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Abstrakta als Objekte ohne Artikel
(zu alt für eine Antwort)
Matthias Opatz
2018-01-09 12:51:57 UTC
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Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.

Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?

Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um Manfred Krug)
"an der Abendschule Abitur machen" geändert hat in "an der Abendschule
*das* Abitur machen". Das geht natürlich auch, aber die Änderung legt nahe,
vorher wäre es falsch oder stilistisch schlechter gewesen. War es das?

Matthias
Jakob Achterndiek
2018-01-09 13:18:33 UTC
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Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das - ohne
Artikel - arg umgangssprachlich?
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um
Manfred Krug) "an der Abendschule Abitur machen" geändert hat
in "an der Abendschule *das* Abitur machen". Das geht natürlich
auch, aber die Änderung legt nahe, vorher wäre es falsch oder
stilistisch schlechter gewesen. War es das?
Bei "Abitur machen" assoziiert der Wissende immerhin "seinen
Abgang machen"; das paßt dann mit und ohne Artikel.

Aber "Abitur ablegen" ist nun wirklich arg schräg! Das hat
sich vermutlich vermischt mit "seine Abschlußprüfung ablegen".
Das ist zwar auch nicht wirklich schön, aber geläufig insofern,
als eigentlich "absolvieren" gemeint ist.
--
j/\a
Detlef Meißner
2018-01-09 13:22:30 UTC
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Post by Jakob Achterndiek
Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das - ohne
Artikel - arg umgangssprachlich?
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um
Manfred Krug) "an der Abendschule Abitur machen" geändert hat
in "an der Abendschule *das* Abitur machen". Das geht natürlich
auch, aber die Änderung legt nahe, vorher wäre es falsch oder
stilistisch schlechter gewesen. War es das?
Bei "Abitur machen" assoziiert der Wissende immerhin "seinen
Abgang machen"; das paßt dann mit und ohne Artikel.
Aber "Abitur ablegen" ist nun wirklich arg schräg!
Ja, klingt so, als hätte jemand seine Bildung abgelegt, vielleicht an
der Garderobe.

Detlef
Heinz Lohmann
2018-01-10 12:18:34 UTC
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Post by Jakob Achterndiek
Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das - ohne
Artikel - arg umgangssprachlich?
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um
Manfred Krug) "an der Abendschule Abitur machen" geändert hat
in "an der Abendschule *das* Abitur machen". Das geht natürlich
auch, aber die Änderung legt nahe, vorher wäre es falsch oder
stilistisch schlechter gewesen. War es das?
Bei "Abitur machen" assoziiert der Wissende immerhin "seinen
Abgang machen"; das paßt dann mit und ohne Artikel.
Aber "Abitur ablegen" ist nun wirklich arg schräg! Das hat
sich vermutlich vermischt mit "seine Abschlußprüfung ablegen".
Das ist zwar auch nicht wirklich schön, aber geläufig insofern,
als eigentlich "absolvieren" gemeint ist.
Sein "Abitur erwerben" ist auch nicht selten.
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Jakob Achterndiek
2018-01-10 13:26:41 UTC
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Post by Heinz Lohmann
Sein "Abitur erwerben" ist auch nicht selten.
Das habe ich noch nie gehört. Da die Abitur-Prüfung als streng
reglementierter Abschluß nie und nirgends käuflich war, wäre
das ein boshafter Mißbrauch des Verbs.

Mir fällt allerdings aus dem Faust-Monolog vor Ostern ein:
| Was du ererbt von deinen Vätern hast:
| Erwirb es, um es zu besitzen.
Man spricht ja auch von "Wissens-Erwerb". Aber das Abgangszeugnis
ist nur ein Zeugnis über erworbenes Wissen und selbst also nicht
erwerbbar.
--
j/\a
Heinz Lohmann
2018-01-11 00:55:53 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Heinz Lohmann
Sein "Abitur erwerben" ist auch nicht selten.
Das habe ich noch nie gehört. Da die Abitur-Prüfung als streng
reglementierter Abschluß nie und nirgends käuflich war, wäre
das ein boshafter Mißbrauch des Verbs.
| Erwirb es, um es zu besitzen.
Man spricht ja auch von "Wissens-Erwerb". Aber das Abgangszeugnis
ist nur ein Zeugnis über erworbenes Wissen und selbst also nicht
erwerbbar.
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Jakob Achterndiek
2018-01-11 08:54:08 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
Das ist wie mit Münzen und Geldscheinen: Wenn mir nichts Besseres
geboten wird (und davon gehe ich bei justiz- und behörden-affiner
Sprache aus), dann würde ich es akzeptieren.
;)
--
j/\a
Christina Kunze
2018-01-11 09:02:46 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
Das ist wie mit Münzen und Geldscheinen: Wenn mir nichts Besseres
geboten wird (und davon gehe ich bei justiz- und behörden-affiner
Sprache aus), dann würde ich es akzeptieren.
;)
Bedeutet denn erwerben immer nur "mit Geld bezahlen"?
Kann es nicht auch "durch eigenen Einsatz erringen" bedeuten?

(Wie teuer waren denn meine erworbenen Reflexe?)

Man kann sich z.B. jemandes Zuneigung erwerben, indem man sich irgendwie
verhält, oder lehnst Du diesen Wortgebrauch ab?

chr
Jakob Achterndiek
2018-01-11 09:53:10 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Post by Jakob Achterndiek
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
Das ist wie mit Münzen und Geldscheinen: Wenn mir nichts Besseres
geboten wird (und davon gehe ich bei justiz- und behörden-affiner
Sprache aus), dann würde ich es akzeptieren.
Bedeutet denn erwerben immer nur "mit Geld bezahlen"?
Kann es nicht auch "durch eigenen Einsatz erringen" bedeuten?> (Wie teuer waren denn meine erworbenen Reflexe?)
Das "erringen" kann schon wieder auf eine falsche Fährte führen,
weil es mit Kampf und Gewalt konnotiert. "Erwerben" dagegen bedeutet,
durch eine Gegenleistung in Besitz zu kommen. Diese Gegenleistung
muß nicht aus Geld, sondern kann auch aus Arbeit, Fleiß, Ausdauer
(u.a. bei der Einübung von Reflexen) und Ähnlichem bestehen.
Post by Christina Kunze
Man kann sich z.B. jemandes Zuneigung erwerben, indem man sich
irgendwie verhält, oder lehnst Du diesen Wortgebrauch ab?
Ja, kann man; also nein, lehne ich nicht ab. Es muß nur irgend eine
positive Gegenleistung im Spiel sein, die über die bloße Existenz
hinausgeht.
--
j/\a
Andreas Karrer
2018-01-11 09:59:51 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Post by Jakob Achterndiek
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
Das ist wie mit Münzen und Geldscheinen: Wenn mir nichts Besseres
geboten wird (und davon gehe ich bei justiz- und behörden-affiner
Sprache aus), dann würde ich es akzeptieren.
;)
Bedeutet denn erwerben immer nur "mit Geld bezahlen"?
Kann es nicht auch "durch eigenen Einsatz erringen" bedeuten?
Das kann es schon, und wenn das in einem Roman oder so in einem
Zusammenhang steht, ist es auch richtig.

Aber bei einer News-Website oder in einer Zeitung ist das Publikum
durch diverse Vorfälle von gekauften oder abgeschriebenen
Doktorarbeiten darauf konditioniert, es pekuniär zu verstehen. Das
überschattet die andere Bedeutung und man wird die Formulierung
tunlichst vermeiden.

Ich weiss jetzt nicht, ob man Abiture kaufen kann. Sind die billiger
als Doktorarbeiten?

- Andi
Jakob Achterndiek
2018-01-11 11:37:11 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Ich weiss jetzt nicht, ob man Abiture kaufen kann. Sind die billiger
als Doktorarbeiten?
Meinst du jetzt die ganze Prüfung oder nur das Zeugnis?

Für die Prüfung müßtest du ein ganzen Prüfungskollegium kaufen;
das wäre, wenn es denn überhaupt gelänge, sicher extrem teuer.
Das Zeugnis allein wäre billiger; denn das wäre doch nur ein
Bogen Papier mit ein paar gefälschten Unterschriften und Stempeln.
--
j/\a
Andreas Karrer
2018-01-11 12:53:48 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Andreas Karrer
Ich weiss jetzt nicht, ob man Abiture kaufen kann. Sind die billiger
als Doktorarbeiten?
Meinst du jetzt die ganze Prüfung oder nur das Zeugnis?
Für die Prüfung müßtest du ein ganzen Prüfungskollegium kaufen;
Das dürfte ein unsicherer Weg sein. Eine Person bestechen geht, bei
zehnen müsste man schon sehr viel Geld in die Hand nehmen, um zu
verhindern, dass einer singt.

In der Schweiz wird die Matura (Abi) normalerweise im Gymnasium
abgelegt, in dem man zur Schule gegangen ist. Es gibt eine schriftliche
Prüfung, dazu in mehreren Fächern eine mündliche, bei der man
von zwei Lehrern der Schule geprüft wird -- die ihre Schüler natürlich
kennen und die auch die Maturaarbeit betreut haben. Da sehe ich geringe
Chancen für Mogeleien.

Man kann aber auch die sog. Eidgenössische Matura machen: Eine
Maturaarbeit einreichen, mündliche und schriftliche Prüfungen an
einem zentralen Ort ablegen. Wie man sich vorbereitet, ist dem
Prüfling überlassen. Die Examinatoren kennen die Prüflinge nicht.
In D gibt es offenbar je nach Land etwas ähnliches:
Nichtschülerabiturprüfung, Externenprüfung, ausserschulisches
Abitur.

Die Maturaarbeit könnte man kaufen -- man unterschreibt zwar, dass man
sie selbständig gemacht hat, aber wer kann das überprüfen? Wie die
Identität bei der mündlichen und schriftlichen Prüfungen überprüft
wird, weiss ich nicht, aber wahrscheinlich könnte man jemanden
hinschicken, der einem genügend ähnlich sieht.


- Andi
Bertel Lund Hansen
2018-01-11 11:43:48 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Ich weiss jetzt nicht, ob man Abiture kaufen kann.
Erster Treffer von Google:
https://berufszertifikate-und-diplome.teleclip.net/abiturzeugnis-kaufen/
--
/Bertel - aus Dänemark
Frank Hucklenbroich
2018-01-11 12:26:04 UTC
Permalink
Post by Bertel Lund Hansen
Post by Andreas Karrer
Ich weiss jetzt nicht, ob man Abiture kaufen kann.
https://berufszertifikate-und-diplome.teleclip.net/abiturzeugnis-kaufen/
Nett!

Neben einem Deutschen Doktortitel haben die auch einen bayrischen
Fischereischein im Angebot.

Grüße,

Frank
x***@gmail.com
2018-01-11 14:06:17 UTC
Permalink
Post by Frank Hucklenbroich
Post by Bertel Lund Hansen
Post by Andreas Karrer
Ich weiss jetzt nicht, ob man Abiture kaufen kann.
https://berufszertifikate-und-diplome.teleclip.net/abiturzeugnis-kaufen/
Nett!
Neben einem Deutschen Doktortitel haben die auch einen bayrischen
Fischereischein im Angebot.
Der Karpfen ist
O obermäulig
O mittelmäulig
O untermäulig

FR
Diedrich Ehlerding
2018-01-11 15:13:47 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Bedeutet denn erwerben immer nur "mit Geld bezahlen"?
Kann es nicht auch "durch eigenen Einsatz erringen" bedeuten?
Ja. Hat es jedenfalls zu Goethes Zeiten auch bedeutet:

"Was du ererbt von deinen Vätern hast,
Erwirb es, um es zu besitzen."
--
pgp-Key (RSA) 1024/09B8C0BD
fingerprint = 2C 49 FF B2 C4 66 2D 93 6F A1 FF 10 16 59 96 F3
HTML-Mail wird ungeleſen entſorgt.
Heinz Lohmann
2018-01-11 12:20:54 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
Das ist wie mit Münzen und Geldscheinen: Wenn mir nichts Besseres
geboten wird (und davon gehe ich bei justiz- und behörden-affiner
Sprache aus), dann würde ich es akzeptieren.
Dann fällt DUSEN also auch der Erwerb von Fremdsprachkenntnissen durch
dieses Raster & durch?
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Jakob Achterndiek
2018-01-11 13:05:23 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Post by Jakob Achterndiek
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
Das ist wie mit Münzen und Geldscheinen: Wenn mir nichts Besseres
geboten wird (und davon gehe ich bei justiz- und behörden-affiner
Sprache aus), dann würde ich es akzeptieren.
Dann fällt DUSEN also auch der Erwerb von Fremdsprachkenntnissen
durch dieses Raster & durch?
Nein, das läuft auf der Schiene "etwas durch Leistung/Gegenleistung
sich aneignen.
--
j/\a
Heinz Lohmann
2018-01-12 01:28:24 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Heinz Lohmann
Post by Jakob Achterndiek
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
Das ist wie mit Münzen und Geldscheinen: Wenn mir nichts Besseres
geboten wird (und davon gehe ich bei justiz- und behörden-affiner
Sprache aus), dann würde ich es akzeptieren.
Dann fällt DUSEN also auch der Erwerb von Fremdsprachkenntnissen
durch dieses Raster & durch?
Nein, das läuft auf der Schiene "etwas durch Leistung/Gegenleistung
sich aneignen.
Und der Erwerb der Muttersprache?

Ich finde, du siehst das beim Erwerb von Fähigkeiten und Kenntnissen mit
der "Leistung/Gegenleistung" ein bisschen zu eng.

Zumindest "Spracherwerb" scheint mir doch ein üblicher Begriff zu sein.
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Jakob Achterndiek
2018-01-12 10:53:35 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Dann fällt DUSEN also auch der Erwerb von Fremdsprach-
kenntnissen durch dieses Raster & durch?
Nein, das läuft auf der Schiene "etwas durch
Leistung/Gegenleistung sich aneignen.
Und der Erwerb der Muttersprache? Ich finde, du siehst das
beim Erwerb von Fähigkeiten und Kenntnissen mit der
"Leistung/Gegenleistung" ein bisschen zu eng.
Zumindest "Spracherwerb" scheint mir doch ein üblicher Begriff.
zu sein
Dem will ich nicht widersprechen.
Ich halte das aber auch für verständlich und erklärbar: Deine
und meine Klientel waren (bzw. sind) unterschiedlich, und unsere
Lehr-Maximen mußten (bzw. müssen) sich auf diese unterschiedlichen
Klientelen einstellen.
Da wird auch die Kategorie des "Üblichen" erklärungsbedürftig:
Deine Studenten sollen die ihnen fremde Sprache nach Maßgabe des
in ihr Üblichen erlernen. Meine Schüler sollten (unter der Rubrik
der Stilistik) zusätzlich lernen, von Fall zu Fall das üblich
Gewordene zu hinterfragen und gegebenenfalls nach historischen
oder ästhetischen Gesichtspunkten zu differenzieren. Da ist dann
gelegentlich auf einer Ebene oberhalb der Gebrauchssprache (in
den Bereichen der Wissenschaft und der Poesie) das Unübliche das
Bessere.


Ich muß einräumen: Ich habe meine Maximen zu einer Zeit erlernt,
da der Anteil der Abiturienten und Studienanfänger bei 12 bis 15
Prozent eines Schülerjahrgangs lag. Die Ausweitung dieses Anteils
habe ich noch erlebt. Die daraus folgende Lehrplan-Revolution, die
Kompetenz-Huberei im Gefolge des Wolfgang Klafki und seiner Adepten,
ist erst nach meinem Ausscheiden in ihrer vollen Wucht losgebrochen.

Klafki selbst war ja Vorreiter einer wissenschaftlichen Massen-
produktion: 73 Dissertationen* hat er in seinen 40 Marburger Jahren
erstbetreut, dazu 19 Habilitationen in Marburg und weitere 10 als
auswärtiger Gutachter begleitet. Mir fällt kein dritter Aristoteles
mit so vielen Peripatetikern ein. ;)
-------------
* Das sind in fast jedem Semester eine! Allein die Findung eines
jedesmal neuen, wissenschaftlich anspruchsvollen Themas verdiente
als Bravourstück geistiger Beweglichkeit besondere Würdigung, die
ihm in Form eines Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse ja auch zuteil
geworden ist.
--
j/\a
x***@gmail.com
2018-01-13 14:31:23 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Ich muß einräumen: Ich habe meine Maximen zu einer Zeit erlernt,
da der Anteil der Abiturienten und Studienanfänger bei 12 bis 15
Prozent eines Schülerjahrgangs lag.
Doch so hoch? In der DDR wurden etwa 5 % dor Schölor zur
Erweiterten Oberschule (EOS; der Stadtbezirk Pankow z.B. hatte nur
zwei davon) "delegiert" und allen ideologischen Absichten
zum Trotze war die Mehrzahl derer bürgerlicher Abkunft.
Post by Jakob Achterndiek
Klafki selbst war ja Vorreiter einer wissenschaftlichen Massen-
produktion: 73 Dissertationen* hat er in seinen 40 Marburger Jahren
erstbetreut, dazu 19 Habilitationen in Marburg und weitere 10 als
auswärtiger Gutachter begleitet. Mir fällt kein dritter Aristoteles
mit so vielen Peripatetikern ein. ;)
-------------
* Das sind in fast jedem Semester eine! Allein die Findung eines
jedesmal neuen, wissenschaftlich anspruchsvollen Themas verdiente
als Bravourstück geistiger Beweglichkeit besondere Würdigung, die
ihm in Form eines Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse ja auch zuteil
geworden ist.
Naja, und danach werden die Themestellungen ja auch gewesen sein - FR,
der sich jetzt mit Greifswalder Kommilitonen trifft
Stefan Ram
2018-01-11 14:52:20 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
»Erwerben« ist in Zusammenhang mit Abitur und Hochschulreife
grundsätzlich als »machen« (und nicht als "kaufen") zu
verstehen:

»Sein Abitur erwerben« bedeutet, es zu machen, nicht zu kaufen.
»Ein Auto erwerben« bedeutet, es zu kaufen, nicht zu machen.

Der "Erwerb" des Abiturs im Sinn von "Kauf des Abiturs",
ist nur als ein bewußtes, scherzhaftes Wortspiel zu verstehen.
(Nur, wenn die Umstände darauf hinweisen, daß es so gemeint ist.)

Daher sind hier keine Mißverständnisse zu befürchten.
Allenfalls ist anzumerken, daß "das Abitur erwerben" im
Vergleich zu "das Abitur machen" und leicht gestelzt wirkt
und viel seltener verwendet wird.

In Reihenfolge abnehmender Häufigkeit: "das Abitur" ...

"machen",
"bestehen",
"ablegen",
"erwerben",
"absolvieren",
"erlangen".

Abzulehnen ist noch das Einfügen des redundanten
Unterwerfungsadverbs "erfolgreich" vor dem Verb.

Ferner gibt es: "... die Schule / das Gymnasium
mit dem Abitur abgeschlossen/beendet/verlassen/...".
Stefan Ram
2018-01-11 17:08:43 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
In Reihenfolge abnehmender Häufigkeit: "das Abitur" ...
"machen",
"bestehen",
"ablegen",
"erwerben",
"absolvieren",
"erlangen".
Ebenfalls selten: "bauen",
sehr sehr selten: "packen".

Weitere Beispiele mit "Abitur":
"das Abitur nachholen",
"die Schule bis zum Abitur durchlaufe",
"eine Klasse bis zum Abitur führen",
"eine Kombination von Abitur und Lehre",
"vor dem Abitur von der Schule abgehen".
Jakob Achterndiek
2018-01-11 18:39:49 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
*Erwerben* ist in Zusammenhang mit Abitur und Hochschulreife
grundsätzlich als »machen« (und nicht als "kaufen") zu
Das ist gut zu wissen!
Jetzt verstehe ich auch, warum wir um 1990 den volljährigen
Abiturienten zusammen mit dem Abiturzeugnis ein Formblatt der
Rentenversicherung aushändigen mußten, in das jene dann Daten
über ihren Schulbesuch eintragen sollten: Machen und malochen
fürs Abitur als *Erwerbs*tätigkeit --
»Sein Abitur erwerben« bedeutet, es zu machen, nicht zu kaufen.
»Ein Auto erwerben« bedeutet, es zu kaufen, nicht zu machen.
Das leuchtet ein. Aber jetzt doch noch eine ernst gemeinte Frage:
Wie ist in dem Film "Eins, Zwei, Drei" von Billy Wilder in den
Szenen, in denen der Mr. MacNamara durch den Bürosaal prescht,
der originale Wortlaut seines Befehls und vor allem: Wie ist
dessen Übersetzung mit "sitzen machen!" zu erklären?
--
j/\a
x***@gmail.com
2018-01-12 07:36:48 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
*Erwerben* ist in Zusammenhang mit Abitur und Hochschulreife
grundsätzlich als »machen« (und nicht als "kaufen") zu
Das ist gut zu wissen!
Jetzt verstehe ich auch, warum wir um 1990 den volljährigen
Abiturienten zusammen mit dem Abiturzeugnis ein Formblatt der
Rentenversicherung aushändigen mußten, in das jene dann Daten
über ihren Schulbesuch eintragen sollten: Machen und malochen
fürs Abitur als *Erwerbs*tätigkeit --
Oberschulbesuch, Militärdienst, Studium wurden dabei nach meiner
Kenntnis als "Ausfallzeit" gewertet - FR
U***@web.de
2018-01-12 08:34:29 UTC
Permalink
Moin,
Post by x***@gmail.com
Post by Jakob Achterndiek
*Erwerben* ist in Zusammenhang mit Abitur und Hochschulreife
grundsätzlich als »machen« (und nicht als "kaufen") zu
Das ist gut zu wissen!
Jetzt verstehe ich auch, warum wir um 1990 den volljährigen
Abiturienten zusammen mit dem Abiturzeugnis ein Formblatt der
Rentenversicherung aushändigen mußten, in das jene dann Daten
über ihren Schulbesuch eintragen sollten: Machen und malochen
fürs Abitur als *Erwerbs*tätigkeit --
Oberschulbesuch, Militärdienst, Studium wurden dabei nach meiner
Kenntnis als "Ausfallzeit" gewertet - FR
Im Beitrittsgebiet? Hier heißt das anders.

Gruß, ULF
x***@gmail.com
2018-01-12 09:39:58 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by x***@gmail.com
Post by Jakob Achterndiek
Jetzt verstehe ich auch, warum wir um 1990 den volljährigen
Abiturienten zusammen mit dem Abiturzeugnis ein Formblatt der
Rentenversicherung aushändigen mußten, in das jene dann Daten
über ihren Schulbesuch eintragen sollten: Machen und malochen
fürs Abitur als *Erwerbs*tätigkeit --
Oberschulbesuch, Militärdienst, Studium wurden dabei nach meiner
Kenntnis als "Ausfallzeit" gewertet
Im Beitrittsgebiet? Hier heißt das anders.
Und zwar wie?
Mein Gott, muß ich Euch denn immer die Würmer aus der Nase ziehen - FR
U***@web.de
2018-01-12 14:45:35 UTC
Permalink
Post by x***@gmail.com
Post by U***@web.de
Post by x***@gmail.com
Post by Jakob Achterndiek
Jetzt verstehe ich auch, warum wir um 1990 den volljährigen
Abiturienten zusammen mit dem Abiturzeugnis ein Formblatt der
Rentenversicherung aushändigen mußten, in das jene dann Daten
über ihren Schulbesuch eintragen sollten: Machen und malochen
fürs Abitur als *Erwerbs*tätigkeit --
Oberschulbesuch, Militärdienst, Studium wurden dabei nach meiner
Kenntnis als "Ausfallzeit" gewertet
Im Beitrittsgebiet? Hier heißt das anders.
Und zwar wie?
Anrechnungszeiten.
Post by x***@gmail.com
Mein Gott,
Namensanrede reicht völlig.
Post by x***@gmail.com
muß ich Euch denn immer die Würmer aus der Nase ziehen - FR
Gugeln wäre schneller gegangen, daher gibt's hier
auch keinen Linkbeleg.

Gruß, ULF
x***@gmail.com
2018-01-13 14:13:58 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by x***@gmail.com
Post by U***@web.de
Post by x***@gmail.com
Post by Jakob Achterndiek
Jetzt verstehe ich auch, warum wir um 1990 den volljährigen
Abiturienten zusammen mit dem Abiturzeugnis ein Formblatt der
Rentenversicherung aushändigen mußten, in das jene dann Daten
über ihren Schulbesuch eintragen sollten: Machen und malochen
fürs Abitur als *Erwerbs*tätigkeit --
Oberschulbesuch, Militärdienst, Studium wurden dabei nach meiner
Kenntnis als "Ausfallzeit" gewertet
Im Beitrittsgebiet? Hier heißt das anders.
Und zwar wie?
Anrechnungszeiten.
Verweis auf § 1259 RVO, § 36 AVG, § 57 AKG in den Fassungen bis
1991
Post by U***@web.de
Post by x***@gmail.com
Mein Gott
Namensanrede reicht völlig.
Post by x***@gmail.com
muß ich Euch denn immer die Würmer aus der Nase ziehen?
Gugeln wäre schneller gegangen, daher gibt's hier
auch keinen Linkbeleg.
Ej, Alterchen, Du bist ma viel su blöde - FR
Hartmut Kraus
2018-01-12 02:20:24 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
»Sein Abitur erwerben« bedeutet, es zu machen, nicht zu kaufen.
»Ein Auto erwerben« bedeutet, es zu kaufen, nicht zu machen.
Also wenn ich mir das richtig überlege, ist "erwerben" doch in jedem
Fall vollkommener Käse. Was hat das mit "werben" zu tun? Das wäre ja
toll: Ich kriege alles, wenn ich nur richtig drum werbe!
--
http://www.hkraus.eu/
Hartmut Kraus
2018-01-12 02:21:53 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
»Erwerben« ist in Zusammenhang mit Abitur und Hochschulreife
grundsätzlich als »machen« (und nicht als "kaufen") zu
Also wenn ich mir das richtig überlege, ist "erwerben" doch in jedem
Fall vollkommener Käse. Das wäre ja toll: Ich kriege alles, wenn ich nur
richtig drum werbe!
--
http://www.hkraus.eu/
Hartmut Kraus
2018-01-12 02:16:40 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Wäre "die Hochschulreife erwerben" akzeptabel?
Denke schon. Aber nicht, sie dann wieder abzulegen. :-)
--
http://www.hkraus.eu/
Andreas Karrer
2018-01-10 13:55:14 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Sein "Abitur erwerben" ist auch nicht selten.
... aber heute, da Politiker Doktortitel kaufen, arg missverständlich.

Vielleicht haben sie ja auch früher Doktortitel oder Abiture gekauft,
oder halbe Doktorarbeiten plagiiiert, aber man hat es mangels Internet
nicht herausgefunden.

"erwirb es, um es zu besitzen".

- Andi
Bertel Lund Hansen
2018-01-10 14:55:22 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Vielleicht haben sie ja auch früher Doktortitel oder Abiture gekauft,
oder halbe Doktorarbeiten plagiiiert, aber man hat es mangels Internet
nicht herausgefunden.
Das war wohl auch mangels Internet schwieriger?
--
/Bertel - aus Dänemark
x***@gmail.com
2018-01-10 16:20:11 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Post by Heinz Lohmann
Sein "Abitur erwerben" ist auch nicht selten.
... aber heute, da Politiker Doktortitel kaufen, arg missverständlich.
Vielleicht haben sie ja auch früher Doktortitel oder Abiture gekauft,
oder halbe Doktorarbeiten plagiiiert, aber man hat es mangels Internet
nicht herausgefunden.
Am Orte meines Heranwachsens flog sogar ein Chefarzt auf, der weder
Abitur noch Medizin studiert hatte - er war, wie ein Oberarzt herausfand,
im Kriege als Sanitäter OP-Helfer eines bekannten Chirurgen gewesen
und hatte sich gewand das Handwerk angeeignet.

FR
Gunhild Simon
2018-01-15 13:46:30 UTC
Permalink
Am Mittwoch, 10. Januar 2018 17:20:12 UTC+1 schrieb ***@gmail.com:

... hatte sich gewand das Handwerk angeeignet.
^

Ich würde hier "gewandt" bevorzugen.

Guß
Gunhild
x***@gmail.com
2018-01-15 16:00:06 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
... hatte sich gewand das Handwerk angeeignet.
Ich würde hier "gewandt" bevorzugen.
Ick nüsch - FR
Dorothee Hermann
2018-01-15 17:38:38 UTC
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Post by x***@gmail.com
Post by Gunhild Simon
... hatte sich gewand das Handwerk angeeignet.
Ich würde hier "gewandt" bevorzugen.
Ick nüsch - FR
... und hochmütig wandelte er in seinem Rittergewand von dannen!


Dorothee
Heinz Lohmann
2018-01-16 00:55:32 UTC
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Post by Dorothee Hermann
Post by x***@gmail.com
Post by Gunhild Simon
... hatte sich gewand das Handwerk angeeignet.
Ich würde hier "gewandt" bevorzugen.
Ick nüsch - FR
... und hochmütig wandelte er in seinem Rittergewand von dannen!
Ritter Fips?

Der ist macnhmal in ganz anderen Schwierigkeiten:

Ritter Fips und sein anderes Ende

Es stand an seines Schlosses Brüstung
der Ritter Fips in voller Rüstung.

Da hörte er von unten Krach
und sprach zu sich: "Ich schau mal nach!"
und lehnte sich in voller Rüstung
weit über die erwähnte Brüstung.

Hierbei verlor er alsobald
zuerst den Helm und dann den Halt,
wonach -verfolgend stur sein Ziel-
er pausenlos bis unten fiel.
Und hier verlor er durch sein Streben
als drittes nun auch noch sein Leben,
an dem er ganz besonders hing ---!

Der Blechschaden war nur gering...

Schlussfolgerung:
Falls fallend Du vom Dach verschwandest,
so brems, bevor Du unten landest.
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Stefan Ram
2018-01-10 15:02:43 UTC
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Post by Heinz Lohmann
Sein "Abitur erwerben" ist auch nicht selten.
Ich fand die Phrase hier in meinem Korpus jetzt selten,
aber in den wenigen Fällen hieß es immer entweder "sein"
("mein", "dein", ...) "Abitur machen" oder "das Abitur machen".

Eine artikellose Verwendung fand ich nicht.
Christina Kunze
2018-01-09 21:06:34 UTC
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Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um Manfred Krug)
"an der Abendschule Abitur machen" geändert hat in "an der Abendschule
*das* Abitur machen". Das geht natürlich auch, aber die Änderung legt nahe,
vorher wäre es falsch oder stilistisch schlechter gewesen. War es das?
Interessant.
Mit "machen" stört es mich nicht, das ist doch ziemlich ugs.
Mit "ablegen" würde ich auf alle Fälle den Artikel benutzen.

chr
Martin Gerdes
2018-01-10 23:24:38 UTC
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Post by Christina Kunze
Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um Manfred Krug)
"an der Abendschule Abitur machen" geändert hat in "an der Abendschule
*das* Abitur machen". Das geht natürlich auch, aber die Änderung legt nahe,
vorher wäre es falsch oder stilistisch schlechter gewesen. War es das?
Interessant.
Mit "machen" stört es mich nicht, das ist doch ziemlich ugs.
Mit "ablegen" würde ich auf alle Fälle den Artikel benutzen.
MUSE kann alle möglichen Prüfungsarten durchprobieren, mit "machen"
kommt ihm die Form ohne Artikel stets gängiger vor, wenngleich Artikel
immer möglich ist:

Führerschein machen
Examen machen
Zwischenprüfung machen

"Wann machst Du Zwischenprüfung?"
gegenüber
"Wann machst Du die Zwischenprüfung?"

Mit "ablegen" sollte der Artikel dazu.
H.-P. Schulz
2018-01-10 13:20:53 UTC
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Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um Manfred Krug)
"an der Abendschule Abitur machen" geändert hat in "an der Abendschule
*das* Abitur machen". Das geht natürlich auch, aber die Änderung legt nahe,
vorher wäre es falsch oder stilistisch schlechter gewesen. War es das?
Ja, - aber das ist schon ein bisschen subtil.

Abendschule bietet auch andere Abschlüsse: Die Mittere Reife
(Reachuabschluss), Das Fachabitur ...

"Er hat auf der Abendschule das Abitur gemacht." ist musen stilistisch
etwas genauer als ohne Artikel.
Nicht selten ist auch das Possesivpronomen statt des Artikels.
Stefan Schmitz
2018-01-11 22:15:08 UTC
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Post by H.-P. Schulz
Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um Manfred Krug)
"an der Abendschule Abitur machen" geändert hat in "an der Abendschule
*das* Abitur machen". Das geht natürlich auch, aber die Änderung legt nahe,
vorher wäre es falsch oder stilistisch schlechter gewesen. War es das?
Ja, - aber das ist schon ein bisschen subtil.
Abendschule bietet auch andere Abschlüsse: Die Mittere Reife
(Reachuabschluss), Das Fachabitur ...
"Er hat auf der Abendschule das Abitur gemacht." ist musen stilistisch
etwas genauer als ohne Artikel.
Und warum findest du das besser?

MUSE würde auf den Artikel am ehesten dann verzichten, wenn das Abitur noch in
der Zukunft liegt.
H.-P. Schulz
2018-01-12 16:16:05 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by H.-P. Schulz
"Er hat auf der Abendschule das Abitur gemacht." ist musen stilistisch
etwas genauer als ohne Artikel.
Und warum findest du das besser?
Wenn ich subtil sein wollte:

Abitur - ohne Artikel - macht man mit ~18 auf einem Gymnasium o.s.ä.

Alle anderen Abiture sind solche mit Artikel.

Jetzt klarer? ;-))
Jakob Achterndiek
2018-01-13 13:23:22 UTC
Permalink
Post by H.-P. Schulz
Abitur - ohne Artikel - macht man mit ~18 auf einem Gymnasium o.s.ä.
Alle anderen Abiture sind solche mit Artikel.
Jetzt klarer? ;-))
Eben noch mal die digibib Deutsche Literatur durchgeknibbelt.
Da geht es ohne erkennbare Tendenz mit und ohne Artikel oder
Pronomen bunt durcheinander mit "Abitur - das Abitur - sein
Abitur - Abiturium" und andere, einmal sogar "seinen Abitur";
daneben ganz viele Komposita. Insgesamt 102 Fundstellen, aber
alle nach 1800.
--
j/\a
Heinz Lohmann
2018-01-13 15:41:09 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by H.-P. Schulz
Abitur - ohne Artikel - macht man mit ~18 auf einem Gymnasium o.s.ä.
Alle anderen Abiture sind solche mit Artikel.
Jetzt klarer? ;-))
Eben noch mal die digibib Deutsche Literatur durchgeknibbelt.
Da geht es ohne erkennbare Tendenz mit und ohne Artikel oder
Pronomen bunt durcheinander mit "Abitur - das Abitur - sein
Abitur - Abiturium" und andere, einmal sogar "seinen Abitur";
daneben ganz viele Komposita. Insgesamt 102 Fundstellen, aber
alle nach 1800.
Q: Darf deine Nichte schon studieren?

A:
1. Meine Nichte hat letztes Jahr Abitur gemacht.
2. Meine Nichte hat letztes Jahr das Abitur gemacht.
3. Meine Nichte hat letztes Jahr ihr Abitur gemacht.

Alles schon gelesen und gehört, alles MUSEN akzeptabel.
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Stefan Schmitz
2018-01-13 22:12:43 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Q: Darf deine Nichte schon studieren?
1. Meine Nichte hat letztes Jahr Abitur gemacht.
2. Meine Nichte hat letztes Jahr das Abitur gemacht.
3. Meine Nichte hat letztes Jahr ihr Abitur gemacht.
Alles schon gelesen und gehört, alles MUSEN akzeptabel.
Wo ich diese Zusammenstellung sehe, scheint mir der subtile Unterschied eher
folgender zu sein:

Bei 1 geht es um den Vorgang, der die Schulzeit beendet und zum Studium
berechtigt.
Bei 2 geht es um die spezielle Form des Abschlusses.
Bei 3 wurde von jedermann erwartet, dass sie diesen Abschluss erwirbt.
Martin Gerdes
2018-01-14 20:05:42 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Heinz Lohmann
Q: Darf deine Nichte schon studieren?
1. Meine Nichte hat letztes Jahr Abitur gemacht.
2. Meine Nichte hat letztes Jahr das Abitur gemacht.
3. Meine Nichte hat letztes Jahr ihr Abitur gemacht.
Alles schon gelesen und gehört, alles MUSEN akzeptabel.
Wo ich diese Zusammenstellung sehe, scheint mir der subtile Unterschied eher
Bei 1 geht es um den Vorgang, der die Schulzeit beendet und zum Studium
berechtigt.
Bei 2 geht es um die spezielle Form des Abschlusses.
Bei 3 wurde von jedermann erwartet, dass sie diesen Abschluss erwirbt.
Mir scheint das überinterpretiert.
Ralf Joerres
2018-01-22 14:22:27 UTC
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Post by Stefan Schmitz
Post by Heinz Lohmann
Q: Darf deine Nichte schon studieren?
1. Meine Nichte hat letztes Jahr Abitur gemacht.
2. Meine Nichte hat letztes Jahr das Abitur gemacht.
3. Meine Nichte hat letztes Jahr ihr Abitur gemacht.
Alles schon gelesen und gehört, alles MUSEN akzeptabel.
Wo ich diese Zusammenstellung sehe, scheint mir der subtile Unterschied eher
Bei 1 geht es um den Vorgang, der die Schulzeit beendet und zum Studium
berechtigt.
Bei 2 geht es um die spezielle Form des Abschlusses.
Bei 3 wurde von jedermann erwartet, dass sie diesen Abschluss erwirbt.
Interessante Erklärung. Ich denke auch, dass die drei Sätze nicht
völlig gleichbedeutend sind. Satz 3 würde ich einen Tick anders erklären:
Es war der Abschluss, den man angesichts ihrer Fähigkeiten von dieser
jungen Dame erwarten durfte.

RJ
Ralf Joerres
2018-01-14 09:27:37 UTC
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Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um Manfred Krug)
"an der Abendschule Abitur machen" geändert hat in "an der Abendschule
*das* Abitur machen". Das geht natürlich auch, aber die Änderung legt nahe,
vorher wäre es falsch oder stilistisch schlechter gewesen. War es das?
Matthias
Nach meiner Beobachtung kann in ein sogenanntes Prädikat alles Mögliche
integriert werden, und je nach Verschmelzungsgrad bleibt die ursprüngliche
Struktur des inkorporierten Materials mal mehr oder mal weniger erhalten.
Das betrifft neben den Artikeln vor Objekten auch die Zusammenschreibung und
die Groß- und Kleinschreibung. Tendenziell ist eine Verbindung wie
'Feierabend machen' für mich ein etwas größeres 'Verb', vergleichbar dem
früheren 'radfahren'. Wann eine maßgebliche Anzahl der 'Sprachteilnehmer'
aufhört, ein Akkusativobjekt als Akkusativobjekt zu empfinden und sie ins
Verb aufnimmt, ist nicht vorauszusehen. Für Deutschlerner können diese
Verbgruppen in mehrfacher Hinsicht ein Problem darstellen: Ob der Artikel
obligatorisch ist, muss ggf. mitgelernt werden. Andererseits: Wenn ich sagen
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?

Zur Abiturfrage: Man sagt wohl auch nicht selten 'er hat sein Abitur gemacht
/ seinen Abschluss gemacht / seinen Meister gemacht', eine spezielle
Verwendung des Possessivums, möglicherweise vergleichbar mit 'er hat heute
noch nicht seine Zeitung gelesen'?

Gruß Ralf Joerres
Stefan Ram
2018-01-14 11:50:23 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
obligatorisch ist, muss ggf. mitgelernt werden. Andererseits: Wenn ich sagen
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Natürlich erwähnt niemand das T-Wort. Man sagt: "Ich muß mal
kurz verschwinden." oder etwas Ähnliches.

(Als maximale Zeilenlänge im Usenet sieht man meist
72 Zeichen an.)
Detlef Meißner
2018-01-14 11:58:23 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
Post by Ralf Joerres
obligatorisch ist, muss ggf. mitgelernt werden. Andererseits: Wenn ich sagen
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Natürlich erwähnt niemand das T-Wort. Man sagt: "Ich muß mal
kurz verschwinden." oder etwas Ähnliches.
"Ich geh' mal auf Tö" habe ich in letzter Zeit relativ häufig gehört.

Detlef
Matthias Opatz
2018-01-14 22:24:00 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
Natürlich erwähnt niemand das T-Wort. Man sagt: "Ich muß mal
kurz verschwinden." oder etwas Ähnliches.
Wir sind doch hier nicht in Amerika. Freilich hört man auch zuweilen die
genannte Phrase, aber Sätze mit "Toilette" sind so üblich wie unauffällig.

Matthias
Jakob Achterndiek
2018-01-15 08:56:31 UTC
Permalink
Post by Matthias Opatz
Post by Stefan Ram
Natürlich erwähnt niemand das T-Wort. Man sagt: "Ich muß mal
kurz verschwinden." oder etwas Ähnliches.
Wir sind doch hier nicht in Amerika. Freilich hört man auch
zuweilen die genannte Phrase, aber Sätze mit "Toilette" sind
so üblich wie unauffällig.
inzwischen bin ich ja lange raus aus dem "Geschäft". Aber zu
meiner Zeit konnte man aus den vielen Variationen von "darf ich
bitte mal raus?" bis "ich muß mal scheißen" ein treffsicheres
Soziogramm erstellen. Am amüsantesten waren immer die besonders
hübsch vervornehmten Beschreibungen, zu denen auch die "Toledde"
gehörte. Also nix von wegen "üblich und unauffällig".
--
j/\a
x***@gmail.com
2018-01-15 12:53:20 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Matthias Opatz
Wir sind doch hier nicht in Amerika. Freilich hört man auch
zuweilen die genannte Phrase, aber Sätze mit "Toilette" sind
so üblich wie unauffällig.
inzwischen bin ich ja lange raus aus dem "Geschäft". Aber zu
meiner Zeit konnte man aus den vielen Variationen von "darf ich
bitte mal raus?" bis "ich muß mal scheißen" ein treffsicheres
Soziogramm erstellen. Am amüsantesten waren immer die besonders
hübsch vervornehmten Beschreibungen, zu denen auch die "Toledde"
gehörte. Also nix von wegen "üblich und unauffällig".
In Ostberlin war üblich: Ick muß ma austreten - FR
Detlef Meißner
2018-01-15 12:56:26 UTC
Permalink
Post by x***@gmail.com
Post by Jakob Achterndiek
Post by Matthias Opatz
Wir sind doch hier nicht in Amerika. Freilich hört man auch
zuweilen die genannte Phrase, aber Sätze mit "Toilette" sind
so üblich wie unauffällig.
inzwischen bin ich ja lange raus aus dem "Geschäft". Aber zu
meiner Zeit konnte man aus den vielen Variationen von "darf ich
bitte mal raus?" bis "ich muß mal scheißen" ein treffsicheres
Soziogramm erstellen. Am amüsantesten waren immer die besonders
hübsch vervornehmten Beschreibungen, zu denen auch die "Toledde"
gehörte. Also nix von wegen "üblich und unauffällig".
In Ostberlin war üblich: Ick muß ma austreten - FR
Nicht nur im Osten.

Detlef
Jakob Achterndiek
2018-01-15 13:04:46 UTC
Permalink
Post by x***@gmail.com
In Ostberlin war üblich: Ick muß ma austreten - FR
Aus HJ-Zeiten erinnerlich als "bitte austreten zu dürfen!"
Dahinter stand noch "aus dem Glied treten", in dem wir
(1. Glied - 2. Glied - 3. Glied) angetreten waren. Aber
wieso eigentlich Glied? Warum nicht Reihe oder Zeile?
War da die Truppe ein Korpus mit Gliedern? Auch aus einer
Sonderverwendung konnte man "ins Glied zurück treten."
--
j/\a
x***@gmail.com
2018-01-15 15:59:13 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
In Ostberlin war üblich: Ick muß ma austreten.
Aus HJ-Zeiten erinnerlich als "bitte austreten zu dürfen!"
Dahinter stand noch "aus dem Glied treten", in dem wir
(1. Glied - 2. Glied - 3. Glied) angetreten waren. Aber
wieso eigentlich Glied? Warum nicht Reihe oder Zeile?
War da die Truppe ein Korpus mit Gliedern? Auch aus einer
Sonderverwendung konnte man "ins Glied zurück treten."
Jetz aba ma Ruhe im Glied!

Ihr wart also in Linie zu drei Gliedern angetreten, wa.
Durch das Kommando "rechts um" wird aus dem Glied eine Reihe,
wie aus dem Kommando "Reihe rechts - ohne Tritt marsch"
erhellt, wobei die aus dem dritten Glied hervorgegangene
Reihe loslatscht, die zweite, dann die dritte Reihe sich
anschließen. Die Kommandos "Abteilung halt" und "links um"
verwandelt die Formation in eine Linie zu einem Glied.

Ick vaweise uff dis redensartliche "in Reih' und Glied", wa.

Mehr ha'ck dasu nüsch su saren - FR
U***@web.de
2018-01-16 11:49:51 UTC
Permalink
Post by x***@gmail.com
Post by Jakob Achterndiek
In Ostberlin war üblich: Ick muß ma austreten.
Aus HJ-Zeiten erinnerlich als "bitte austreten zu dürfen!"
Dahinter stand noch "aus dem Glied treten", in dem wir
(1. Glied - 2. Glied - 3. Glied) angetreten waren. Aber
wieso eigentlich Glied? Warum nicht Reihe oder Zeile?
War da die Truppe ein Korpus mit Gliedern? Auch aus einer
Sonderverwendung konnte man "ins Glied zurück treten."
Jetz aba ma Ruhe im Glied!
Ihr wart also in Linie zu drei Gliedern angetreten, wa.
Durch das Kommando "rechts um" wird aus dem Glied eine Reihe,
wie aus dem Kommando "Reihe rechts - ohne Tritt marsch"
erhellt, wobei die aus dem dritten Glied hervorgegangene
Reihe loslatscht, die zweite, dann die dritte Reihe sich
anschließen. Die Kommandos "Abteilung halt" und "links um"
verwandelt die Formation in eine Linie zu einem Glied.
Bellte es nicht gelegentlich auch ganz ohne
angeordnete und abgeschlossene Sondervberwendung:

"Zurück ins G.!"

?

Gruß, ULF
x***@gmail.com
2018-01-16 15:43:25 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by x***@gmail.com
Durch das Kommando "rechts um" wird aus dem Glied eine Reihe,
wie aus dem Kommando "Reihe rechts - ohne Tritt marsch"
erhellt, wobei die aus dem dritten Glied hervorgegangene
Reihe loslatscht, die zweite, dann die dritte Reihe sich
anschließen. Die Kommandos "Abteilung halt" und "links um"
verwandelt die Formation in eine Linie zu einem Glied.
Bellte es nicht gelegentlich auch ganz ohne
"Zurück ins G.!"
Vordermann, Seitenrichtung!

Ein Lied!

FR
Gunhild Simon
2018-01-16 00:53:34 UTC
Permalink
Am Montag, 15. Januar 2018 13:53:21 UTC+1 schrieb ***@gmail.com:

...
Post by x***@gmail.com
In Ostberlin war üblich: Ick muß ma austreten - FR
zu meiner Grundschulzeit mußte man sich melden und
fragen: "Darf ich mal hinaus?"
(Und man mußte tatsächlich den ganzen Schulhof
überqueren.)

Gruß
Gunhild
x***@gmail.com
2018-01-16 15:40:08 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
In Ostberlin war üblich: Ick muß ma austreten.
zu meiner Grundschulzeit mußte man sich melden und
fragen: "Darf ich mal hinaus?"
Es galt der Väter Spruch:
Vor dem Scheißen, nach dem Essen
Hände waschen nicht vergessen!

FR
Detlef Meißner
2018-01-16 15:46:56 UTC
Permalink
Post by x***@gmail.com
Post by Gunhild Simon
In Ostberlin war üblich: Ick muß ma austreten.
zu meiner Grundschulzeit mußte man sich melden und
fragen: "Darf ich mal hinaus?"
Vor dem Scheißen, nach dem Essen
Hände waschen nicht vergessen!
Damit spart man einmal Händewaschen.

Detlef
--
Da die Frauen die Juwelen der Schöpfung sind, muß man sie mit Fassung
tragen.
Helmut Richter
2018-01-14 12:04:31 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Nach meiner Beobachtung kann in ein sogenanntes Prädikat alles Mögliche
integriert werden, und je nach Verschmelzungsgrad bleibt die ursprüngliche
Struktur des inkorporierten Materials mal mehr oder mal weniger erhalten.
Das betrifft neben den Artikeln vor Objekten auch die Zusammenschreibung und
die Groß- und Kleinschreibung. Tendenziell ist eine Verbindung wie
'Feierabend machen' für mich ein etwas größeres 'Verb', vergleichbar dem
früheren 'radfahren'.
Bei solchen Konstrukten gehört das Substantiv zum Prädikat, und wie alle
Bestandteile des Prädikats außer dem finiten Verb steht es hinten im
Satz. Man vergleiche:

Normales Objekt:

Ich lese in der Küche die Zeitung.
Ich lese die Zeitung in der Küche.
In der Küche lese ich die Zeitung.
Die Zeitung lese ich in der Küche.

Ich lese in der Küche die Zeitung nicht.
In der Küche lese ich die Zeitung nicht.
Ich lese in der Küche keine Zeitung.
In der Küche lese ich keine Zeitung.

(Ich habe nicht alle Negationen aufgezählt, sondern nur die, die den
ganzen Satz negieren und nicht nur ein einzelnes Satzglied wie in "Ich
lese die Zeitung nicht in der Küche. [Sondern anderswo.]")

Bestandteil des Prädikats:

Ich lese in der Küche Zeitung.

*Ich lese Zeitung in der Küche.

In der Küche lese ich Zeitung.

*Zeitung lese ich in der Küche.



Ich lese in der Küche nicht Zeitung.

In der Küche lese ich nicht Zeitung.



Der fehlende Artikel kann ein Hinweis darauf sein, dass es sich um einen
Bestandteil des Prädikats handelt. Das ist aber weder notwendig noch
hinreichend, und es gibt Grenzfälle:

Objekt ohne Artikel: Er trinkt in der Küche Bier. (oder: Bier in der
Küche)
Prädikatsteil mit Artikel: Er wirft immer noch nicht das Handtuch.

Besonders Adverbiale der Richtung werden spontan gerne als Teile des
Prädikats aufgefasst, wenn es um die Wortstellung geht.

Ich denke, dass ich nicht hätte in die Stadt gehen sollen.
(sondern etwas anderes tun)

und nicht:


Ich denke, dass ich nicht in die Stadt hätte gehen sollen.

(sondern woanders hin)

Die Unterscheidung ist schwierig, am einfachsten, indem man nach der
Tätigkeit fragt:

Was tust du gerade? -- Ich sauge Staub.

und nicht:

Was saugst du gerade? -- Staub.
--
Helmut Richter
Ralf Joerres
2018-01-14 13:15:50 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by Ralf Joerres
Nach meiner Beobachtung kann in ein sogenanntes Prädikat alles Mögliche
integriert werden, und je nach Verschmelzungsgrad bleibt die ursprüngliche
Struktur des inkorporierten Materials mal mehr oder mal weniger erhalten.
Das betrifft neben den Artikeln vor Objekten auch die Zusammenschreibung und
die Groß- und Kleinschreibung. Tendenziell ist eine Verbindung wie
'Feierabend machen' für mich ein etwas größeres 'Verb', vergleichbar dem
früheren 'radfahren'.
Bei solchen Konstrukten gehört das Substantiv zum Prädikat, und wie alle
Bestandteile des Prädikats außer dem finiten Verb steht es hinten im
Guter Hinweis. Insofern entsprechen diese Substantive einem trennbaren
Verbzusatz, die kommen im Verbzweitstellungssatz auch nach hinten.
Post by Helmut Richter
Ich lese in der Küche die Zeitung.
Ich lese die Zeitung in der Küche.
In der Küche lese ich die Zeitung.
Die Zeitung lese ich in der Küche.
Ich lese in der Küche die Zeitung nicht.
In der Küche lese ich die Zeitung nicht.
Ich lese in der Küche keine Zeitung.
In der Küche lese ich keine Zeitung.
(Ich habe nicht alle Negationen aufgezählt, sondern nur die, die den
ganzen Satz negieren und nicht nur ein einzelnes Satzglied wie in "Ich
lese die Zeitung nicht in der Küche. [Sondern anderswo.]")
Ich lese in der Küche Zeitung.
*Ich lese Zeitung in der Küche.
Stimmt im Prinzip. Leider kommen solche Sätze vor, um zu betonen, dass man
seine Zeitungslektüre ebendort und nicht etwa im Wohnzimmer ... tja, welches
Verb passt jetzt wohl: tätigt, veranstaltet, vornimmt, absolviert, statt-
finden lässt ...? Muss man wohl wieder umbauen: dass man seine Zeitung
ebendort und nicht anderswo liest.
Post by Helmut Richter
In der Küche lese ich Zeitung.
*Zeitung lese ich in der Küche.
Da kommen noch andere Dinge ins Spiel, vgl. 'Zeitung lese ich
überhaupt nicht mehr, ich hole mir die Nachrichten aus dem Internet.'
Aber solche Sätze sind nicht zu 100% 'wohlgeformt', man muss von den
Normalformen ausgehen und sich mit Abweichungen später oder gar nicht
beschäftigen. Also: Recht haste. Im Prinzip.
Post by Helmut Richter
Ich lese in der Küche nicht Zeitung.
In der Küche lese ich nicht Zeitung.
Diese Sätze sind irgendwie 'unnormal' für mich. das verbale 'Zeitung Lesen'
fokussiert die Art der Aktivität, das mit einem Ort zu kombinieren ist für
mich irgendwie seltsam. Außer bei sowas wie 'Er las gerade Zeitung in der
Küche, als ...' (auf ugs. wäre das bei uns meinem Gefühl nach allerdings
eher 'er war grade in der Küche am Zeitunglesen, da ...')
Post by Helmut Richter
Der fehlende Artikel kann ein Hinweis darauf sein, dass es sich um einen
Bestandteil des Prädikats handelt. Das ist aber weder notwendig noch
... ja ...
Post by Helmut Richter
Objekt ohne Artikel: Er trinkt in der Küche Bier. (oder: Bier in der
Küche)
Prädikatsteil mit Artikel: Er wirft immer noch nicht das Handtuch.
Besonders Adverbiale der Richtung werden spontan gerne als Teile des
Prädikats aufgefasst, wenn es um die Wortstellung geht.
Ich denke, dass ich nicht hätte in die Stadt gehen sollen.
(sondern etwas anderes tun)
Ich denke, dass ich nicht in die Stadt hätte gehen sollen.
(sondern woanders hin)
Da gibt's regional und sprachschichtspezifisch wahrscheinlich weitere
Varianten: '... nicht hätte sollen in die Stadt gehen', oder '... dass
ich besser nicht in die Stadt gegangen wär' usw. Dein '... dass ich nicht
in die Stadt hätte gehen sollen' wäre bei uns vermutlich unauffällig bis
'leicht gestelzt', aber nicht stutzenswert. Die Unterscheidung in Deinen
beiden Sätzen ist subtil, vielleicht fehlt mir auch inzwischen dafür das
Feingefühl.
Post by Helmut Richter
Die Unterscheidung ist schwierig, am einfachsten, indem man nach der
Was tust du gerade? -- Ich sauge Staub.
Da würden wir antworten 'Staubsaugen', weil 'ich sauge Staub' sich
'komisch' anhört. Präteritum 'ich sog Staub'? Man sagt bei uns natürlich
auch 'ich bin am Saugen, siehste doch', oder noch natürlicher 'Du siehst
dich, dass ich sauge!' Und wenn man grade telefonisch unterbrochen wurde
und dann gefragt wird 'was machst du gerade?' ('tust' würden wir da nicht
benutzen), würde man nicht antworten 'ich telefoniere', was eigentlich
korrekt wäre, sondern 'ich war grad am Saugen'. Das könnte dann wieder
bei NERDs zu Missverständnissen führen.
Post by Helmut Richter
Was saugst du gerade? -- Staub.
Oder: Den letzten Film von Fatih Akin. (siehe NERD)
Post by Helmut Richter
--
Helmut Richter
Gruß Ralf Joerres
Stefan Schmitz
2018-01-14 17:57:17 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Bei solchen Konstrukten gehört das Substantiv zum Prädikat, und wie alle
Bestandteile des Prädikats außer dem finiten Verb steht es hinten im
Ich lese in der Küche die Zeitung.
Ich lese die Zeitung in der Küche.
In der Küche lese ich die Zeitung.
Die Zeitung lese ich in der Küche.
Ich lese in der Küche die Zeitung nicht.
Das kommt mir arg seltsam vor. Ich würde das "nicht" als drittes Wort nehmen.

Beim Vergleichssatz

Ich rede mit meinem Bruder nicht.

passt das "nicht" am Ende, ergibt aber MUSEN einen anderen Sinn als die bloße
Verneinung des Satzes ohne "nicht". (Nämlich: das mache ich grundsätzlich nicht!)
Post by Helmut Richter
Ich lese in der Küche Zeitung.
*Ich lese Zeitung in der Küche.
Finde ich vollkommen normal. Warum das Sternchen?
Post by Helmut Richter
In der Küche lese ich Zeitung.
*Zeitung lese ich in der Küche.
Nicht ganz so selbstverständlich, aber auch ohne großes Problem.
Post by Helmut Richter
Ich lese in der Küche nicht Zeitung.
In der Küche lese ich nicht Zeitung.
Stefan Ram
2018-01-14 12:10:19 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
obligatorisch ist, muss ggf. mitgelernt werden. Andererseits: Wenn ich sagen
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Was ohne Artikel verwendet wird, ist: "Ich mache Toilette."
(d.h. "Ich ziehe mich sorgfältig an und mache mich zurecht.").
Christina Kunze
2018-01-14 20:46:22 UTC
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Post by Stefan Ram
Post by Ralf Joerres
obligatorisch ist, muss ggf. mitgelernt werden. Andererseits: Wenn ich sagen
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Was ohne Artikel verwendet wird, ist: "Ich mache Toilette."
(d.h. "Ich ziehe mich sorgfältig an und mache mich zurecht.").
Ist das für Dich normales Alltagsdeutsch? Ich kenne diese Formulierung
natürlich, würde sie aber über meine eigenen Vorbereitungen auf den Tag
oder eine Veranstaltung allenfalls ironisch verwenden.

chr
Jakob Achterndiek
2018-01-14 13:36:26 UTC
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[..] Wann eine maßgebliche Anzahl der 'Sprachteilnehmer'
aufhört, ein Akkusativobjekt als Akkusativobjekt zu empfinden
und sie ins Verb aufnimmt, ist nicht vorauszusehen. [..]
Ich fange mal ganz kleinkariert an:
Jemand "empfindet" ein Objekt als Objekt. Sind das dann (weil man
das im Satz abzählen kann) schon zwei Objekte? Ein reales und ein
empfundenes? Nimmt er deshalb, der jemand, auch beide, also _sie_,
ins Verb auf? Müßte dann aus dem "Rad fahren" nicht eigentlich ein
"radradfahren" werden?

Weniger kleinkariert und schon eher an Grundsätze der Sprachwissen-
schaft rührend erscheint mir die zweite Frage:
Wie gründlich muß man seine Sprache gelernt haben, wie vollkommen
muß man sie in Theorie und Praxis beherrschen, um ein Objekt als
Objekt "empfinden" zu können? Normal (und so auch bei mir und
allen, die ich kenne) ist doch, daß Satzanalyse ein bewußter
Vorgang ist, aus dem nach längerer Zeit intensiver Übung allen-
falls eine Fähigkeit zu unterschwellige Muster-Erkennung folgen
kann. "Unterschwellig" sagt aber, daß nicht ein Unter_gefühl_,
sondern ein Unter_bewußtsein_ am Werk ist. Nebenbei: Die Praxis
der Rechtschreibung entspricht dem.

Der langen Rede kurzer Sinn: Verlaß dich nie auf "Sprachgefühl"!
Sondern formuliere deine Überlegungen so, daß sie zu _retionaler_
Mitarbeit auf der Grundlage von Kenntnissen und Überlegungen
anregen, statt zu MUSEN und DUSEN.
--
j/\a
Ralf Joerres
2018-01-14 15:46:47 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
[..] Wann eine maßgebliche Anzahl der 'Sprachteilnehmer'
aufhört, ein Akkusativobjekt als Akkusativobjekt zu empfinden
und sie ins Verb aufnimmt, ist nicht vorauszusehen. [..]
Jemand "empfindet" ein Objekt als Objekt. Sind das dann (weil man
das im Satz abzählen kann) schon zwei Objekte? Ein reales und ein
empfundenes? Nimmt er deshalb, der jemand, auch beide, also _sie_,
ins Verb auf? Müßte dann aus dem "Rad fahren" nicht eigentlich ein
"radradfahren" werden?
Solcherlei Fliegenbeinzählerei kann zuweilen das Problem erhellen, hier
scheint mir das nicht der Fall zu sein. Wo Du das zweite Objekt hernimmst,
bleibt Dein Geheimnis, es ist nur von einem Objekt die Rede. Sollte wohl
ein Kalauer sein.
Post by Jakob Achterndiek
Weniger kleinkariert und schon eher an Grundsätze der Sprachwissen-
Wie gründlich muß man seine Sprache gelernt haben, wie vollkommen
muß man sie in Theorie und Praxis beherrschen, um ein Objekt als
Objekt "empfinden" zu können? Normal (und so auch bei mir und
allen, die ich kenne) ist doch, daß Satzanalyse ein bewußter
Vorgang ist
Eben nicht. Ein Kind lernt irgendwann den Unterschied zwischen 'das ist
ein Hund' und 'wir haben einen Hund', das heißt es macht einen kategorialen
Unterschied, ohne zu wissen, was es da tut, das passiert vollkommen
unbewusst.
Post by Jakob Achterndiek
aus dem nach längerer Zeit intensiver Übung allen-
falls eine Fähigkeit zu unterschwellige Muster-Erkennung folgen
kann. "Unterschwellig" sagt aber, daß nicht ein Unter_gefühl_,
sondern ein Unter_bewußtsein_ am Werk ist. Nebenbei: Die Praxis
der Rechtschreibung entspricht dem.
Der langen Rede kurzer Sinn: Verlaß dich nie auf "Sprachgefühl"!
Sondern formuliere deine Überlegungen so, daß sie zu _retionaler_
Mitarbeit auf der Grundlage von Kenntnissen und Überlegungen
anregen, statt zu MUSEN und DUSEN.
Ich gehöre hier nicht zu den MUSElerN und DUSELerN. Dennoch gilt für mich:
Es gibt sowas wie grammatische Intuitionen. So werden bei Überlegungen
zur Wortartzugehörigkeit viele eine dumpfe Ahnung davon haben, dass
'vielleicht' im Satz 'ich komme vielleicht' eine andere Kategorie von
Wort ist als in 'du bist mir vielleicht ein Herzchen!' Man kann dann richtig
einsteigen und die Dinge auseinandernehmen und wird feststellen, dass
'vielleicht' ein Modalwort respektive Satzadverb sein kann oder dass es
in eine der verschiedenen Unterkategorien von Partikeln fällt. Das weiß
aber der durchschnittlich geschulte Deutsche nicht, und an diesem Nicht-
Wissen haben die Deutschlehrer einen nicht unerheblichen Anteil. Viele
wollen das auch nicht wissen und sagen, mir reicht das, was in meinem Duden
von anno dunnemals steht, und da steht Adverb. Und schon ist die ganze
rationale Diskussion entweder an ihr Ende gelangt. oder sie wird überaus
mühselig für die, welche sich bislang wenig oder gar nicht damit beschäf-
tigt hatten.

Kurz: In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, an dieses von Dir 'Fähigkeit
zu unterschwelliger Mustererkennung' genannte Unterbewusstsein zu appel-
lieren, um die Dinge nicht 'unnötig zu verkomplizieren'.

In diesem Sinne hatte das verstanden werden wollen, wenn ich von einem
'Objekt-Gefühl' geschrieben habe: als der erahnte Bedeutungsunterschied
zwischen 'ich lese die Zeitung' und 'ich lese Zeitung'. Deutlicher noch
wird es in einem Satz wie Helmuts 'ich sauge Staub', in dem man das
'Nicht-Objekt' nicht sinnvoll erfragen kann sondern nur noch den
ganzen Verbverband: Was tust du da?

Dass es so etwas wie ein 'grammatisches Gefühl' tatsächlich gibt, sieht man
immer dann recht deutlich, wenn sich der Sprachgebrauch über tradierte
Regeln hinwegsetzt: 'nicht brauchen' fungiert in entsprechenden Kontexten
als Modalverb und passt sich den anderen Modalverben an; bei von Ortsnamen
abgeleiteten Herkunftsbezeichnungen setzt sich allmählich die Erkenntnis
durch, dass sie von den meisten Deutschen als Adjektive aufgefasst werden;
dass von Nomina abgeleitete Farbadjektive nicht gebeugt werden dürfen,
wird in der sprachlichen Alltagsrealität komplett ignoriert; dass ein
Großteil sogenannter Adjektive von Deutschsprechern als Artikel(wörter)
empfunden werden, weil sie aufgrund ihrer Bedeutung den Artikelwörtern
entsprechende Funktionen innehaben, wird inzwischen von den Grammatiken
wahrgenommen. Dass Pronomen keine Artikel sind, darf jetzt wenigstens im
DAF und DaZ gelten, und vielleicht kommt es auch irgendwann mal in der
nicht-fremdsprachlichen Deutschlehrerausbildung an.

Man hat es jedoch, wenn immer man hart an der Sache entlang argumentiert,
mit unglaublich starken Beharrungswünschen von Traditionalisten zu tun,
die am liebsten alle grammatischen Kategorien der Ars latina für die
nächsten paar tausend Jahre festschreiben würden. Im grammatischen
Spezialistenalltag sind die Dinge inzwischen so kompliziert geworden,
dass sie nicht mehr ohne weiteres zugänglich sind. Dabei bleibt diese
Komplexität meinem Eindruck nach jedoch weit hinter dem zurück, was in den
Natur- oder Ingenieurswissenschaften Standard ist. In einem
massentauglicheren Produkt wie der Duden-Grammatik will man sich immer noch
verständlich machen und sein Wissen dem Allgemeinbewusstsein vermitteln; ich
bezweifle allerdings, ob das überhaupt noch möglich ist.

Dass es so etwas wie das von mir 'Grammatik-Gefühl' Genannte gibt, sieht
man daran, dass Kinder Sprachen ohne Grammatik lernen. Es gibt Jazzmusiker,
die spielen ihre melodischen Variationen genau passend zu den Harmonien,
ohne Noten lesen und ohne die Harmonien analysieren zu können. Sie tun das
aus ihrer Intuition heraus, und diese Intuition ist mehr auf der Seite des
Gefühls angesiedelt als auf der Seite von analysierbaren Bewusstseins-
inhalten.

Auch wenn Du immer wieder wider Sprachgefühlsduselei anpredigst: Es gibt
so etwas wie Sprachgefühl, das ist für mich keine Mystifikation. Gäbe
es sie nicht, hätten Deutschlehrer früher - wie das heute gehandhabt wird,
weiß ich nicht - ihre liebe Not gehabt, so etwas wie einen 'Ausdrucksfehler'
zu begründen.

Grüße: Ralf Joerres
Helmut Richter
2018-01-14 17:30:48 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Post by Jakob Achterndiek
[..] Wann eine maßgebliche Anzahl der 'Sprachteilnehmer'
aufhört, ein Akkusativobjekt als Akkusativobjekt zu empfinden
und sie ins Verb aufnimmt, ist nicht vorauszusehen. [..]
Jemand "empfindet" ein Objekt als Objekt. Sind das dann (weil man
das im Satz abzählen kann) schon zwei Objekte? Ein reales und ein
empfundenes? Nimmt er deshalb, der jemand, auch beide, also _sie_,
ins Verb auf? Müßte dann aus dem "Rad fahren" nicht eigentlich ein
"radradfahren" werden?
Solcherlei Fliegenbeinzählerei kann zuweilen das Problem erhellen, hier
scheint mir das nicht der Fall zu sein. Wo Du das zweite Objekt hernimmst,
bleibt Dein Geheimnis, es ist nur von einem Objekt die Rede. Sollte wohl
ein Kalauer sein.
Post by Jakob Achterndiek
Weniger kleinkariert und schon eher an Grundsätze der Sprachwissen-
Wie gründlich muß man seine Sprache gelernt haben, wie vollkommen
muß man sie in Theorie und Praxis beherrschen, um ein Objekt als
Objekt "empfinden" zu können? Normal (und so auch bei mir und
allen, die ich kenne) ist doch, daß Satzanalyse ein bewußter
Vorgang ist
Eben nicht. Ein Kind lernt irgendwann den Unterschied zwischen 'das ist
ein Hund' und 'wir haben einen Hund', das heißt es macht einen kategorialen
Unterschied, ohne zu wissen, was es da tut, das passiert vollkommen
unbewusst.
Genau das macht das Sprachempfinden aus: kategoriale Unterschiede
registrieren, lange bevor man sie benennen kann. Das können Kinder schon
früh im Spracherwerb.

(Und das macht den Linguisten aus: solche kategorialen Unterschiede
benennen, selbst wenn sie in der Antike noch keinen Namen hatten. --
Nicht ganz ernstgement, auch nicht ganz unernst.)
Post by Ralf Joerres
Post by Jakob Achterndiek
Der langen Rede kurzer Sinn: Verlaß dich nie auf "Sprachgefühl"!
Sondern formuliere deine Überlegungen so, daß sie zu _retionaler_
Mitarbeit auf der Grundlage von Kenntnissen und Überlegungen
anregen, statt zu MUSEN und DUSEN.
MUSEN und DUSEN sind das Material, von dem die Benenner grammatischer
kategorialer Unterschiede seit der Antike abstrahieren. Wo nichts ist,
kann man nichts abstrahieren.

Damit sage ich nicht, dass alles, was ich mit MUSEN und du mit DUSEN von
sich geben, die Sprache ausmacht. Aber die Grammatik beschreibt die
Sprache und definiert sie nicht -- die Sprache war zuerst da und hatte
schon eine Grammatik, bevor es Grammatiker gab.
Post by Ralf Joerres
Kurz: In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, an dieses von Dir 'Fähigkeit
zu unterschwelliger Mustererkennung' genannte Unterbewusstsein zu appel-
lieren, um die Dinge nicht 'unnötig zu verkomplizieren'.
[...]
Man hat es jedoch, wenn immer man hart an der Sache entlang argumentiert,
mit unglaublich starken Beharrungswünschen von Traditionalisten zu tun,
die am liebsten alle grammatischen Kategorien der Ars latina für die
nächsten paar tausend Jahre festschreiben würden.
Und zwar für alle Sprachen weltweit, nicht nur für die, zu deren
Beschreibung sie geschaffen -- eigentlich entdeckt -- und benannt wurden.
Post by Ralf Joerres
Im grammatischen
Spezialistenalltag sind die Dinge inzwischen so kompliziert geworden,
dass sie nicht mehr ohne weiteres zugänglich sind. Dabei bleibt diese
Komplexität meinem Eindruck nach jedoch weit hinter dem zurück, was in den
Natur- oder Ingenieurswissenschaften Standard ist.
Ich denke eher, die Komplexität sei von anderer Art. In den Natur- oder
Ingenieurwissenschaften besteht sie aus dem Zusammenwirken vieler
Phänomene, die einzeln so einfach und klar sind, dass man sie mit
Mathematik beschreiben kann.

In der Grammatik besteht sie aus der Unschärfe der Phänomene. Was ist
ein Substantiv? Offenbar etwas so Unscharfes, dass es nicht gelingt,
eindeutig aufzuschreiben, welche Wörter im Deutschen groß geschrieben
werden sollen. Was ist ein Subjekt? Warum ist in einem Passivsatz etwas
anderes das Subjekt als im bedeutungsgleichen Aktivsatz? Usw.

Die Schwierigkeit für den Grammatiker besteht darin, dass jede
Beschreibung der Sprache, die Sätze nicht enthält, die von kompetenten
Sprechern der Sprache als grammatisch und stilistisch korrekt empfunden
werden (und das ist nun mal das einzige Kriterium, das wir haben),
unvollständig ist, und jede die alle korrekten Sätze enthält, völlig
unverständlich ist, und zwar nicht nur für die Leser im Hausgebrauch,
sondern auch für die Wissenschaftler selbst.

Ein Kollege sagte einmal trocken. "Ich lese keinen Artikel, dessen Titel
mit 'A general model ...' beginnt." Recht hat er. Für das wirkliche
Leben, Natur- wie Kulturwissenschaft, gibt es kein "general model". Es
gibt Modelle für Teilaspekte, und wenn sie gut sind, erklären sie etwas,
das vorher nicht oder schlecht erklärt war. Mehr geht nicht.
Post by Ralf Joerres
In einem
massentauglicheren Produkt wie der Duden-Grammatik will man sich immer noch
verständlich machen und sein Wissen dem Allgemeinbewusstsein vermitteln; ich
bezweifle allerdings, ob das überhaupt noch möglich ist.
Es ist nicht, und war es nie. Nur hatte man früher nicht den Anspruch.
--
Helmut Richter
Jakob Achterndiek
2018-01-14 19:40:20 UTC
Permalink
[..] ein Akkusativobjekt als Akkusativobjekt zu empfinden und
sie ins Verb aufnimmt, ist nicht vorauszusehen. [..]
^^^^^^
[..] Wo Du das zweite Objekt hernimmst, bleibt Dein Geheimnis , es
ist nur von einem Objekt die Rede. Sollte wohl ein Kalauer sein.
Stimmt. Und der "lauert" noch immer darauf, daß das "K" in Gestalt des
Plural-Pronomens "sie" für die mehreren ins Verb aufzunehmenden Objekte
erkannt wird. ;)
Dass es so etwas wie das von mir 'Grammatik-Gefühl' Genannte gibt,
sieht man daran, dass Kinder Sprachen ohne Grammatik lernen. [..]
Dem entgegne ich: Entweder, sie lernen, Gefühlen durch Laute Aus-
druck zu geben: Dann ist das eine Ausdrucksform, die über die mancher
Tiere nicht hinausgeht. Oder sie lernen zu sprechen: Das impliziert
aber eine Grammatik, die dieser Sprache immanent ist und deren Muster
bewußt oder unterbewußt fixiert, aber nicht "gefühlt" werden.
Es gibt Jazzmusiker, die spielen ihre melodischen Variationen genau
passend zu den Harmonien, ohne Noten lesen und ohne die Harmonien
analysieren zu können. Sie tun das aus ihrer Intuition heraus, und
diese Intuition ist mehr auf der Seite des Gefühls angesiedelt als
auf der Seite von analysierbaren Bewusstseinsinhalten.
Dieser Vergleich paßt nicht in diesen Zusammenhang. Musiken haben zwar,
ähnlich wie die Sprachen, Gesetze und Regeln, aber sie dienen nicht,
wie die Sprachen und deren Grammatiken, zur interaktiven Beschreibung
der Welt. - Allenfalls (aber diese Nutzanwendung dürfte dir gar nicht
genehm sein) kann man wieder bei Musik so schön dem Getriebe des Welt-
geistes "nachfühlen".
--
j/\a
Ralf Joerres
2018-01-15 06:01:02 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
[..] ein Akkusativobjekt als Akkusativobjekt zu empfinden und
sie ins Verb aufnimmt, ist nicht vorauszusehen. [..]
^^^^^^
[..] Wo Du das zweite Objekt hernimmst, bleibt Dein Geheimnis , es
ist nur von einem Objekt die Rede. Sollte wohl ein Kalauer sein.
Stimmt. Und der "lauert" noch immer darauf, daß das "K" in Gestalt des
Plural-Pronomens "sie" für die mehreren ins Verb aufzunehmenden Objekte
erkannt wird. ;)
Oha - leider unterlaufen mir solche Kongruenz- und andere Beziehungsfehler
inzwischen häufiger. Schonmal gut, dass ich jetzt weiß, was du meintest.
Post by Jakob Achterndiek
Dass es so etwas wie das von mir 'Grammatik-Gefühl' Genannte gibt,
sieht man daran, dass Kinder Sprachen ohne Grammatik lernen. [..]
Dem entgegne ich: Entweder, sie lernen, Gefühlen durch Laute Aus-
druck zu geben: Dann ist das eine Ausdrucksform, die über die mancher
Tiere nicht hinausgeht. Oder sie lernen zu sprechen: Das impliziert
aber eine Grammatik, die dieser Sprache immanent ist und deren Muster
bewußt oder unterbewußt fixiert, aber nicht "gefühlt" werden.
Es gibt Jazzmusiker, die spielen ihre melodischen Variationen genau
passend zu den Harmonien, ohne Noten lesen und ohne die Harmonien
analysieren zu können. Sie tun das aus ihrer Intuition heraus, und
diese Intuition ist mehr auf der Seite des Gefühls angesiedelt als
auf der Seite von analysierbaren Bewusstseinsinhalten.
Dieser Vergleich paßt nicht in diesen Zusammenhang. Musiken haben zwar,
ähnlich wie die Sprachen, Gesetze und Regeln, aber sie dienen nicht,
wie die Sprachen und deren Grammatiken, zur interaktiven Beschreibung
der Welt. - Allenfalls (aber diese Nutzanwendung dürfte dir gar nicht
genehm sein) kann man wieder bei Musik so schön dem Getriebe des Welt-
geistes "nachfühlen".
Ich kürze ab: Ein Walfisch ist zoologisch gesehen kein Fisch,
aber ein (noch) zulässiges Wort der deutschen Sprache. Irgendwann werden
sich irgendwelche Spracheiferer allerdings auch die Zoologie vornehmen...
Das Wort 'Sprachgefühl' existiert, und es wird (metaphorisch) benutzt, um
auszudrücken, dass kompetente Sprecher ein Empfinden dafür haben, welche
Sätze zulässig sind und welche nicht, ohne dafür immer eine Regel benennen
zu können. Dieses 'Gefühl' ist nicht ganz unähnlich der 'Moral' oder
dem 'Gefühl', angestarrt zu werden: Irgendetwas 'stört' manchmal, ohne
dass man klar benennen könnte, was. Das Wort 'Gefühl' ist für solche
Situationen ein gängiger Verbildlichungsversuch. So etwas unter eher
abstrahierenden Gesichtspunkten zu kritisieren, ist zwar eine anregende
intellektuelle Beschäftigung, ließe sich jedoch an wohl allen konventio-
nalisierten Metaphern demonstrieren und erscheint mir aus dem Stand heraus
vergleichsweise müßig.

Indessen muss ich über den Inhalt noch einmal unter zeitlich entspann-
teren Verhältnissen nachdenken.

Gruß Ralf Joerres
Jakob Achterndiek
2018-01-15 11:31:57 UTC
Permalink
Das Wort 'Sprachgefühl' existiert, [..]
Es gab zu Zeiten der Windjammer "wetterfühlige" Kapitäne, die immer
wieder sichere Reisen auf günstigen Kursen fuhren und ihren Reedern
dadurch gutes Geld einbrachten. Aber zur Schulung des Nachwuchses in
Sachen Wetterkunde erwiesen sich schon damals die weniger "fühligen"
Theoretiker geeigneter. Und nun gar in der meteorologischen Forschung ...
--
j/\a
Heinz Lohmann
2018-01-14 14:36:04 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Ich muss mal auf Klo.
Wahrscheinlich eher nördliche Umgangssprache.
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
x***@gmail.com
2018-01-14 17:21:02 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Post by Ralf Joerres
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Ich muss mal auf Klo.
Wahrscheinlich eher nördliche Umgangssprache.
Ich geh mal auf'n Entsafter - FR
Stefan Schmitz
2018-01-14 17:45:03 UTC
Permalink
Post by x***@gmail.com
Post by Heinz Lohmann
Post by Ralf Joerres
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Ich muss mal auf Klo.
Wahrscheinlich eher nördliche Umgangssprache.
Ich geh mal auf'n Entsafter - FR
Den Begriff Entsafter habe ich kürzlich in einer Doku über deutsche Bordelle
kennengelernt.
Interessant, dass dir so etwas auf dem heimischen Klo zur Verfügug steht.
Detlef Meißner
2018-01-14 17:50:07 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by x***@gmail.com
Post by Heinz Lohmann
Post by Ralf Joerres
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Ich muss mal auf Klo.
Wahrscheinlich eher nördliche Umgangssprache.
Ich geh mal auf'n Entsafter - FR
Den Begriff Entsafter habe ich kürzlich in einer Doku über deutsche Bordelle
kennengelernt.
LOL
Daran dachte ich auch sofort.
Post by Stefan Schmitz
Interessant, dass dir so etwas auf dem heimischen Klo zur Verfügug steht.
Vielleicht ist's kein Entsafter, sondern eine Entsafterin.
Detlef
x***@gmail.com
2018-01-15 12:47:57 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Heinz Lohmann
Ich muss mal auf Klo.
Wahrscheinlich eher nördliche Umgangssprache.
Ich geh mal auf'n Entsafter.
Den Begriff Entsafter habe ich kürzlich in einer Doku über deutsche Bordelle
kennengelernt.
Ja, der Bildungsauftrag der Medien...
Post by Stefan Schmitz
Interessant, dass dir so etwas auf dem heimischen Klo zur Verfügug steht.
Ich stell mal 'ne Stange Wasser in die Ecke - FR
Christina Kunze
2018-01-14 20:43:34 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Für Deutschlerner können diese
Verbgruppen in mehrfacher Hinsicht ein Problem darstellen: Ob der Artikel
obligatorisch ist, muss ggf. mitgelernt werden. Andererseits: Wenn ich sagen
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Ich empfinde das als norddeutsch und umgangssprachlich.

Könnte es eine Faustregel sein, dass man bei Präpositionen den Artikel
lieber setzen sollte?

chr
Helmut Richter
2018-01-14 22:20:03 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Post by Ralf Joerres
Für Deutschlerner können diese
Verbgruppen in mehrfacher Hinsicht ein Problem darstellen: Ob der Artikel
obligatorisch ist, muss ggf. mitgelernt werden. Andererseits: Wenn ich sagen
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Ich empfinde das als norddeutsch und umgangssprachlich.
Könnte es eine Faustregel sein, dass man bei Präpositionen den Artikel
lieber setzen sollte?
Wenn ein Arzt nicht auf Station ist, weil er in Urlaub ist: ist das dann
arbeitsrechtlich in Ordnung, aber grammatisch unter aller Sau?
--
Helmut Richter
Christina Kunze
2018-01-15 06:04:38 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Wenn ein Arzt nicht auf Station ist, weil er in Urlaub ist: ist das dann
arbeitsrechtlich in Ordnung, aber grammatisch unter aller Sau?
Hier hieße es "auf Station", aber "im Urlaub".
Und in meinem Umfeld würde "nicht auf Station" eher zu "in der Kantine"
passen. Wenn er im Urlaub ist, ist er einfach nicht da (oder nicht im Haus).

Finde ich alles umgangssprachlich.

chr
Stephen Hust
2018-01-15 08:46:02 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Post by Ralf Joerres
Für Deutschlerner können diese
Verbgruppen in mehrfacher Hinsicht ein Problem darstellen: Ob der Artikel
obligatorisch ist, muss ggf. mitgelernt werden. Andererseits: Wenn ich sagen
darf 'ich höre Radio', wieso geht dann nicht 'ich gehe auf Toilette', oder
geht das inzwischen im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Ich empfinde das als norddeutsch und umgangssprachlich.
Könnte es eine Faustregel sein, dass man bei Präpositionen den Artikel
lieber setzen sollte?
Gibt's da einige wenige Ausnahmen - oder unzählige? Manches klingt mit
(dem) Artikel jedenfalls merkwürdig.

Das steht außer dem Zweifel.

Ich bin außer dem Atem.

Herr Meier ist momentan außer dem Haus.

Ohne den Zweifel kann er das.

Ich bin zu dem Fuß unterwegs.

Ich gehe nach dem Hause.

Ich bin zu dem Hause.

In (der) Zukunft werde ich das so machen.

Was macht ihr zu den Weihnachten.

Ich habe gern Gebäck mit der Schokolade.

Ich esse gern Torte mit dem Schlagobers.

Ich bestelle immer Eis mit der Sahne.

Das hast du mit der Absicht gemacht!

Ich habe versucht, das Schloß mit der Gewalt zu öffnen.

Mein Traum ging nicht in die Erfüllung.

Sie leben in (der) Erwartung des Todes.

Sie kamen bei der Nacht.

Sowas geschieht nicht über der (oder die?) Nacht.

Er hat mich ohne den Grund angegriffen.

Sie wurde aus dem Mangel an den Beweisen freigesprochen.

Er ist auf dem Urlaub.

Ich bitte zu dem Tisch!

Als das Telefon klingelte, saßen wir bei dem Tisch.

Das Geschäft hat heute wegen der Inventur geschlossen.

Der Laden hat heute wegen des Umbaus geschlossen.

Die Praxis ist wegen des Urlaubs geschlossen.
--
Steve

My e-mail address works as is.
Stefan Ram
2018-01-15 12:31:33 UTC
Permalink
Post by Stephen Hust
Gibt's da einige wenige Ausnahmen - oder unzählige? Manches klingt mit
(dem) Artikel jedenfalls merkwürdig.
Das steht außer dem Zweifel.
Der Artikel legt eine regelhafte Herleitung der Bedeutung
aus der Bedeutung der Wörter nahe. Ohne den Artikel ist es
ein Idiom, eine feste Fügung, und die Bedeutung ist für
die Fügung als ganze festgelegt.
Martin Gerdes
2018-01-15 17:41:48 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Wenn ich sagen darf 'ich höre Radio', wieso geht dann
nicht 'ich gehe auf Toilette', oder geht das inzwischen
im Alltagsdeutsch, ohne Anstoß zu erregen?
Ich empfinde das als norddeutsch und umgangssprachlich.
+1

Hierzustadt geht man allgemein "auf Arbeit" und "auf 'Tollette'".
Mir fehlt in beiden Wendungen der Artikel.
Post by Christina Kunze
Könnte es eine Faustregel sein, dass man bei Präpositionen den Artikel
lieber setzen sollte?
Aus meiner Sicht ja.
Gerd Thieme
2018-01-16 10:18:19 UTC
Permalink
Hierzustadt geht man allgemein "auf Arbeit" und "auf 'Tollette'". Mir
fehlt in beiden Wendungen der Artikel.
„Auf die Arbeit“ oder „auf der Arbeit“ halte ich für unüblich bis
falsch.
Post by Christina Kunze
Könnte es eine Faustregel sein, dass man bei Präpositionen den
Artikel lieber setzen sollte?
Aus meiner Sicht ja.
• ab Hauptbahnhof
• auf Achse
• auf Wiedersehen
• aus Verlegenheit
• aus Versehen
• bei Gelegenheit
• durch Nachhilfe
• für Geld und gute Worte
• in Arbeit
• in Erwägung
• in Ruhe
• mit Mühe
• mit Vergnügen
• mit Verlaub
• nach Durchsicht
• nach Hause
• per Eilpost
• pro forma
• seit Mittwoch
• über Nacht
• unter Vorbehalt
• vor Jahrzehnten
• vor Lachen

Habe ich irgend etwas nicht verstanden?

Gerd
--
lichtung // manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht /
velwechsern. / werch ein illtum! // Ernst Jandl
Manfred Hoß
2018-01-15 23:09:20 UTC
Permalink
Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?
Das kommt darauf an. Bei manchen festen Ausdrücken kenne ich nur die Form
ohne Artikel. Zum Beispiel "Ich mache Urlaub". Ich habe nie jemanden sagen
hören "Ich mache den Urlaub".

In manchen Fällen geht aus meiner Sicht beides, ohne dass sich der Sinn
ändert, zum Beispiel "Ich gehe in Urlaub" bzw. "Ich gehe in den Urlaub". In
anderen Fällen verschiebt sich die Bedeutung. "Ich habe Geld gefunden"
heißt aus meiner Sicht, dass jemand auf der Straße eine Münze gefunden hat.
"Ich habe das Geld gefunden" heißt, jemand wusste genau, dass irgendwo Geld
zu finden ist, und er suchte so lange, bis er das Geld gefundet hat.
Post by Matthias Opatz
Drauf gekommen bin ich, nachdem ein Wikipedianer (es ging um Manfred Krug)
"an der Abendschule Abitur machen" geändert hat in "an der Abendschule
*das* Abitur machen". Das geht natürlich auch, aber die Änderung legt nahe,
vorher wäre es falsch oder stilistisch schlechter gewesen. War es das?
"Er macht Abitur" bzw. "Er macht das Abitur" gehört für mich zu den Fällen,
bei denen beides möglich ist, ohne dass sich der Sinn ändert.

Gruß
Manfred.
Stefan Schmitz
2018-01-18 21:05:07 UTC
Permalink
Post by Manfred Hoß
Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?
Das kommt darauf an. Bei manchen festen Ausdrücken kenne ich nur die Form
ohne Artikel. Zum Beispiel "Ich mache Urlaub". Ich habe nie jemanden sagen
hören "Ich mache den Urlaub".
In manchen Fällen geht aus meiner Sicht beides, ohne dass sich der Sinn
ändert, zum Beispiel "Ich gehe in Urlaub" bzw. "Ich gehe in den Urlaub". In
anderen Fällen verschiebt sich die Bedeutung. "Ich habe Geld gefunden"
heißt aus meiner Sicht, dass jemand auf der Straße eine Münze gefunden hat.
"Ich habe das Geld gefunden" heißt, jemand wusste genau, dass irgendwo Geld
zu finden ist, und er suchte so lange, bis er das Geld gefundet hat.
Das mit dem Geld ist aber ein anderer Fall.
Da erklärst du den Unterschied zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel.
Und sowohl im Plural als auch bei unzählbaren Dingen entfällt der unbestimmte
Artikel. Eben dies passiert beim Geld. (Man kann zwar den Wert zählen, aber
nicht 7 Geld haben.)

Und wo mir das auffällt, frage ich mich, ob man nicht auch "in einen Urlaub"
gehen kann.
Und ob es sich bei den fraglichen Ausdrücken aus dem OP vielleicht um Dinge
handelt, die in diesem speziellen Zusammenhang als unzählbar betrachtet werden.
Ralf Joerres
2018-01-22 15:06:24 UTC
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Post by Stefan Schmitz
Post by Manfred Hoß
Post by Matthias Opatz
Rente beziehen, Wache stehen, Feierabend machen, Kuchen backen,
Prüfungsstoff büffeln, Freizeit genießen, Abitur ablegen.
Das alles kommt mir völlig unauffällig vor. Oder ist all das
- ohne Artikel - arg umgangssprachlich?
Das kommt darauf an. Bei manchen festen Ausdrücken kenne ich nur die Form
ohne Artikel. Zum Beispiel "Ich mache Urlaub". Ich habe nie jemanden sagen
hören "Ich mache den Urlaub".
In manchen Fällen geht aus meiner Sicht beides, ohne dass sich der Sinn
ändert, zum Beispiel "Ich gehe in Urlaub" bzw. "Ich gehe in den Urlaub". In
anderen Fällen verschiebt sich die Bedeutung. "Ich habe Geld gefunden"
heißt aus meiner Sicht, dass jemand auf der Straße eine Münze gefunden hat.
"Ich habe das Geld gefunden" heißt, jemand wusste genau, dass irgendwo Geld
zu finden ist, und er suchte so lange, bis er das Geld gefundet hat.
Das mit dem Geld ist aber ein anderer Fall.
Da erklärst du den Unterschied zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel.
Und sowohl im Plural als auch bei unzählbaren Dingen entfällt der unbestimmte
Artikel. Eben dies passiert beim Geld. (Man kann zwar den Wert zählen, aber
nicht 7 Geld haben.)
Und wo mir das auffällt, frage ich mich, ob man nicht auch "in einen Urlaub"
gehen kann.
Und ob es sich bei den fraglichen Ausdrücken aus dem OP vielleicht um Dinge
handelt, die in diesem speziellen Zusammenhang als unzählbar betrachtet werden.
So würde ich das jedenfalls sehen. Viele Nomina haben nach meiner
Auffassung eine Perspektive der sog. 'Zählbarkeit' (da vorne stehen drei
Leute) und eine Perspektive der 'Nicht-Zählbarkeit' (da vorne stehen
Leute) - ich selbst fände die Bezeichnungen 'Gezähltheit' und 'Nicht-Gezähltheit' passender. Nicht-gezählt wären für mich z.B. 'er erschien
in Hut und Mantel', das wäre für mich vergleichbar 'unausgeschlafen und
unrasiert' also quasi-adjektivisch. Anderes Beispiel: Bart steht dir
nicht. Oder: Krawatte ist hier angezeigt. Natürlich auch in vielen
Zusammensetzungen. baumlang, schuhverrückt, schriftgläubig usw. Auch in
Fällen von ins Prädikat integrierten Nomina geben für mein Empfinden
viele Nomina mit dem Artikel zugleich ihren normalen Gezähltheits-Status
ab. Das könnte noch zunehmen: ??ich muss auf Klo, ?er kam mit Fahrrad
(aber bereits: er kam immer mit Hund, kommst du mit Zug oder Auto?), ich
mach heute Doppelschicht, er hatte gestern Prüfung usw. Bereits lange
Zeit vollständig inkorporiert sind radfahren / Rad fahren, Maschine
schreiben, handarbeiten, es scheint sich da aber um wenige Fälle zu
handeln.

Gruß Ralf Joerres
U***@web.de
2018-01-22 17:44:03 UTC
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Moin,
Post by Ralf Joerres
Viele Nomina haben nach meiner
Auffassung eine Perspektive der sog. 'Zählbarkeit' (da vorne stehen drei
Leute)
Ich schrieb zwar eben auch arg umgangssprachlich, aber
sollten Leute nicht ungezählt bis unzählbar bleiben,
auch wenn es viele sein dürfen?

Gruß, ULF
Ralf Joerres
2018-01-23 09:39:00 UTC
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Post by U***@web.de
Moin,
Post by Ralf Joerres
Viele Nomina haben nach meiner
Auffassung eine Perspektive der sog. 'Zählbarkeit' (da vorne stehen drei
Leute)
Ich schrieb zwar eben auch arg umgangssprachlich, aber
sollten Leute nicht ungezählt bis unzählbar bleiben,
auch wenn es viele sein dürfen?
Gruß, ULF
Ja klar: 'drei Leute' sind abgezählt, 'viele Leute' nicht, es ist eine
Menge mit einer nur grob angedeuteten Anzahl, kontextabhängig. Bei
'viele Haare in der Suppe' dürfte die Anzahl eine andere sein als bei
'viele Besucher beim Konzert'. Realisiert werden solche nur ungefähr
bestimmten Anzahlen durch sog. 'indef. Pronomen', meist in Artikel-
position, also eher 'indef. Artikel': einige, ein paar, wenige, etliche,
manche ... Bei zählbaren Elementen hebt der Nullartikel im Plural die
Gezähltheit auf (da stehen Leute). Dem entspricht bei nicht-zählbar
betrachteten der Nullartikel im Singular (da liegt Papier auf dem Boden).
Ich kann jedoch sowohl sagen 'da stehen drei Leute' als auch 'da liegt
ein Papier'. Eine Reihe von Nomen (Stoffbezeichnungen, Abstrakta ...)
sind von ihrer Idee her ungezählt, lassen sich jedoch mit Behälter-
angaben oder Maß- und Mengenbezeichnungen mengenmäßig bestimmen oder
werden von Psychologen und Soziologen über Behelfskonstruktionen
skaliert: Z.B. stehen hinter einer Aussage wie 'in Norwegen leben die
glücklichsten Menschen' bestimmte Verfahren zur Erfassung des Volumens
von 'Glück', etwa so wie man die Intelligenz einer Person mit einem IQ
'erfassen' kann. (Und dann gibt's wie immer noch 'Sonderfälle':
verschiedene Wässer / Ängste ...; die bereitgestellten Gelder - usw.)

Gruß Ralf Joerres

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