Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)Post by Andreas KarrerIch fand's auch schlimm, als unser Sohn im Frühkindergarten fast
nur mit Einwandererkindern zusammen war und deren Sprache
angenommen hat. [...]
Aber das war nur eine Phase, in der Zwischenzeit spricht er
praktisch fehlerloses Schweizerdeutsch und dieses Hochdeutsch nur,
wenn er muss.
Irgendwie hab ich gedacht, dass jeder das :-) mitdenken würde. Dann
liefere ich das jetzt halt nach.
In Wirklichkeit lernte unser Sohn einfach zum Schweizerdeutsch hinzu
quasi-gleichzeitig Hochdeutsch, und wenn er Dinge für sich aus dem
Kindergarten nachspielte, hat er das auf Hochdeutsch getan. In der
Zwischenzeit sprachen unsere Kinder untereinander den Krassdialekt
(seihe unten), den sie von ihrer Mutter gelernt haben, mit mirr
sprachen sie Zürichdeutsch, und ihre hochdeutsche Aussprache ist viel
besser, als meine in diesem Alter war.
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)Wie habt ihr das hinbekommen? In Österreich fällt (nicht nur) mir
auf, dass immer mehr junge Menschen (zur Zeit bis hinauf zum
Abi-Alter) einen fürchterlich norddeutsch klingenden Akzent
sprechen. Die Ursache dafür dürfte hauptsächlich bei YouTube zu
finden sein, und das gibt's in der Schweiz ja in gleichem Ausmaß.
Der Unterschied ist, dass in der Schweiz fast immer Dialekt gesprocehn
wird und es kein Kontinuum Dialekt-Umgangssprache-Hochdeutsch gibt. Ein
Schweizer weiss immer, ob er einen Satz auf Schweizerdeutsch oder auf
Hochdeutsch sagt. Genauer: Es gibt zwei Kontinuümmer:
1) Krassdialekt-Zahmdialekt-"Honoratiorenschweizerdeutsch"
2) "DeutschWieEsEmilSprach"-Schulhochdeutsch-ImitierteDeutscheUmgangssprache-Fastschonrichtighochdeutsch
aber dazwischen gibt es nichts.
- Krassdialekt ist z.B. das Walserdeutsch meiner Frau. Wenn sie das
mit den wenigen Leuten aus dem Tal spricht, kommen in beinahe jedem
Satz Wörter und Wendungen vor, die ein Zürcher nicht versteht oder
nur erahnt, was sie bedeuten. Fast alle Krassdielaktsprecher sind
sich dessen bewusst und vermeiden solche Wendungen, wenn sie mit
anderen Schweizern sprachen.
- Zahmdialekt ist, was man in Zürich, Basel, Bern so spricht. Diese
Dialekte hört man in Radio und Fernsehen sehr oft und alle Schweizer
verstehen sie problemlos.
- "Honoratiorenschweizerdeutsch" (eine Adhoc-Analogbildung zu
Honoratiorenschwäbisch) sprechen manche Politiker oder
Wirtschaftsbosse, wenn sie öffentlich sprechen und meinen, dass
Schweizerdeutsch nicht vornehm genug sei. Eigentlich wechseln sie
mitten im Satz zwischen Schweizerdeutsch und Hochdeutsch, sehr oft
wechseln sie ins Hochdeutsche, um etwas zu bekräftigen. Hört man
nur noch selten.
- "DeutschWieEsEmilSprach" ist dieses Deutsch, das Emil sprach, wenn
er im Deutschen Fernsehen auftrat. Extremer schweizerischer Akzent,
viele Dialektwörter. (Damit ist *nicht* Emils Schweizerdeutsch
gemeint, dieser fällt unter Zahmdialekt.)
- Schulhochdeutsch ist, was man in der Schule im Unterrischt spricht
und wie Politiker im Parlament reden. Deutlicher schweizerischer
Akzent, viele Helvetismen, schweizerdeutsche Sprechmelodie, kaum
Kehlkopfverschlusslaute, kaum stimmhafte Konsonanten.
- ImitierteDeutscheUmgangssprache ist, was Schweizer Kinder heute
von Unge, Bam, Gronkh und Konsorten lernen. Sie lernen dabei nicht
die Abstufungen, die man in D zwischen Dialekt-dialektnaher
Umgangssprache-Hochsprache macht und nicht die soziale Einordnung
dieser Abstufungen.
- Fastschonrichtighochdeutsch ist, was Hazel Brugger spricht, wenn sie
Deutsch spricht, oder die Tagesschausprecherin Katja Stauber. Beide
haben deutsche Eltern(teile), was sie sprechen, ist für die meisten
Schweizer reines Hochdeutsch. In D wird man aber immer noch
eine schweizerische oder zumindest süddeutsche Färbung
wahrnehmen. In der Schweiz kommt das nicht immer gut an; Katja
Stauber verabschiedet sich am Ende der Tagesschau deshalb mit "uf
widerluege", damit die Zuschauer hören, dass sie auch
Schweizerdeutsch kann.
- Andi