Post by Bastian FuchsWelchen Vorteil hat die Satzklammer im Deutschen? Hat sie überhaupt
einen?
Sie hat keinen.
Die Nachteile sind eingebildet.
Post by Bastian FuchsVerben werden auseinandergerissen, es kann ein falscher Zwischensinn
entstehen und wie ich einen Satz zu lesen und zu verstehen habe,
erfahre ich erst am Ende.
Letzteres ist der Knackpunkt. Um einen Satz zu verstehen, muss ich
ihn ganz kennen. Das gilt genauso, wenn man Subjekt oder Objekt ans
Ende stellt - alle kombinatorischen Möglichkeiten, Subjekt, Objekt
und Verb anzuordnen, finden sich unter den Sprachen der Welt. Wenn
der Hund das Kind gebissen hat, dann ist keiner der Bestandteile
verzichtbar, aber irgendeiner muss zwangsläufig am Ende stehen und
erst, wenn wir alle kennen, wissen wir, was passiert ist.
Post by Bastian FuchsDoch warum haben wir sie dann, die Satzklammer?
Weil es letztlich beliebig ist, für welche Satzstellung sich eine
Sprache entscheidet, auch wenn es sicher interessant ist, im
Einzelfall zu verfolgen, wie sich die Syntax ändert, z.B. von Latein
(SOV) zu den romanischen Sprachen (SVO) oder wie Irisch zu VSO
gekommen ist.
Post by Bastian FuchsGleiche Frage stellt sich mir bei Nebensätzen, bei denen der
Satzschlüssel, das Verb, nach hinten wandert. Das ist nicht schön,
aber warum haben wir sie dann?
Wieso ist das nicht schön?
Und "warum" ist bei Sprache nur eine bedingt sinnvolle Frage. Warum
heißt der Tisch "Tisch" und nicht "Stuhl"?
Auffällig ist, dass im Deutschen die Verbstellung ganz und gar starr
ist, und bei Hauptsätzen der finite Teil des Verbs auf Teufel komm
raus an zweiter Stelle steht. Nehmen wir einen harmlosen Satz:
Ich gehe nach Hause.
Wenn wir eine Zeitadverbiale hinzufügen, dann produzieren Leute, die
Deutsch als Fremdsprache erlernen, gerne sowas:
*Heute ich gehe nach Hause.
Da das Verb aber fest an zweiter Stelle steht, muss ein anderes Satzteil
weichen.
Heute gehe ich nach Hause.
Ich gehe heute nach Hause.
Auf den Gipfel treibt das dieser zuerst harmlos erscheinende
Beispielsatz:
Es klappert die Mühle am rauschenden Bach.
"Es" hat hier überhaupt keine Funktion als Satzglied, es ist allein
ein Füllwort um das Verb auf die zweite Stelle zu schieben (und
verschwindet spurlos bei der Umstellprobe: Die Mühle klappert am
rauschenden Bach).
Es bietet sich der Gedanke an, dass das Verb im Deutschen eigentlich
fest am Satzende steht und nur (der finite Teil) in Hauptsätzen
nach vorne wandert, um den dort geltenden Zweitstellungszwang zu
befriedigen.
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Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de