21:45 UTC
Permalink
Post by Malte Milatz
weshalb ich Glise genauso behandeln
würde wie Elise.
Wie behandelst du denn diese? Ich würde hier zwischen dem deutschen Namen
unterscheiden.
Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Tatsächlich hätte ich gegen
Elise' als Genitiv des französisch ausgesprochenen Namen nichts
einzuwenden. Folglich gilt dasselbe für Glise.

Malte
Rüdiger Silberer
2005-09-19 16:26:48 UTC
Permalink
Post by Juergen Grosse
...
Post by Malte Milatz
und lässt offen, was mit gesprochenem s-Laut, der '-se' geschrieben wird,
geschehen soll. Doch sehe ich keinen vernünftigen Grund, 'Glise' hier
anders zu behandeln als 'Alice'.
(Das gilt natürlich nur für ['&lIs] und [alis]. Die deutsch
Freundin [a'li:tSe] natürlich ein 's' und keinen Apostroph.)
Post by Malte Milatz
Der s-Laut in "Glise" ist stimmhaft, und in manchen Regionen Frankreichs
wird das e tatsächlich gesprochen,
Das gilt für Alice' 'e' aber ebenfalls. Und im Grunde ist es auch
weniger eine Frage der Region als der Textart oder der lautlichen
Umgebung.
Ich halte das für sehr praktisch, daß man je nachdem wie der Schreiber
den Namen ausspricht, ihn schreiben kann. Wir sollten das unbedingt
erweitern.
--
ade, Rüdiger

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