Ich bin nichts, wenn nicht skeptisch.
"Ich bin sicher, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen"
klingt nicht danach.
Und ich kenne wenige, die ihre
Überzeugungen mit solcher Selbstgewißheit vortragen wie Du.
Danke, das ist auch OK so. Ich denke aber nicht, auf einer richtigen
Seite zu stehen, weil ich grundsätzlich nicht davon ausgehe dass es
richtige oder falsche Seiten geben kann.
Die "Geschichte" kommt in meine Aussage u.a. deswegen hinein, weil ich
bei meinen Thesen eine ziemlich krasse Altersschichtung sehe - viel mehr
als eine nach Geschlecht. Heftiger Widerspruch zu meinen Thesen kommt
fast nur von Leuten, die älter sind als ich, und von jungen Leuten kommt
nicht selten nur ein achselzuckendes "ja, klar".
Nach den biologischen Merkmalen der Gesinnungsgenossen zu urteilen ist
eine eher schlichte Form des Erkenntnisgewinns. Dass die Anhänger einer
neuen Ideologie tendenziell jünger sind und ihrer Kritiker oft
fortgeschrittenen Alters liegt in der Natur der Sache, aber bedeutet
nichts. Es gilt für jede Ideologie zu Beginn ihrer Verbreitung, auch
für die beklopptesten. Außerdem ist der Feminismus nicht neu, deswegen
irrst du dich wahrscheinlich bei deiner Wahrnehmung.
Aber wenn Du es
tust, mußt Du Dich entscheiden, wie Du den Bezug auf Personen
unbestimmten Geschlechts vornimmst.
Ich treffe keine bewusste Entscheidung, sondern schreibe einfach meine
Muttersprache und ignoriere jegliche Aufforderungen, einen Dialekt zu
schreiben den ich nicht aktiv beherrsche.
Umgekehrt fordere ich niemanden zu etwas auf. Um das etwas zu
verdeutlichen: Ich fordere weder dich noch sonstwen auf, nicht
Politischkorrekt zu schreiben. Von mir aus kannste das machen, es geht
mich nichts an. Aber umgekehrt geht es dich nichts an, wie ich
schreibe, und bitte das zu respektieren und mir da nicht reinzureden
oder damit irgendwelche Vorwürfe oder Schmähungen zu verbinden oder
böse Motive zu unterstellen.
oder "Lehrer und Lehrerinnen" wie 2000 üblicher,
oder "Lehrer*innen", wie 2020 vermehrt vorgeschlagen.
Abgesehen davon dass ich den politischkorrekten Dialekt des Deutschen
leidlich passiv, aber nicht aktiv beherrsche, gibt es ein zweites und
wichtigeres Motiv:
Das eigentliche Signal dieser Sprache ist ja: "Guck her ich bin
feministisch". Es wäre mir extrem unangenehm, wenn das irgendwer von
mir denken würde, deswegen vermeide ich es aufs peinlichste. Es wäre
mir so peinlich, wie Kleidung von "Thor Steinar" tragen zu müssen,
deren eigentliche Aussage ja auch keine modische ist.
Und ich fürchte genau das ist es was die Politischkorrekten so auf die
Palme bringt: Dass jemand offen nicht ihrer Ideologie zustimmt.
Potzblitz!
Ich habe nie gesagt, es sei nicht legitim sei, nur daß man sich nicht
aus der Verantwortung stehlen kann für alles, was man tut oder läßt.
Sicher, aber andere Leute sehen das was du forderst als
verantwortungslos an und kommen deswegen zum gegenteiligen Schluss. Das
sind keine bösen Menschen, die haben nur andere Wahrnehmungen und
Wertvorstellungen. Das solltest du zur Kenntnis nehmen.
Ich weise Deine als Vorwurf gemeinte Aussage, ich verträte eine
Ideologie, ja nur deshalb nicht zurück, weil ich davon ausgehe, daß fast
jeder eine Ideologie vertritt. Du ganz ohne Zweifel.
Ich benutze das Wort "Ideologie" synonym zu "Konservendosendenken",
meint ein religionsähnlich geglaubtes politisches Weltbild, das zwar in
sich logisch geschlossen ist aber nicht an der Realität überprüft wird,
dessen geschlossene Struktur gegen Kritik immunisiert, und das
Andersdenkende als Feinde bekämpft.
Ich denke nicht dass jeder Mensch so denkt, sondern nur eine kleine
Teilmenge. Bestimmte politische Glaubenssysteme sind von vornherein
darauf konstruiert dass sie religionsähnlich funktionieren, aber
grundsätzlich eignet sich jede politische Philosophie zur
Ideologisierung in dieser Bedeutung des Wortes.
Feminismus heißt, daß man dagegen ist, daß Frauen benachteiligt werden,
nur weil sie Frauen sind.
Nach der Definition wär ich auch Feminist. Der sagt und tut schon noch
ein bisschen mehr als nur das, und einiges davon ist nicht so schön,
deswegen scheint sie mir nicht hinreichend.
Das ist keine repressive, sondern eine antirepressive Zielsetzung.
Definitionen dürfen keine Wertung enthalten, sonst sind sie
unbrauchbar.
"Der X-Ismus will doch das Gute, deshalb gehören alle schrecklichen
Begleiterscheinungen des X-Ismus per Definition nicht dazu." ist eine
schon etwas abgenutzte Rhetorikfinte, für die wir leider Punkte
abziehen müssen.
--
Emerging from below past Nollendorfplatz
http://www.wschwanke.de/ http://www.fotos-aus-der-luft.de/
usenet_20031215 (AT) wschwanke (DOT) de