Post by Manfred HoÃPost by Till WaltherJoseph Kardinal Ratzinger, heißt es ständig. Das ist wie Otto Graf
Lambsdorff. Gehört die Bezeichnung Kardinal auch zum Namen wie der
Grafentitel?
Meines Erachtens gehört bereits Graf nicht zum Namen. Ebensowenig wie
Freiherr, Baron oder alle anderen Adelstitel.
Das deutsche Namensrecht ist nicht deiner Meinung. Nach bundesdeutschem
Zivilrecht gibt es seit 1919 keine Adelsprädikate mehr (bzw. niemand kann
erzwinhgen, dass er so genannt wird, oder aus einem Adelsprädikat
Vorrechte ableiten etc.). Die alten Adelsprädikate wurden rechtlich
Namensbestandteile.
Im Langtext: Nach 1918 verlor Graf Kasimir von Tutundtaugtnix (er hieß also
mit Vornamen "Kasimir", mit Nachnamen "von Tutundtaugtnix" und trug als
ältester männlicher Erbe seines Stmmes den Titel ""Graf", der seinem
fernen Vorfahren von Heinrich dem Heizbaren anno dunnemals verliegen
worden war) seinen Titel, durfte ihn aber als Bestandteil des Namens
weiterführen und hieß fortan mit Vornamen "Kasimir" und mit Nachnamen
"Graf von Tutundtaugtnix". Es wurde sogar ein Prozess bis zum
Reichsgericht geführt, mit dem eine Frau eines ehemals Adeligen
durchsetzte, dass diese zwar zum Namensbestandteil degradierten Prädikate
dennoch geschlechtsspezifisch geführt werden (die wollte also "Thusnelda
Gräfin von Tutundtaugtnix" heißen, nicht aber "Thusnelda Graf von
Tutundtaugtnix", was bei konsequenter Interpretation dieses Verfahrens
nahegelegen hätte). Das hat ihr in den 20er Jahren das Reichgericht denn
auch gestattet.
Immerhin heißen aber nunmehr alle Kinder des Paares "Graf" bzw. "Gräfin" -
nicht nur der älteste Sohn erbt den Titel, und zwar erst nach dem Tode des
Papas, sondern alle Kinder. Und auch Männer, die den Namen ihrer mit
Adelsprädikat gesegneten Frau übernehmen, werden plötzlich auf dem
Personalausweis "Graf" oder "Freiherr", auch wenn sie vom Plebs abstammen.
Natürlich muss sich niemand im alltäglichen Sprachgebrauch daran halten.
Und ganz gewiss sehen Adelsverbände (ja, die gibts druchaus weiterhin)
einen erheirateten Namen "Graf von Soundso" in gar keiner Weise als
Adelstitel an. Hier kannst du ein bissl weiterlesen, was Blaubluts dazu
meinen: http://www.adelsrecht.de/
Insbesondere die gelbe Presse redet weiterhin von "Prinz Ernst-August von
Hannover" anstatt, wie es formal korrekt wäre, von "Ernst August Prinz von
Hannover". Allerdings dürfte er vor Gericht, wenn er nochmal dort
auftreten muss, so genannt werden. Und ebenso natürlich gilt all dies nur
im bundesdeutschen Recht - Charles Windsor ist dennoch "Prince of Wales"
und heißt nicht nur so; andererseits ist es im Österreichischen noch
härter - die haben alle Titel verloren (was aber keinen österreichischen
Hotelportier daran hindert, jeden Gast mit "Herr Baron" anzusprechen ;-) )
Warum Kardinäle ebenfalls so herum bezeichnet werden, ist mir nicht ganz
klar. Standesrechtlich (wenn man alte Standes- und Rangordnungen beachtet)
sind sie den Fürsten gleichgestellt (eben "Kirchenfürsten"), allerdings
sind sie eben nicht Fürsten deutschen Rechts (denn die gibts nicht mehr),
sondern Fürsten nach vatikanischem Recht. Insofern hätte man den nun zum
Papst Gewählten auch mit "Kardinal Joseph Ratzinger" statt mit "Joseph
Kardinal Ratzinger" bezeichnen können. Allerdings benutzt auch der Vatikan
selber die andere Form; hier zitiert von
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/elezione/index_ge.htm
angekündigt wird dort, man habe "Dominum Josephum
Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Ratzinger" gewählt.
Diedrich
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